Crowdfunding ist KEIN Selbstläufer
Zuweilen bekommen manche Menschen den Eindruck, Crowdfunding sei eine prima Möglichkeit, neue Projekte und Ideen zu finanzieren. Was es prinzipiell auch ist sein kann. Aber eine sichere Sache, um möglichst wenig Risiko einzugehen? Sicher nicht.
Im Laufe der letzten zwei Jahre habe ich einige Crowdfunding-Projekte beobachtet und unterstützt. Gefühlt die Hälfte davon ist gescheitert. Bei fast allen könnte ich Hinweise geben, weshalb das so war. Die Ursachen für das Scheitern sind sehr unterschiedlich, aber fast immer unnötig. (Tipp: Ich biete auch Beratung in Sachen Crowdfunding an. #endofeigenwerbung) Der Grund des Scheiterns ist jedoch womöglich nicht nur bei den Initiatoren zu suchen, sondern teilweise auch bei den Medien, die nur über Erfolge und (fast) nie über Misserfolge berichten, sowie bei den Plattformen, die gescheiterte Projekte nicht mehr listen, sodass man sie als Neuling nur schwer findet oder gar nicht davon erfährt1.
Bitte, liebe Crowdfunding-Interessierte, glaubt ja nicht, dass Crowdfunding ein Selbstläufer ist! Vorausgesetzt, man verfügt nicht bereits über eine sehr große Community (Celebrities, Promis und etablierte Medienmarken) oder ein großes Unternehmen im Rücken, ist Crowdfunding vor allem eines: harte Arbeit.
Leider beobachte ich zunehmend den Trend, dass Unternehmen auf diesem Weg billige Markttests durchführen und damit aus meiner Sicht die Grundidee von Crowdfunding missbrauchen. Crowdfunding verkommt dabei zur reinen Vorfinanzierung und ist nicht länger eine Plattform für kleinere und unabhängige Künstler und Macher, die gerne ihre Idee umsetzen wollen, dabei aber auf Unterstützer angewiesen sind. Wer einen Plan B hat, sollte am besten gleich mit dem Plan B starten und nicht die Unterstützer für den billigen Plan A ausnutzen. Denn mit der Denke „Markttest, Vorverkauf und Marketing“ schaden die großen Unternehmen der Crowdfunding-Bewegung genauso wie organisiertes Mitfahren der Mitfahrgelegenheits-Community.
Bei meiner ersten Crowdfunding-Kampagne 2013 habe ich gemerkt, dass es auch einen Marketing-Effekt hat (den ich gar nicht bestreiten oder ablehnen will), dass es sich auch gut als Vorverkaufs-Tool eignen könnte und dass es gleichzeitig ein super Markttest ist, um zu erfahren, ob ein neues Produkt oder eine neue Idee gut ankommt oder nicht. Aber all das war von mir nicht geplant, sondern die Folge (!) meines Plans; ein unbeabsichtigter Nebeneffekt. Mein Plan lautete: Ein neues Magazin auf den Markt bringen, für das mir das Geld fehlt. Und dieses von Anfang an gemeinsam mit der Unterstützung potenzieller Leser zu finanzieren, genauso wie ich von Anfang an die Leser schon an der Namensgebung des Magazins habe mitbestimmen lassen (das Ergebnis dieser Umfrage war übrigens „SHIFT“).
Was ich am meisten dabei (zu schätzen) gelernt habe, ist Folgendes: Crowdfunding ist für mich in erster Linie keine Finanzierungsform, sondern das Aufbauen von Beziehungen. In meinem Fall Beziehungen zu den Lesern. Es sind tolle Freundschaften und wertvolle Bekanntschaften daraus entstanden sowie eine Community, die mich mit Rat und Tat unterstützt.
- Dadurch, dass Medien lediglich über erfolgreiche Projekte berichten, entsteht ein gewisses Zerrbild. Bei einigen Crowdfunding-Plattformen werden gescheiterte Projekte auch nicht mehr auf der Webseite gelistet, sodass man sie auf Anhieb nicht findet. Aus Sicht der Plattform verständlich, aus Sicht von Interessenten gefährlich. Zumal ich behaupte: Gerade aus den gescheiterten Projekten kann man eine Menge lernen und Fehler vermeiden. ↵
Markus meint
Hallo Daniel,
sehr schön, dass du solch einen umfangreichen Beitrag geschrieben hast und so deine Erfahrungen mit der Community teilst.
