No time for friends
„Hi, wie sieht’s aus – hast du am Wochenende Zeit?“, fragt mich ein Freund. „Leider nein“, antworte ich. „Zu viel zu tun.“ Den meisten Selbstständigen, Gründern, Freiberuflern und Berufseinsteigern dürfte diese Situation vertraut vorkommen. Aller Anfang ist bekanntlich schwer – und ganz besonders, wenn man etwas Neues auf die Beine stellen möchte; etwas erschaffen möchte, das vorher noch nicht existiert hat. Das erfordert viel Zeit, Kraft, Geduld und Durchhaltevermögen. Die Konsequenz davon ist leider auch, dass damit wenig bis gar keine Zeit für Freunde bleibt. Manche verstehen das, andere nicht. Unter dem Strich bedeutet es, dass man im Laufe der Zeit Freunde verlieren wird. Freundschaften sind wie Pflanzen: zerbrechlich. Ohne Wasser gehen sie ein. Das ist nichts Neues. Aber manchen ist nicht bewusst, welchen Preis sie dafür zahlen müssen, wenn sie viel Zeit in ihr (Herzens)Projekt stecken wollen.
Vielleicht fragst du dich jetzt, wie man das mit den Freunden in solch einer stressigen Zeit hinbekommen kann? Um ehrlich zu sein, kann ich dir darauf auch keine gute Antwort geben. Ich glaube nicht, dass es mir selbst gut gelungen ist – weshalb ich diesen Punkt so offen anspreche.
Ein paar Tipps habe ich allerdings schon:
- Man kann schon im Vorfeld kommunizieren, dass in Kürze eine (besonders) stressige Zeit beginnt und man daher um Nachsicht und Geduld bittet. (Eine gute und proaktive Kommunikation ist generell das A und O, um Verstimmungen und Missverständnisse zu vermeiden.)
- Man kann Rundmails an alle Freunde auf einmal schreiben, wobei das bei manchen auch nicht gut ankommt.
- Man kann einen Tag pro Woche fest im Terminkalender einplanen, an dem man E-Mails beantwortet und Telefonate und Skype-Termine wahrnimmt.
- Man kann sich wichtige Ereignisse und Geburtstage im Kalender notieren und eine (kurze) Gruß-E-Mail oder besser noch Postkarte abschicken. Besser kurz als gar nichts.
Aber selbst wenn man noch so gut im Voraus plant: Gewisse Defizite wird man nicht vermeiden können, denn auch für Gründer hat der Tag nur 24 Stunden. Deshalb habe ich für mich entschieden, dass egal wie viel Stress ich habe und wie viel ich noch machen müsste: Sonntags nehme ich mir frei. Bis auf wenige Ausnahmen ist mir das auch tatsächlich gelungen. Wenn man das im Vorfeld weiß, arbeitet man dafür an den Tagen davor produktiver und schaut sich das eine oder andere Katzenvideo weniger an.
„Einmal Freude bitte!“ „Sorry, Freude ist gerade aus!“
Was noch schneller als Freunde verloren gehen kann, ist Freude. Wenn eine unerwartete Hürde nach der anderen auftaucht, die es zu überwinden gilt, kann man schnell müde und frustriert werden. Und selbst wenn vieles klappt, bleibt stets noch mehr zu tun. Ein Bespiel: Als SHIFT am Bahnhofskiosk erschien und ich mir die erste Ausgabe kaufte, war die Freude darüber deutlich geringer als ich erwartet hatte.1 Ein Grund dafür dürften die vielen Aufgaben sein, die am selben Tag anstanden. Ich hatte mir einiges vorgenommen, aber bei Weitem nicht alles davon umsetzen können. „Better done than perfect“ ist hier ein hilfreiches Motto, um manchmal hinderlichem Perfektionismus vorzubeugen. Aber es ist trotzdem nicht immer einfach, mit den offenen To-dos umzugehen und die vielen E-Mails zu ignorieren, die ach so dringend beantwortet werden müssten. Eine pauschale Lösung, um sich trotzdem zu freuen, gibt es an Tagen, an denen das Glas halbleer ist, nicht. Freunde, die einen in dieser Phase aufmuntern, sind Gold wert – so man sie denn dann (noch) hat. (Damit das nicht falsch rüber kommt: Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich tatsächlich Freunde habe, die mich unterstützen und sehr sehr verständnisvoll sind. Das ist alles andere als selbstverständlich und ich weiß es sehr zu schätzen.)
