Joachim Löw hat sich festgelegt: Schmelzer, Mustafi und Volland bleiben zuhause, der 23-köpfige WM-Kader steht. Wir von JUICED haben daraufhin ein waghalsiges Experiment gestartet und allen Spielern ein Pendant aus der Weltmeistermannschaft von 1990 gegenübergestellt. Und siehe da: Es gibt Übereinstimmungen en masse. Somit konnten wir natürlich nur zu einem Schluss kommen: Weltmeister wird – tadaaa – Deutschland!
von Manuel und Tobias
Wie muss eine Mannschaft zusammengestellt sein, die den WM-Titel erringen kann? Alle vier Jahre fragen sich das 32 Trainer und nur einer von ihnen hat am Ende alles richtig gemacht. Das zeigt, welch fragiles Gebilde so ein WM-Kader ist. Jede Entscheidung für oder gegen einen Spieler kann auf einen Schlag sämtliche Titelträume torpedieren. Nicht nur für den Nationaltrainer, sondern auch für Hobby-Statistiker ist es dabei äußerst ratsam (und für Letztere auch unterhaltsam) die Beschlagenheit eines vergangenen Weltmeisterkaders einmal genauer unter die Lupe zu nehmen – und ihn mit dem aktuellen zu vergleichen.
Im Rahmen der Dossiers zur WM 1990 und zur WM 2014 (geplant) haben wir daher genau das getan. Manuel und Tobias haben bei den deutschen Kadern vor diesen beiden großen Turnieren solch auffällige Gemeinsamkeiten festgestellt, dass sie daraus nur eine Schlussfolgerung ziehen konnten: Deutschland wird 2014 Weltmeister!
Ihr glaubt uns nicht? Dann schaut euch folgende Spielerpaare mal genauer an:
Tor
Bodo Illgner (23 Jahre, 15 Länderspiele, 0 Tore) und Manuel Neuer (28 Jahre, 45 Länderspiele, 0 Tore):
Obwohl Illgner 1990 mit 23 Jahren der mit Abstand jüngste aller Stammspieler und Neuer mit seinen 28 Jahren eher zu den Oldies in Löws junger Rasselbande gehört, sind beide die unumstrittene Nummer eins. Und beide sind bei Weltmeisterschaften ein sicherer Rückhalt. In zwölf WM-Spielen kassierte Illgner nur sieben Tore. Neuer musste bei seinen sechs WM-Einsätzen gar erst drei Mal hinter sich greifen. An Neuer wird in Brasilien – wie 1990 an Illgner – kein Weg vorbei führen. Verhindern könnte das nur die verletzte Schulter.
Andreas Köpke (28 Jahre, 1 Länderspiel, 0 Tore) und Roman Weidenfeller (33 Jahre, 2 Länderspiele, 0 Tore):
Zwei Torhüter-Routiniers mit großer Bundesliga-Erfahrung, die vor der WM eine relativ erfolgreiche Saison spielten. Köpke verhalf dem 1. FC Nürnberg damals nach dem 14. Platz im Vorjahr zu Rang 8, Weidenfeller zeigte vor allem in der Champions League „grandiose“ Leistungen. Interessant: Beide sind exakt fünf Jahre älter als die Stammtorwarte Illgner bzw. Neuer. Gut möglich, dass der Torwarttyp „erfahrener Ersatzmann“ auch 2014 wieder zum Erfolgsgeheimnis wird. Köpke jedenfalls ist als Torwarttrainer ebenfalls in Brasilien dabei und kann Weidenfeller auch für diese Rolle sicher den einen oder anderen Tipp geben.
Raimond Aumann (27 Jahre, 3 Länderspiele, 0 Tore) und Ron Robert Zieler (25 Jahre, 3 Länderspiele, 0 Tore):
Beide sind zum WM-Start in einem Alter, in dem ihre besten Torwartjahre noch vor ihnen liegen und haben jeweils immerhin schon drei Länderspiele auf dem Buckel. Aumann wurde zwar nach der WM zwar kein Nationaltorhüter mehr, aber heimste mit dem FC Bayern noch ein paar Titel ein. Das lässt auch Zieler hoffen. Und ein Weltmeistertitel als Ersatztorwart hat bisher noch keiner Karriere geschadet.
