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Monopole und Google
Arten von Monopolen
Es gibt drei Hauptarten von Monopolen. Natürliche, rechtliche und vertragliche Monopole, die auf verschiedene Weisen entstehen.
- Ein natürliches Monopol bildet sich ohne staatliche Eingriffe, z. B. weil ein Unternehmen als einziges auf besondere Materialien zugreifen kann oder über spezielle Technologien verfügt. Dadurch entstehen Wettbewerbsvorteile, die zu Monopolstellungen führen können. Außerdem können natürliche Monopole durch Markteintrittsbarrieren entstehen, vor allem dann, wenn eine aufwändige Infrastruktur notwendig ist, wie es bei Eisenbahnnetzen oder der Versorgung mit Strom, Wasser oder Gas der Fall ist.
- Das rechtliche Monopol entsteht durch gesetzliche Bestimmung. Rechtliche Monopole findet man heute beim Staat und bei ehemaligen Staatsbetrieben, etwa beim Briefmonopol, doch sie werden seltener. Auch zeitlich begrenzte Patente zählen zu rechtlichen Monopolen, beispielsweise bei neuen Medikamenten.
- Vertragliche Monopole kommen durch Absprachen der Anbieter zustande, wenn ein bestimmter (Mindest-)Preis nicht unterschritten werden soll. So sind die Gewinne höher, als es im freien Wettbewerb der Fall wäre. Daher sind solche Absprachen (Kartelle) in den meisten Ländern nicht erlaubt.
Eine vierte Form von Monopolen stellt das Quasi-Monopol dar. Es ist kein echtes Monopol, da es in diesem Fall mehr als einen Anbieter gibt, kommt aber den Auswirkungen eines echten Monopols sehr nahe. Es entsteht, wenn ein Anbieter aufgrund eines sehr starken natürlichen Wettbewerbsvorteils gegenüber anderen Anbietern eine marktbeherrschende Stellung hat.
Quasi-Monopole gibt es besonders häufig in der IT-Branche. Eines der bekanntesten Beispiele für ein Quasi-Monopol ist Microsoft, das mit Microsoft Windows für PC-Betriebssysteme und mit Microsoft Office für Office-Suiten eine sehr starke Marktstellung innehat.
Auch Google hat ein Quasi-Monopol, allerdings auf einem anderen Gebiet – nämlich dem Suchmaschinenmarkt und zum Teil auch Dienstleistungsmarkt (hauptsächlich im Internet). Diese Monopolstellung ist angreifbar, weil man alle Dienste, die Google anbietet auch durch andere Anbieter ersetzen kann. Noch.
Um diese Vormachtstellung zu sichern, verfolgt das Unternehmen eine sehr aggressive Marktstrategie, in dem es viele potentielle Konkurrenten aufkauft oder eigene Produkte entwickelt. Durch die meist gute Qualität schafft es Google, eine größere Abhängigkeit von sich zu schaffen. Da die Dienstleistungen kostenlos angeboten werden, neigen die Benutzer viel eher dazu, diesen Service in Anspruch zu nehmen. Google Inc. versucht auf diese Weise, die Menschen mehr und mehr an ihre kostenlosen Dienste zu binden. Wirtschaftlich gesehen ein normales Verhalten eines jeden Unternehmens, das seine Existenz sichern möchte. Nur für die Endnutzer ist das gefährlich, weil sie sich, bzw. ihre persönlichen Daten, in die Hände eines einzigen Unternehmens geben. Vom „Aussterben“ anderer Anbieter und den damit verbundenen Wettbewerbsrückgang ganz zu schweigen.
Google Analytics: Bereits ein Monopol?
Wer nach kostenlosen Statistikprogrammen zur Analyse seiner Webseitenbesucher sucht, findet nur noch eine relativ kleine Auswahl an Dienstleistungen. Das war nicht immer so, doch mit Google Analytics hat sich die Situation schnell geändert. Die einzige nennenswerte Open Source-Alternative zu Google Analytics ist Piwik, Nachfolger von phpMyVisites.
Allgemeine Analysetools gibt es noch en masse, Peer Wandiger stellt auf seinem Blog einige davon vor.
Doch bei der Analyse der Besucher nutzten bereits vor zwei Jahren etwa 60 Prozent aller Webseiten Google Analytics zur Erhebung ihrer Statistiken. Die Seite Ontraxx.net gab sogar an, dass rund 80 Prozent der Top 300.000-Webseiten Google Analytics nutze1. Wer also Google aus dem Weg gehen möchte, darf im Prinzip kaum noch im Netz surfen bzw. sich nur noch auf wenigen Seiten aufhalten.
