Dieser Artikel wurde zuerst auf Opera.com veröffentlicht und für JUICED leicht angepasst.
Nein, ich schreibe jetzt nicht über das neue Soziale Netzwerk Google+. Und ich schreibe auch nicht über die Bedenken der Datenschützer zu Facebook. Sondern ich schreibe über den Dritten im Bunde, Twitter.
Twitter, das ist ein großes Soziales Netzwerk mit vielen kleinen Inhalten. Maximal 140 Zeichen lang dürfen die Nachrichten sein – und das war’s dann auch schon. Quasi eine Art öffentliche SMS im Internet.
Man kann Links einfügen, die zu Artikel, Bilder oder Videos führen, seine Tweets mit Hashtags (Schlagworte) versehen, um in Listen und bei Suchanfragen aufzutauchen und man kann anderen eine Nachricht zukommen lassen, indem man das @-Zeichen vor den Benutzernamen (oder mehreren) des Empfängers setzt.
Auf JUICED kam ich vor über einem Jahr nach meinen ersten 40 Tagen bei Twitter auf folgende Definition:
Twitter ist „eine Art öffentlicher RSS-Feedreader mit integrierten Status-Nachrichten und Updates privater Kontakte in der Darstellungsform eines kompakten Newstickers.
Zielgruppe und Anwender sind Privatpersonen zwecks Vernetzung, Journalisten zwecks (Online-)Recherche und Unternehmen sowie Organisationen für deren Informationen, Nachrichten, Pressemitteilungen oder Werbung.“
So weit zur Einleitung für Unwissende. (Und ja, früher habe ich auch gedacht, „Gezwitscher“ sei vollkommen unnütze und „zwitschern“ reine Zeitverschwendung.)
Heute habe ich bei Twitter mit meinem Account JUICEDaniel bereits 2.503 Kurznachrichten (Tweets) hinterlassen. Ich „folge“ 278 Accounts und 294 Accounts folgen mir. Das ist ein durchschnittlicher Wert, nichts Besonderes. Aber darum geht es auch nicht. Wenn man zu vielen Leuten folgt, wird die Timeline – ähnlich wie bei Facebooks News Feed – zu unübersichtlich.
Anders als bei Facebook geht es bei Twitter jedoch weniger um private Inhalte – dafür reichen 140 Zeichen meist wirklich nicht aus –, sondern vielmehr um berufliche und mediale Inhalte. Wer also wissen möchte, was es Neues in der Welt gibt, ist auf Twitter in der Regel schneller informiert als auf den Nachrichtenseiten. Der Grund liegt auf der Hand: 140 Zeichen schreiben sich schneller als ein ganzer Artikel. Die Nachrichtenseiten tweeten somit häufig schon vorab, was passiert, und liefern eine viertel Stunde später den Link zum Artikel auf ihrer Webseite nach.
Und mal ehrlich: Wer von uns macht sich die Mühe, Spiegel Online, Zeit Online und Sueddeutsche.de täglich mehrmals abzuklappern? Dann doch lieber alles auf einen Blick auf Twitter. Twitter ist wie ein reißender Informationsfluss, in den man jederzeit eintauchen kann, den man aber auch problemlos jederzeit wieder verlassen kann (ohne Nass zu werden ;-) ). Wer gerade Zeit hat und möglichst schnell einen Überblick über die aktuelle Nachrichten- oder Themenlage bekommen möchte, findet auf Twitter die perfekte Plattform dazu.
Leider nutzen wir Deutsche Twitter nur sehr wenig. Als ich in Indonesien war, war ich über die Verbreitung von Twitter in diesem südostasiatischen Land überrascht: In den größeren Städten nutzen etliche junge Leute Twitter in dem Maße, wie wir hier SMS schreiben (und noch mehr). Meist über ihre Smartphones.
Das ist eben auch die Stärke von Twitter: Es ist einfach, überschaubar, unkompliziert. Man muss nicht ständig neue Häkchen setzen, um seine Privatsphäre zu sichern und man muss auch nicht ständig neuen Inhalt veröffentlichen, um viele Likes zu kassieren. Man muss nicht darauf warten und hoffen, dass jemand die Freundschaftsanfrage annimmt (oder einfach ignoriert), man braucht sich keine Gedanken um peinliche verlinkte Fotos von sich zu machen.