- Um mal ein positives Gegenbeilspiel zu erwähnen, weise ich gerne auf einen besonders schönen Moment hin: Im Supporter-Newsletter habe ich exklusiv Bilder von mir beim Auspacken des ersten druckfrischen SHIFT-Exemplars veröffentlicht. Auch wenn ich zu diesem Zeitpunkt sehr erschöpft war: Meine Freude war riesig und für einen kurzen Moment war ich einfach nur glücklich und zufrieden. ↵
Markus meint
Hallo Daniel,
sehr schön, dass du solch einen umfangreichen Beitrag geschrieben hast und so deine Erfahrungen mit der Community teilst.
Eine kleine Richtigstellung: In unserem FAQ haben wir ein Beitrag zum Thema Steuern festgehalten: https://www.startnext.com/hilfe/FAQ.html#q50
Viele Grüße
Markus
Projektbetreuung und Community-Management
Startnext
JUICEDaniel meint
Hallo Markus,
vielen Dank für deinen wertvollen Hinweis, den ich sofort im Artikel entsprechend ergänzt habe. Bitte entschuldige, dass ich das übersehen habe.
Und: tolles Monitoring betreibt ihr, Kompliment :)
Liebe Grüße
Daniel
PS: Mich würde mal interessieren, was ihr zu den beiden Optionen auf Seite 6 sagt. Vielleicht wäre eine der beiden Optionen ja umsetzbar?
Markus meint
Die Daten des Unterstützers ( (E-Mail, Adresse)) erhält der Projektstarter erst nach dem die Kampagne erfolgreich beendet ist. Die Daten sind auch relevant, nicht nur für die Lieferung, sondern auch für die Rechnung oder Spendenquittung (eine Spende ist ja im Grunde ein freier Betrag). Manchmal hat der Unterstützer auch einen freien Betrag ausgewählt, obwohl er ein Dankeschön haben möchte. Das führt dann zu Nachfragen seitens des Starters. Es gibt also ein paar Fälle, die es erschweren, dass der Unterstützer auch gegenüber dem Projektstarter anonym ist.
Viele Grüße
Markus
Projektbetreuung und Community-Management
Startnext
JUICEDaniel meint
Hier stimme ich dir nur so halb zu:
1. Den Namen des Unterstützers (reicht häufig völlig aus) sieht der Projektstarter bereits während der Kampagne/sofort. Und genau hier könnte man dem Projektstarter oder den Unterstützern die Option anbieten, dass der Projektstarter das (während der Kampagne) NICHT sehen soll. Was spräche dagegen?
2. „Manchmal hat der Unterstützer auch einen freien Betrag ausgewählt, obwohl er ein Dankeschön haben möchte.“ Das stimmt, zeigt jedoch, dass manche das wohl nicht so richtig verstanden haben. Also könnte man a) deutlicher darauf hinweisen, dass es sich hierbei um einen freien Betrag handelt, für den es KEINE Gegenleistungen gibt (würde auch den Projektstartern viel Arbeit ersparen, ein einfaches Häkchen auf der Unterstützungsseite reicht völlig) und b) gibt es nach wie vor sehr wohl Menschen, die das auch verstehen und gerne bewusst nicht nur frei, sondern auch anonym unterstützen würden. Und für diejenigen fehlt eine solche Möglichkeit.
Beide Punkte wären ja nur optional, also die bisherigen Möglichkeiten erweiternd, nicht ersetzend.
Markus meint
Hey Daniel,
ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass ich die Vorschläge per se ablehne. Die Umsetzung würde jedoch ein bisschen Gehirnschmalz benötigen, da alle Fälle zu bedenken sind, die eintreten können. Ich gebe die Vorschläge aber auf jeden Fall intern weiter.
Viele Grüße
Markus
Lothar meint
Lieber Daniel,
danke für diesen Einblick – hinter die Kulissen. Und keine Angst: Es kommt für mich überhaupt nicht rüber, das Crowdfunding nur doof ist. Ganz im Gegenteil: Du weißt die Herausforderungen, du hast sie selbst schon erfahren, du reflektierst sie – und trotzdem ziehst du das Projekt durch.
Für mich ist es genial, das Magazin in den Händen zu halten – und dich als Person dahinter zu kennen (womit wir wieder bei der Person im Rampenlicht wären).
Also: Nach dem Druck ist vor dem Druck – in diesem Sinne: Viel Kraft, Zeit zum Auftanken, Freunde, die dich aushalten, Menschen, die dir den Rücken stärken und Hilfe von oben.
SHIFT happens – das finde ich genial!
Lothar