Abwehr
Klaus Augenthaler (32 Jahre, 20 Spiele, 0 Tore) und Per Mertesacker (29 Jahre, 97 Länderspiele, 4 Tore):
Die beiden Abwehrchefs und zugleich die Dienst-Ältesten in der Innenverteidigung. Beckenbauer sah in seinem Libero Augenthaler einen Schlüsselspieler, auch Löw will nicht auf den England-Legionär Mertesacker verzichten. Beide sind extrem zweikampfstark, der Stürmer zieht im direkten Duell fast immer den Kürzeren. “Auge” dirigierte das Spiel aus der letzten Reihe, “Merte” gibt den Ball nach der Eroberung lieber an Hummels oder Boateng weiter und überlässt ihnen den Spielaufbau.
Andreas Brehme (29 Jahre, 51 Spiele, 7 Tore) und Philipp Lahm (30 Jahre, 105 Länderspiele, 5 Tore):
Obwohl sie in der Defensive ihren Stammplatz haben, sind Lahm und Brehme Männer für die wichtigen Tore. Brehme knackte im Finale der WM 1990 in der 85. Minute als Einziger den argentinischen Torwart Sergio Goycochea, Lahm schoss Deutschland im Eröffnungsspiel der WM 2006 in Führung. 2008 erzielte er den Siegtreffer beim engen 3:2-Sieg gegen die Türkei. Bei der EM 2012 leitete er mit einem hart erkämpften 1:0 den 4:2-Sieg gegen Griechenland ein. Beide treten mit einer Führungskraft auf, die für einen Außenverteidiger ungewöhnlich ist. Bei ihren Sprints entlang der Außenlinie sind Brehme und Lahm kaum aufzuhalten, ebenso ihre Flanken, die fast immer einen Abnehmer finden.
Guido Buchwald (29 Jahre, 32 Spiele, 0 Tore) und Jérôme Boateng (25 Jahre, 38 Länderspiele, 0 Tore):
Nicht gerade ein torgefährliches Duo. Dafür bestechen Buchwald und Boateng mit bissigem Zweikampfverhalten. 2013 ließ Boateng im Halbfinale der Champions League Barcelonas Superstürmer Lionel Messi erstaunlich blass wirken. Buchwald nahm im Finale der WM 1990 ebenfalls ein argentinisches Wunderkind gnadenlos auseinander: Kapitän Diego Maradona hatte keine einzige gute Szene, weil Buchwald an seinen Fersen klebte. Aggressiv, aber fair: Buchwald sah nicht einmal gelb. Davon kann sich Hitzkopf Boateng, der ab und an für einen Platzverweis gut ist, noch eine Scheibe abschneiden.
Thomas Berthold (25 Jahre, 25 Spiele, 1 Tor) und Mats Hummels (25 Jahre, 29 Länderspiele, 2 Tore):
Die beiden 25-Jährigen haben in jungen Jahren schon viel erreicht. Berthold schaffte bereits früh den Sprung in die italienische Serie A, spielte zur Zeit der WM 1990 mit Rudi Völler beim AS Rom. Während des Turniers erwies er sich aufgrund seiner Vielseitigkeit als besonders wertvoll, kam sowohl in der Innenverteidigung, als auch in der Außenverteidigung und im Mittelfeld zum Einsatz. Dortmunds Abwehrchef Hummels hatte großen Anteil an den Meisterschaften 2011 und 2012, ist ein bärenstarker Zweikämpfer und nahezu unschlagbar im Luftduell. Beide verbindet der ungeheure Einsatzwille, der Wille bis zur letzten Minute.
Jürgen Kohler (24 Jahre, 27 Spiele, 0 Tore) und Matthias Ginter (20 Jahre, 2 Spiele, 0 Tore):
Kohler spielte stolze sieben Jahre in Dortmund, auch für Ginter ist Vereinstreue kein Fremdwort. 2005 wechselte er zum SC Freiburg, wo er bis heute unter Vertrag steht. Beide sind bescheidene Musterprofis, man hört wenig von ihnen, sie lassen lieber auf dem Platz Taten für sich sprechen. Kohler gehörte bei den Weltmeisterschaften 1990 und 1994 zum Stammpersonal, führte die deutsche Elf bei der EM 1996 sogar als Kapitän aufs Feld. Für Ginter, der kurz vor einem Wechsel zu Kohlers langjährigem Klub Borussia Dortmund steht, ist es ebenfalls die erste WM. Seine große Stärke ist die Tatsache, dass er – mal abgesehen vom Torwart – in der Defensive sämtliche Positionen belegen kann, weshalb Ginter auf den ein oder anderen Einsatz hoffen darf.
