Als Franz Beckenbauer am 8. Juli 1990 in Gedanken versunken über den Rasen des Estadio Olimpico in Rom schlenderte, fragten sich Millionen Deutsche, was gerade in seinem Kopf vorging. Es war eines der eindrucksvollsten Bilder der Fußball-Weltmeisterschaft 1990. Beckenbauer hatte die deutsche Mannschaft als Teamchef zum Titel geführt.
Szenen wie diese haben sich eingebrannt, aber ansonsten ist nicht mehr viel geblieben vom letzten deutschen Triumph. In unserem Projekt „Minute 85“ begeben wir uns auf eine Reise zurück in die Vergangenheit und treffen Leute, die den Sieg der deutschen Mannschaft hautnah miterlebt haben. Manche direkt auf dem Platz, andere zuhause vor dem Fernseher. Dabei sind unter anderem die Spieler Thomas Berthold und Uwe Bein, der Physiotherapeut Adolf Katzenmeier sowie Fans mit den unterschiedlichsten Geschichten.
Editorial: Uwes Bein und Loddars Blumen
Wieso waren die Busfahrten fast die größte Herausforderung bei der Weltmeisterschaft 1990? Und wieso hatte Lothar Matthäus keine Lust auf Blumen? Diesen und weiteren Fragen wollen in den kommenden Wochen auf JUICED nachgehen. Mit Freude präsentieren wir euch unsere Serie “Minute 85?, die den letzten WM-Erfolg der Deutschen unter die Lupe nimmt.
Mein Team, aber nicht mein Land
Während Lothar Matthäus in Rom erleichtert den WM-Pokal in die Höhe reckte, saß Hans Manthey auf einem Sofa in Potsdam und wusste nicht so recht, ob er sich nun freuen sollte, oder nicht. Als Deutscher fühlte er sich knappe acht Monate nach dem Mauerfall noch nicht. Wobei, eigentlich war es ihm ja ganz recht, dass es die DDR nicht mehr gab. Zumindest auf den Fußball bezogen.
Adolf Katzenmeier hat von 1963 bis 2008 als Physiotherapeut beim DFB gearbeitet und somit alle deutschen Bundestrainer kennengelernt – von Sepp Herberger bis Joachim Löw. Wenn er an die WM 1990 zurückdenkt, fallen ihm vor allem abenteuerliche Busfahrten sowie die Gastfreundschaft der Italiener ein. Aber auch ein heftiger Knatsch mit einem Spieler, dem er sich besonders verbunden fühlte.
Schwarz-rot-goldene Schadenfreude
„Der Sommer 1990 war ein schöner Sommer“, sagt Marco Wandura. „Da hat sich ein Eis angeboten.“ Das kam ihm und seinen Kumpels sehr gelegen – die geballte Schadenfreude der frisch gebackenen Weltmeister bekam ein italienisches Eiscafé ab.
„Nie mit einem anderen Thema beschäftigt“
Im Stadion des eigenen Vereins Weltmeister zu werden, das schaffen nicht viele. Thomas Berthold hatte beim Finale der WM 1990 ein Heimspiel: Damals kickte der gebürtige Hanauer für den AS Rom. Dass es am Ende mit dem Titel klappte, überraschte Berthold nicht.
Spucke, ein Trauma und Helmut Kohl
Wann war das noch mal mit der Spuck-Attacke? Und gegen wen schoss Matthäus sein Traumtor? Alle deutschen Spiele der WM 1990 in 140 Zeichen. Kurz und knackig – so wie die Hosen der deutschen Mannschaft.
Zur „Groupie-Fraktion“ haben sich Dagmar Riecke und Doris Füßler nie gezählt. Aber wie man Hintereingänge überwindet, damit kennen sich die beiden Freundinnen bestens aus. Somit ist es für sie auch kein Problem, nach der WM 1990 in den Frankfurter Römer zu gelangen, um dort mit der Mannschaft zu feiern.
Maradona gratuliert, Klinsi weint
Da ich erst 1991 geboren bin – also ein knappes Jahr zu spät, um den letzten deutschen Titelgewinn live miterlebt haben zu können – weiß ich gar nicht, wie man sich denn als Weltmeister so fühlt. Würde ich aber gern. Deshalb nehme ich wenig weltmeisterlich vor dem Computer Platz und hole das Finale von Rom mithilfe eines YouTube-Videos nach.
Während der WM 1990 erlebt der frisch gebackene Abiturient Friedemann Hees in einer Frankfurter Kneipe zum ersten Mal, wie Leute an öffentlichen Orten gemeinsam Fußball gucken. Auf das Finale freut er sich daher ganz besonders, doch er muss es getrennt von seinen Freunden gucken: im Wohnzimmer eines langweiligen Dortmunder Pastoren-Ehepaars, das sich kaum für Fußball interessiert.
Für Uwe Bein, den „Mann mit dem tödlichen Pass“, ist die WM 1990 ein ständiges Auf und Ab. Mal steht er in der Anfangself, mal sitzt er auf der Tribüne. Eine Verletzung wirft ihn endgültig aus der Mannschaft.
Eigentlich hasst Angela Ordoñez-Delgado Fußball wie die Pest. Doch während sie sich bei einer Kur in Bad Orb langweilt, bringt die Weltmeisterschaft 1990 in Italien den strengen Tagesablauf gehörig durcheinander.