Manche sagen, Twitter ist der große Verlierer von Google+ und nicht etwa Facebook. Ich sehe das anders: So lange die 140 Zeichen-Grenze weiterhin bestehen bleibt – so sinnlos diese künstliche Begrenzung auf den ersten Blick auch erscheint –, so lange wird Twitter auch weiterhin bestehen und benutzt werden.
Die Leute klagen heute schon zunehmend über Informationsüberflutung, Burn-out und Depressionen nehmen zu – auch bei jungen Leuten. Ich bin der Meinung, dass Twitter daher trotz der immens vielen Tweets fast schon ein Ort der Ruhe im Gegensatz zu Facebook und Google+ ist. Denn man kann sich selbst einteilen, wie groß und schnell sein eigener „Fluss“ fließt. Und das kinderleicht. Die Beschränkung ist daher ein großer Segen, die größte Stärke von Twitter.
In den letzten Wochen habe ich zahlreiche Blogartikel namhafter Tech-Blogger gelesen, die sich allesamt beklagen, ihre Inhalte nun auf drei Plattformen (Facebook, Twitter und Google+) veröffentlichen zu müssen und somit kaum noch hinterher zu kommen. Oder sie beklagen sich darüber, jetzt auf drei Plattformen die neuesten Trends und aktuellsten Nachrichten verfolgen zu müssen.
Ich selbst habe mich schon vor langer Zeit von Facebook abgemeldet und kann euch heute sagen: Ich habe Facebook keine Sekunde lang vermisst. Im Gegenteil: Ich war froh, das alles nicht mehr lesen und liken zu „müssen“. Und ich hatte kein einziges Mal das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Mein Fazit zu Facebook: Nein, Facebook ist nicht unser Schicksal.
Zu guter Letzt noch einen Hinweis für alle Mitarbeiter und Nutzer von Organisationen und Unternehmen: Man kann deutlich mehr Leute via Twitter erreichen, wenn man damit beginnt, Twitter (richtig) zu nutzen. Etwa wenn man Tweets über das Unternehmen oder die Organisation mit Hashtags (z.B. #juiced) versieht, wenn man anderen Nutzern folgt oder ihnen gar eine Nachricht (@Username) zukommen lässt.
Was Unternehmen und Organisationen bei der Nutzung von Twitter beachten sollten:
- Ausreichend Twitteraccounts folgen* – aber nicht gleich jedem. Es ist immer eine nette Geste, guten Accounts zurückzufolgen. (Achtung, es gibt auch zahlreiche „5000-5000-Accounts“.)
- Die Beschreibung sollte ausreichend lang sein und aus mehr als zwei Wörtern bestehen. Hier könnte man etwa aktuelle Artikel der eigenen Webseite verlinken oder auf andere verwandte Twitteraccounts hinweisen.
- Täglich mindestens ein Mal tweeten* – auch regelmäßig den Hashtag des Unternehmens/der Organisation integrieren. (Eine Woche lang keine Tweets ist verschenktes Potential. 140 Zeichen sind nun wirklich nicht viel Aufwand.)
- Es ist ganz wichtig, den Leuten schnell und hilfreich zu antworten. Also sollte man regelmäßig seine eigenen @Erwähnungen nach neuen Erwähnungen überprüfen.
- Auf Twitter.com empfiehlt es sich, regelmäßig nach dem eigenen Unternehmen/der eigenen Organisation zu suchen (via Suche und Hashtag), um zu schauen, was Andere im Netz darüber schreiben. Ist es positiv, freuen sich die Leute über ein Retweet. Auch positive @Erwähungen kann man retweeten – das ist eine Art „Danke schön“ und gleichzeitig Eigenwerbung, ergo eine Win-win-Situation. Gibt es negative Kritik, kann man vielleicht weiterhelfen, Schaden (frühzeitig) begrenzen, Vorurteile entkräften oder Links zur Lösung des Problems senden.