Stefan Reuter (23 Jahre, 16 Länderspiele, 1 Tor) und Benedikt Höwedes (26 Jahre, 20 Länderspiele, 1 Tor):
Zwei Spieler, die aus ihren Vereinsmannschaften Bayern und Schalke nicht wegzudenken und in der Defensive vielseitig einsetzbar sind. Wenn sie gebraucht werden, sind sie da. Reuter hat das vor allem im WM-Finale 1990 bewiesen. Nachdem er im Laufe des Turniers seinen Stammplatz verloren hatte, wurde er in der entscheidenden Phase des Spiels beim Stand von 0:0 für den verletzten Thomas Berthold eingewechselt und fügte sich ein, als sei er nie weggewesen. Auch der kopfballstarke und torgefährliche Höwedes ist in der Lage, der Mannschaft in einer derartigen Spielsituation zu mehr Stabilität zu verhelfen.
Hansi Pflügler (30 Jahre, 10 Länderspiele, 0 Tore) und Kevin Großkreutz (25 Jahre, 4 Länderspiele, 0 Tore):
Ein Bayer und ein Westfale. Vereinstreu bis zum letzten Korn, wenn man einmal von Pflüglers Ausflug zum SE Freising und Großkreutz’ unfreiwilliger Exil-Zeit in Ahlen absieht. Pflügler spielte sogar später noch lange für die Bayern-Amateure, was auch im Karriere-Plan seines Dortmunder Pendants dick und fett unterstrichen sein dürfte. Vor der WM gehört Großkreutz wie Pflügler damals in die Kategorie „Wundertüte“. Alles kann, nichts muss. Pflügler kam letztendlich 1990 über die Statistenrolle nicht hinaus, stand aber immerhin beim 1:1 gegen Kolumbien auf dem Platz. Großkreutz’ Einsatzchancen sind da sicherlich besser, trotz seines Berliner Freipinkel-Skandälchens. Seine Vielseitigkeit und sein Kämpferherz sprechen für ihn. Und Pinkelmöglichkeiten hat er in der brasilianischen Natur rund um das deutsche WM-Quartier sicherlich genug.
Paul Steiner (33 Jahre, 1 Länderspiel 0 Tore) und Erik Durm (22 Jahre, 1 Länderspiel, 0 Tore)
„Nein, die spielen immer mittwochs, da habe ich keine Zeit.“, antwortete der Kölner Defensiv-Spieler Paul Steiner einmal auf die Frage, ob er auch ein Thema für die Nationalmannschaft sei. Als er dann im gehobenen Fußballalter von 33 Jahren tatsächlich für die WM 1990 nominiert wurde, wird er ähnlich aus den Wolken gefallen sein wie kürzlich Erik Durm. Auch er ist ein Mann der Extreme: Vor rund einem Jahr spielte er noch für die BVB-Reserve in der dritten Liga, jetzt fährt er als Nationalspieler nach Brasilien und hat nach einer starken Saison bei Löw beste Karten auf einen Stammplatz auf der linken Abwehrseite. Kollege Steiner, der aus heutiger Sicht sicherlich unbekannteste Spieler von 1990, kann sich übrigens die Spiele von Durm und Co. in Brasilen ohne Terminstress anschauen: Keines der deutschen Vorrundenspiele findet an einem Mittwoch statt.
Mittelfeld
Thomas Häßler (24 Jahre, 12 Länderspiele, 1 Tor) und Mesut Özil (25 Jahre, 54 Länderspiele, 17 Tore):
Klein, schnell, wendig – der moderne Fußball ist von solchen Spielertypen geprägt. Auch bei Joachim Löw stehen sie hoch im Kurs. Mesut Özil hat deshalb auch in Brasilien seinen Platz auf der Spielmacherposition sicher. Dass er diese Rolle gut ausfüllen kann, zeigten auch seine drei Vorlagen bei der WM 2010 und sein wichtiges Tor im Spiel gegen Ghana (1:0). Auch die Weltmeistermannschaft von 1990 hatte einen Özil: Thomas “Icke” Häßler wirbelte so manche gegnerische Defensive durcheinander. Und bewies Kämpferqualitäten: Nach der Vorrunde aus der Stammformation gefallen, rückte er im Halbfinale nur aufgrund von Uwe Beins Verletzung wieder ins Team. Dort spielte er so gut, dass Beckenbauer ihn auch im Finale dem wiedergenesenen Bein vorzog.