Eine kleine Richtigstellung: In unserem FAQ haben wir ein Beitrag zum Thema Steuern festgehalten: https://www.startnext.com/hilfe/FAQ.html#q50
Viele Grüße
Markus
Projektbetreuung und Community-Management
Startnext
JUICEDaniel meint
Hallo Markus,
vielen Dank für deinen wertvollen Hinweis, den ich sofort im Artikel entsprechend ergänzt habe. Bitte entschuldige, dass ich das übersehen habe.
Und: tolles Monitoring betreibt ihr, Kompliment :)
Liebe Grüße
Daniel
PS: Mich würde mal interessieren, was ihr zu den beiden Optionen auf Seite 6 sagt. Vielleicht wäre eine der beiden Optionen ja umsetzbar?
Markus meint
Die Daten des Unterstützers ( (E-Mail, Adresse)) erhält der Projektstarter erst nach dem die Kampagne erfolgreich beendet ist. Die Daten sind auch relevant, nicht nur für die Lieferung, sondern auch für die Rechnung oder Spendenquittung (eine Spende ist ja im Grunde ein freier Betrag). Manchmal hat der Unterstützer auch einen freien Betrag ausgewählt, obwohl er ein Dankeschön haben möchte. Das führt dann zu Nachfragen seitens des Starters. Es gibt also ein paar Fälle, die es erschweren, dass der Unterstützer auch gegenüber dem Projektstarter anonym ist.
Viele Grüße
Markus
Projektbetreuung und Community-Management
Startnext
JUICEDaniel meint
Hier stimme ich dir nur so halb zu:
1. Den Namen des Unterstützers (reicht häufig völlig aus) sieht der Projektstarter bereits während der Kampagne/sofort. Und genau hier könnte man dem Projektstarter oder den Unterstützern die Option anbieten, dass der Projektstarter das (während der Kampagne) NICHT sehen soll. Was spräche dagegen?
2. „Manchmal hat der Unterstützer auch einen freien Betrag ausgewählt, obwohl er ein Dankeschön haben möchte.“ Das stimmt, zeigt jedoch, dass manche das wohl nicht so richtig verstanden haben. Also könnte man a) deutlicher darauf hinweisen, dass es sich hierbei um einen freien Betrag handelt, für den es KEINE Gegenleistungen gibt (würde auch den Projektstartern viel Arbeit ersparen, ein einfaches Häkchen auf der Unterstützungsseite reicht völlig) und b) gibt es nach wie vor sehr wohl Menschen, die das auch verstehen und gerne bewusst nicht nur frei, sondern auch anonym unterstützen würden. Und für diejenigen fehlt eine solche Möglichkeit.
Beide Punkte wären ja nur optional, also die bisherigen Möglichkeiten erweiternd, nicht ersetzend.
Markus meint
Hey Daniel,
ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich die Vorschläge per se ablehne. Die Umsetzung würde jedoch ein bisschen Gehirnschmalz benötigen, da alle Fälle zu bedenken sind, die eintreten können. Ich gebe die Vorschläge aber auf jeden Fall intern weiter.
Viele Grüße
Markus
Lothar meint
Lieber Daniel,
danke für diesen Einblick – hinter die Kulissen. Und keine Angst: Es kommt für mich überhaupt nicht rüber, das Crowdfunding nur doof ist. Ganz im Gegenteil: Du weißt die Herausforderungen, du hast sie selbst schon erfahren, du reflektierst sie – und trotzdem ziehst du das Projekt durch.
Für mich ist es genial, das Magazin in den Händen zu halten – und dich als Person dahinter zu kennen (womit wir wieder bei der Person im Rampenlicht wären).
Also: Nach dem Druck ist vor dem Druck – in diesem Sinne: Viel Kraft, Zeit zum Auftanken, Freunde, die dich aushalten, Menschen, die dir den Rücken stärken und Hilfe von oben.
SHIFT happens – das finde ich genial!
Lothar