*Achtung: Es gibt kein allgemein gültiges Patentrezept. Daher ist ebenfalls zu beachten:
- Die 140 Zeichen sind zwar schnell voll, sollten aber wohlüberlegt sein – inhaltlich sowie von der Länge. Wer etwa Retweets vereinfachen möchte, sollte mindestens 20 Zeichen übrig lassen.
- Manchmal sind zu viele Tweets auch kontraproduktiv. Man muss immer überlegen, was Sinn und Zweck des Accounts sein soll und ob es dafür notwendig ist, zu Tweeten bzw. Sinn ergibt oder eben nicht.
- Einem Twitteraccount ist zwar schnell gefolgt – doch auch das sagt etwas über das Image aus. Daher ist es in manchen Situationen durchaus sinnvoll, nur sehr wenigen Accounts zu folgen.
- Jedes Twitterprofil sollte möglichst individuell sein, genauso wie die Art der Inhalte und der Stil der 140 Zeichen. Und trotzdem sollten gewisse Standards eingehalten werden, die sich bewährt haben.
Rüdiger Schmelzing meint
Hallo,
Interessant geschrieben, nicht übertrieben und Hilfreich, Klasse.
mfg Rüdiger
JUICEDaniel meint
Hallo Rüdiger,
vielen Dank, deine Rückmeldung freut mich sehr. Wie bist du denn auf den Artikel gestoßen?
LG Daniel
PS: Das könnte dich auch interessieren: Hier habe ich noch einen zweiten Artikel verfasst, der zeigt, was für Inhalte ich auf Twitter verbreite/verlinke: https://juiced.de/lesenswert-ein-tag-mit-juicedaniel-auf-twitter/7783/
noch ein Markus meint
hi Daniel
ich habe Twitter bisher eigentlich als Mitteilungsdienst, aber noch nie als soziales Netzwerk angesehen.
wobei sich mir gerade die Frage stellt: was ist / wie definiert man ein soziales Netzwerk?
JUICEDaniel meint
Erst einmal eine Rückfrage: Als Mitteilungsdienst zwischen wem und worüber? (Welche Art Mitteilungen?)
Zu deiner Frage: Für mich ist ein Netzwerk ein Zusammenschluss mehrerer Teilnehmer (in dem Fall „Menschen“). Und sozial bedeutet für mich, dass es 1. Menschen (und keine Maschinen) sind und 2. diese in „friedlicher Absicht“ zusammenkommen (um sich auszutauschen, einander zu helfen und miteinander zu kommunizieren).
Das ist sicher keine allgemeingültige Definition (sofern es diese überhaupt gibt, was ich stark bezweifle). Bei Wikipedia steht da:
Hilft dir das weiter?
noch ein Markus meint
ja, das hilft in der Tat.
weil dann das alte Juiced Forum ja auch schon ein Social-Media-Ding war und ich so sagen kann an so etwas hab ich auch schon teilgenommen bevor überhaupt irgendjemand Facebook & Co kannte…
:)
JUICEDaniel meint
Was ich bei den Bullet Points per Kommentar noch ergänzen will:
Warum sich das Rückverfolgen anderer Nutzer lohnt:
Zum einen ist das Rückfolgen wie bereits erwähnt eine Art „Danke schön“, zum anderen zeigt es, dass man mit dem Account aktiv teilnimmt und ihn nicht nur zwecks Werbung oder Imagegründen aufgesetzt hat. Soziale Netzwerke leben vom Dialog und nicht von der einseitigen Informationsvermittlung von A nach B. Man kann übrigens auch ganz strategisch Nutzern folgen, die Interesse haben könnten, um auf diese Weise auf sich Aufmerksam zu machen.
Markus Jakobs meint
schöne Beschreibung!
DM meint
Twitter ist besser als Facebook, setzt aber Verständnis für das Funktionieren des Webs voraus. Facebook hingegen ist nur eine ins Web transportierte Nicht-Web-Anwendung und deswegen bei Digital Non-Natives so erfolgreich.
JUICEDaniel meint
Interessanter Aspekt mit „Digital Non-Natives“. So habe ich das bisher noch gar nicht gesehen. Danke!