Olaf Thon (24 Jahre, 33 Länderspiele, 3 Tore) und Toni Kroos (24 Jahre, 43 Länderspiele, 5 Tore):
Thon und Kroos haben mit ihren 24 Jahren schon eine gehörige Portion Länderspielerfahrung gesammelt. So durfte Thon als 20-Jähriger bei der WM 1986 in Mexiko dabei sein, Kroos erlebte 2010 in Südafrika seine WM-Premiere. Unvergessen bleibt dabei seine Großchance im Halbfinale gegen Spanien. Hätte er den Ball damals versenkt, wäre sein Standing in der DFB-Elf heute vielleicht ein anderes. Denn auch das hat er mit Thon gemein: In der Mannschaft des FC Bayern jeweils Schlüsselspieler, hochveranlagt – und trotzdem beim DFB nicht absolute Stammkraft. Thon kam 1990 nur zu zwei Turnier-Einsätzen, im Elfer-Krimi gegen England jedoch schoss „der kleine Mann“ (O-Ton Kommentator Dieter Kürten) Deutschland als letzter Schütze ins Finale. Eine Verantwortung, der mittlerweile auch Toni Kroos – anders als im Champions League-Finale 2012 – nicht aus dem Weg gehen würde.
Uwe Bein (29 Jahre, 6 Spiele, 1 Tor) und Mario Götze (22 Jahre, 28 Länderspiele, 7 Tore):
“Der Mann mit dem tödlichen Pass” – diesen Spitznamen hat Uwe Bein für sich gepachtet. Mario Götze könnte ihn Bein schon bald abluchsen. Auch er ist bekannt für die eine geniale Aktion, die eine eisenharte Abwehr knackt und ein Spiel entscheidet. Ein Pass in die Schnittstelle oder ein Tor aus dem Strafraum-Gewimmel, aus die Maus. Bei seiner ersten WM darf man von Götze so manchen Scorerpunkt erwarten. Doch – Bein ging es ähnlich – ist der flinke Dribbler beim Bundestrainer nicht gesetzt. Schuld ist das Überangebot an Spielern im Mittelfeld. Bein wurde die große Konkurrent 1990 zum Verhängnis, das Finale musste er von der Ersatzbank ansehen. Ob Götze dank Müller, Reus, Özil, Schürrle, Podolski, Draxler und Co. das selbe Schicksal ereilt? In einigen Wochen sind wir da schlauer. Nur eine Sache wird noch ein paar Jahre dauern: Bis einen Schnauzer präsentieren kann, der ebenso imposant ist, wie der, den Uwe Bein 1990 spazieren trug.
Pierre Littbarski (30 Jahre, 67 Länderspiele, 17 Tore) und Lukas Podolski (29 Jahre, 113 Länderspiele, 46 Tore):
„Litti“ und „Poldi“ sind zwei echte kölsche Frohnaturen: Ein Foto von Podolski ohne „Daumen hoch“ könnte man – Londoner Auktionshäuser aufgepasst – als seltenes Kulturgut versteigern und der „Trashtalk“, mit dem Littbarski nicht nur Gegenspieler, sondern auch Teamkollegen irritierte, ist legendär. Ihren geliebten „FC“ zu verlassen, gelang beiden im ersten Anlauf nicht. So kehrte Littbarski 1987 nach nur einem Jahr von seinem Gastspiel in Paris zurück an den Rhein, Podolski 2009 nach drei schwierigen Jahren bei Bayern München. Erst in Japan bezwiehungsweise England schafften die zwei den Durchbruch jenseits von Hennes und Dom. Wie Littbarski damals, steht auch Podolski jetzt vor seiner dritten WM. Dabei ist seine Nationalmannschaftskarriere etwas ins Stocken geraten. In der Offensive scheint angesichts der jungen Konkurrenz kein Platz mehr für ihn und es droht die Rolle des Edeljokers. Eine Erfahrung, die auch Littbarski 1990 machen musste, der in den ersten drei Spielen jeweils nur eingewechselt wurde. Im Finale stand er jedoch auch aufgrund seiner Erfahrung von Anfang an auf dem Platz. Der Rest ist Geschichte. Das dürfte Poldi für Brasilien Mut machen – Daumen hoch!