Somit ist es naheliegend, dass Google auch auf dem Markt für Webstatistiken ein Quasi-Monopol besitzt. Nun stellt sich die Frage nach dem „Warum“. Die Frage, warum so viele Benutzer Google Analytics benutzen, ist schnell beantwortet: Weil es kostenlos ist. Andere Anbieter mit vergleichbarem Service haben große Unternehmen früher viel Geld gekostet. Heute können sie sich dank Google das Geld sparen und bekommen zum Teil sogar noch bessere Auswertungen. Das zeigt: Google selbst ist auch an einer möglichst umfassenden, genauen und detaillierten Auswertung aller möglichen Nutzerdaten interessiert. Google Analytics bietet all diese Daten sogar in Echtzeit. Wenn man also die Wahl hat zwischen einem kostenlosen Anbieter mit exzellenter Qualität und einem weniger bekannten und zugleich kostenpflichtigen Anbieter hat – wer würde da nicht zur kostenlosen Version greifen? Selbst das kostenlose Statistiktool Piwik ist längst nicht so gut wie Google Analytics und kostet zudem zusätzliche Serverressourcen, da es selbst installiert werden „muss“. Dass dabei keine Daten an externe Anbieter weitergegeben werden, spielt für die wenigsten eine Rolle.
Kurzum: Auch hier bietet Google alle wichtigen Daten, die von Interesse sind, aus einer Hand an. Alternativen werden mit dieser Kostenlos-Strategie immer weniger. Eine kostenpflichtige Alternative, die es noch gibt, stammt von Etracker. Bekannte Kunden wie Otto, Jack Wolfskin oder die Deutsche Bahn schaffen da ein gewisses Vertrauen (wobei Deutsche Bank nach dem Datenskandal mit Vorsicht zu genießen ist, aber das ist ein anderes Thema).
Etracker überzeugt vor allem mit den offenen und klaren Angaben über den Datenschutz und die begründete Warnung vor kostenlosen Anbietern:
Vorsicht kostenlos! – Achtung: Sie zahlen mit Ihren Daten
Bei kostenlosen Systemen zahlen Sie mit wertvollem Gut: mit den Daten Ihrer Besucher. Sie ermöglichen dem Dienstanbieter detaillierte Einblicke in Ihr Geschäftsmodell und in die Effektivität Ihres Online-Marketings. Ihre Daten werden hierbei häufig nicht nur an Dritte veräußert, sondern dienen dem Analyse-Anbieter auch dazu, seinen Umsatz und seine Rendite zu optimieren (…).
Bei der Frage, was Etracker von kostenlosen Analytic-Tools unterscheide, antwortet das Unternehmen:
Während etracker als Anbieter kommerzieller Lösungen den Betrieb und die Weiterentwicklung seiner Software über die erhobenen Lizenzkosten finanziert, erfolgt die Finanzierung bei Anbietern kostenfreier Tools in der Regel über die Monetarisierung der erhobenen Daten. Diese Anbieter können ihr Tool nur deshalb lizenzkostenfrei anbieten, weil sie die sensiblen Kundendaten für eigene Zwecke weiterverwenden oder an Dritte veräußern.
Die „Veräußerung sensibler Kundendaten an Dritte“, wie Etracker es nennt, streitet Google selbst immer wieder vehement ab. Doch nachprüfen kann es keiner. Und selbst wenn Google die Wahrheit sagt, sind die Nutzerdaten immer noch eine „stille Kapitalreserve“, wie der Spiegel es treffend nannte.
Weitere nennenswerte Alternativen unabhängiger Statistiktools für den Onlinemarkt sind neben Etracker rar gesät. Viele der früheren Anbieter mussten sich dem Kostendruck Googles geschlagen geben und die Koffer packen.
Das Dilemma ist eigentlich offensichtlich: Jeder weiß doch insgeheim, dass man hetuzutage nichts geschenkt bekommt. Und doch verschließen wir unsere Augen davor und bezahlen mit unseren Daten. Die Vogelstraußvariante „Kopf in den Sand stecken und glauben: ‚Ich sehe die Gefahr nicht, also ist sie nicht da‘“ ist auch keine Lösung.
Es werden jedoch auch immer mehr Stimmen laut, die sich gegen den Einsatz von Google Analytics wenden. Datenschützer sehen die Gefahr, dass personenbezogene Daten aus verschiedenen Diensten durch Google Analytics zusammengeführt werden und man so genauere Profile der Nutzer erhält. Auch die Tatsache, dass die meisten Webseiten auf die Weitergabe der Daten an Google nicht hinweisen, birgt Risiken: So bezeichnet Dr. Sebastian Kraska die derzeitige Situation als „ein Verstoß gegen das Telemediengesetz (TMG)“. Nutzern von Google Analytics wird daher empfohlen, bis auf weiteres auf den Einsatz des Statistikprogramms zu verzichten. Rechtsanwalt Sebastian Wolff-Marting:
Da § 16 TMG für Verstöße gegen das Datenschutzrecht ein Bußgeld in Höhe von bis zu € 50.000,- vorsieht, ist es für Webseitenbetreiber an der Zeit, sich um die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des eigenen Trackingsystems, sofern ein solches verwendet wird, Gedanken zu machen.
Doch bislang ist noch nicht geklärt, ob IP-Nummern unter personenbezogenen Daten nach §13 TMG fallen oder nicht. Mit dieser Frage müssen sich Rechtsprechung und Datenschützer in den kommenden Wochen erst noch befassen. Bis dahin bleibt alles beim Alten. Leider.
- Auf Ontraxx.net kann man testen, welche Webseiten externe Dienstleister zur Analyse einsetzen, sprich Daten zwecks Besucherstatistik an andere Server wie von Google senden ↵
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