Lothar Matthäus (29 Jahre, 74 Spiele 10 Tore) und Bastian Schweinsteiger (29 Jahre, 101 Spiele, 23 Tore):
Ende 20 ist das beste Fußball-Alter. Das könnte man zumindest annehmen, wenn man einen Blick auf die Leitwölfe der 1990er-Mannschaft wirft. Allen voran natürlich Lothar Matthäus, der Weltfußballer, der seine Mannschaft unaufhörlich vorantrieb, die Mitspieler in Aktion setzte und die die Tore auch mal selbst schoss, wenn es nicht lief (zum Beispiel im Auftaktspiel gegen Jugoslawien). Bastian Schweinsteiger, der wie damals Lothar Matthäus eine gefühlte Ewigkeit bei Bayern München unter Vertrag steht, hat in den vergangenen Jahren eine große Veränderung durchlebt: Aus dem quirligen Jungspund, der 2006 mit seinem Kumpel Poldi Deutschland in Verzückung versetzte, ist ein seriöser Profikicker geworden, der allerdings die Unbeschwertheit von damals ein wenig vermissen lässt. Trotzdem ist “Schweini” der Leader im deutschen Mittelfeld, so wie einst Lothar Matthäus. Schweinsteiger ist ein begnadeter Passgeber und in jüngster Zeit hat er sogar das Toreschießen per Kopf für sich entdeckt. Die WM ist möglicherweise seine letzte Chance, entscheidend am ganz großen Titelgewinn mitzuwirken.
Andy Möller (22 Jahre, 10 Spiele, 3 Tore) und Thomas Müller (24 Jahre, 48 Länderspiele, 17 Tore):
Andy Möller – der große Star der WM 1990!, spekulierten kurz vor der Weltmeisterschaft die deutschen Medien. Möller hätte sicher nichts dagegen gehabt. Nach einer famosen Saison bei Eintracht Frankfurt, in der er zehn Tore schoss und zusammen mit Uwe Bein die gegnerischen Abwehrspieler zum Verzweifeln brachte, hätte der schnelle Dribbler womöglich das Potential dazu gehabt. Doch Teamchef Franz Beckenbauer sah das anders und wechselte Möller lediglich zwei Mal ein. Das wird seinem Fast-Namensvetter Müller nicht passieren. Bei der WM 2010 übernahm er das Toreschießen für Deutschland fast alleine, war mit seinen 21 Jahren kaum zu bremsen und ist bis heute einer der gefährlichsten deutschen Offensivspieler. Da Miroslav Kloses Körper in der brasilianischen Hitze vermutlich keine sieben Spiele am Stück durchhalten wird, kann sich der kopfballstarke Müller sogar Chancen auf einen Platz im Sturm ausrechnen – und mit einigen weiteren Toren rechnen.
Angriff
Karl-Heinz Riedle (24 Jahre, 6 Spiele, 2 Tore) und Marco Reus (25 Jahre, 20 Länderspiele, 7 Tore):
Eigentlich war Riedle ja ein Klasse-Stürmer. Das zeigen die Stationen seiner Karriere: Werder Bremen, Lazio Rom, Borussia Dortmund, FC Liverpool. Doch der 24-Jährige hatte das Pech, ausgerechnet im Weltmeisterjahr die Granaten Rudi Völler und Jürgen Klinsmann vor sich zu haben, die wie am Fließband knipsten. Sie machten ihn zum Edel-Reservisten – eine Rolle, die Marco Reus von der EM 2012 kennt. In Brasilien wird er aber aller Voraussicht nach nicht auf der Bank Platz nehmen müssen. Er kann mit gutem Recht von sich behaupten, aktuell der beste deutsche Offensiv-Spieler zu sein. Reus hat eine großartige Saison mit Borussia Dortmund gespielt und steht längst auf dem Einkaufszettel der ganz großen Klubs. Ein Sieg bei der WM wäre die Krönung seiner steilen Karriere. Die Bundesliga-Spieler wählten ihn kürzlich mit großem Vorsprung zum Besten der aktuellen Saison. Bislang vertraute Joachim Löw den linken Flügel jedoch stets Lukas Podolski an. Wird Reus also doch der neue Kalle Riedle? Kaum vorstellbar.
Günter Hermann (29 Jahre, 2 Länderspiele, 0 Tore) und Christoph Kramer (23 Jahre, 2 Länderspiele, 0 Tore):
Christoph Kramer schreibt Tagebuch. Genauer gesagt „Spieltagebuch“. Dort notiert er seit seiner Jugendzeit akribisch alle Spiele, in denen er auf dem Platz stand. Für die WM 2014 sollte er eine Ausnahme machen und auch die Spiele niederschreiben, in denen er auf der Bank saß. Und am besten auch alle Trainingsspiele, Tischtennispartien und Kartenrunden, die während der WM gezockt werden. Denn, um es mit Günter Hermanns Worten auszudrücken, seinerzeit einer von drei deutschen Feldspielern, die ohne eine einzige Minute Einsatzzeit Weltmeister wurden: „Wenn man mich nicht gebraucht hätte, wäre ich gar nicht mitgefahren.“ Und welches Nationalteam kann in Zeiten, in denen Fußballprofis auf der Playstation ihr virtuelles Alter Ego steuern und multiple Socialmedia-Accounts einhändig verwalten, schon behaupten, einen persönlichen Schriftführer dabeizuhaben.
Jürgen Klinsmann (25 Jahre, 18 Länderspiele, 4 Tore) und André Schürrle (23 Jahre, 32 Länderspiele, 12 Tore):
Die beiden Blondschöpfe haben in ihrer noch jungen Karriere schon einiges erlebt. In ihren deutschen Vereinsmannschaften, dem VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen, waren sie in den letzten Jahren die herausragenden Persönlichkeiten. So herausragend, dass Top-Klubs im Ausland auf sie aufmerksam wurden. Klinsmann wechselte 1989 zu Inter Mailand, Schürrle 2013 zum FC Chelsea. Jeweils ein Jahr vor der Weltmeisterschaft. Beide setzten sich auf Anhieb durch. Das Selbstvertrauen, das Klinsmann 1990 zu drei Turniertoren und einer herausragenden Leistung im Achtelfinale gegen Holland verhalf, wird 2014 auch André Schürrle auszeichnen.
Rudi Völler (30 Jahre, 63 Länderspiele, 34 Tore) und Miroslav Klose (36 Jahre, 131 Länderspiele, 68 Tore):
Der mit Abstand erfolgreichste Torjäger im deutschen WM-Kader hieß 1990 Rudi Völler und heißt 2014 Miroslav Klose. Sowohl Völler als auch Klose avancierten bei Werder Bremen zu absoluten Topstürmern und wurden für diesen Verein jeweils zum ersten Mal in ihrer Karriere Bundesliga-Torschützenkönig. Drei Jahre vor seiner zweiten WM wagte Rudi Völler dann den Schritt ins Ausland, nach Rom. Er ist damit einer der wenigen Spieler, die im Stadion ihres Vereins den Weltmeistertitel errungen. Fast überflüssig zu erwähnen, dass auch Miro Klose gegenwärtig seit drei Jahren in Rom spielt. Bei so vielen Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Sturmführern muss es doch auch Unterschiede geben. Gibt es: Völlers Torquote vor der WM ist mit 0,54 Toren pro Länderspiel um 0,02 Prozentpunkte höher als Kloses (0,52). Wie viele Tore pro Spiel Klose bei der in Brasilien im Durchschnitt schießen muss, um mit Völler gleichzuziehen, kann sich jetzt zu Hause jeder selbst ausrechnen.
Und dann waren da noch…
Frank Mill (31 Jahre, 17 Länderspiele, 0 Tore) und Julian Draxler (20 Jahre, 11 Spiele, 1 Tor):
Bis zuletzt hatten wir gehofft, dass Julian Draxler nicht für die WM 2014 nominiert wird – einzig und allein aus dem Grund, da sich zwischen ihm und Beckenbauers 4. Stürmer Frank Mill partout keine Gemeinsamkeiten finden lassen. Doch soll das unsere mühsam aufgestellte und nichts anderes als den Weltmeistertitel versprechende Prognose einfach zunichtemachen? Nein. Denn die Fifa schreibt statt 22 Spielern 1990 nun 23 Spieler im WM-Kader vor. Und dieser 23. Mann ist kein geringerer als:
Sami Khedira (27 Jahre, 45 Länderspiele, 4 Tore):
Der Mittelfeldstratege, an den nach seinem Kreuzbandriss im November kaum einer mehr geglaubt hatte und der in seinem dritten Pflichtspiel nach der Genesung wie selbstverständlich im Champions League-Finale zu Real Madrids Startformation gehörte. Er ist die flexible Variable in all den Rechnungen, Vergleichen und Parallelen der WM-Kader 1990 und 2014. Mit ihm gewinnt Deutschland das WM-Finale 2014 nicht wie 1990 1:0, sondern womöglich sogar 2:0.
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