Während andere Frauen im Alter von 26 Jahren noch dabei sind sich selbst zu finden, als Backpacker durch die Welt zu reisen oder die entscheidenden Weichen für eine vielversprechende Karriere zu stellen, wird Stefanie V. Mutter. Aus Überzeugung.
Ich treffe Stefanie, als sie gerade ihre Eltern im Rheinland besucht. Sie wohnt eigentlich im fernen Brandenburg, doch hin und wieder besucht sie ihre Familie. Das Gespräch kann ich mit ihr in aller Ruhe führen, da ihre beiden Söhne von der Oma beaufsichtigt werden – ein Vorrecht, das Stefanie nur selten genießen kann. Doch auch wenn sie die meiste Zeit allein für ihre beiden Jungs verantwortlich ist, erweckt sie nicht den Anschein, dass sie das Muttersein überfordern würde.
Stefanie, wann hast du das letzte Mal richtig ausgeschlafen?
Stefanie: Richtig durchgeschlafen habe ich das letzte Mal vor der ersten Schwangerschaft. Und ausgeschlafen wahrscheinlich in der ersten Schwangerschaft, also bevor das erste Kind da war – Anfang 2012. Seitdem ist es mit dem Schlafen schwierig. Vor allem Babys kann man nicht einfach abgeben. Und stillen kann halt auch nur die Mutter.
Was hast du in dem Moment empfunden, als dein erster Sohn geboren wurde?
Stefanie: Vor allem Erleichterung, als er endlich da war. Natürlich war ich auch glücklich. Aber was mich überrascht hat, ist, dass man sich nicht gleich als Mutter fühlt. Man muss erst Mutter werden. Es ist nicht so, dass man ein Baby kriegt und dann sofort diese krassen Muttergefühle hat, sondern die müssen sich erst noch entwickeln. Am Anfang kennt man sein Baby nicht – das war ein Gedanke, den ich nicht eingeplant hatte. Meine erste Geburt war ziemlich schwer und deswegen war ich total glücklich, endlich meinen Sohn im Arm zu halten.
Hast du es zu irgendeinem Zeitpunkt bereut, schwanger geworden zu sein?
Stefanie: Nein. Als man mir nach 20 Stunden sagte, dass nichts vorangeht und ich wehenfördernde Mittel bekommen sollte, war der Punkt erreicht, an dem ich dachte, dass ich die Schmerzen nicht mehr ertragen kann. Aber bereut habe ich es nicht. Auch wenn die erste Geburt schwer war, konnte ich mir sehr schnell wieder vorstellen, ein Kind zu bekommen – auch nachdem ich wusste, wie schwer es sein kann. Kinder sind einfach etwas Tolles. Ich wollte immer Kinder haben und habe nicht in der Illusion gelebt, dass Geburten nicht schmerzhaft oder Schwangerschaften nicht schwer seien. Ich hab nie gedacht, dass es leicht wird.
Was genau ist denn schön daran, Kinder zu haben?
Stefanie: Es fühlt sich irgendwie richtig an. Ich finde es etwas ganz Besonderes, gemeinsam mit meinem Mann eine Familie zu gründen. Man fühlt sich vollkommener.
Woher kam dein Kinderwunsch?
Stefanie: Ich bin selbst in einer großen Familie aufgewachsen und fand es unglaublich toll, dass wir vier Kinder waren. Jeder, der Geschwister hat, weiß, dass man mit ihnen eine ganz besondere Verbindung hat. Man kennt sich so gut, man ist in der gleichen Lebenssituation und den gleichen Herausforderungen aufgewachsen. Ich fand es so besonders, Geschwister zu haben und wollte selbst auch eine große Familie haben – auch im Alter. Wenn ich meine Oma sehe, die drei Kinder hatte und jetzt so viele Enkelkinder hat: die ist nicht allein.
Hast du dich aufs Muttersein vorbereitet?
Stefanie: Ich glaube, wenn man in einer großen Familie aufgewachsen ist, ist man schon ganz gut vorbereitet, weil man vieles mitgekriegt hat. Ich hab aber auch das Gefühl, dass man das Muttersein in unserer Gesellschaft kaum noch kennt. Oder nur noch am Rande kennt. Weil alle arbeiten gehen und sich das Muttersein nur noch auf einen kleinen Teil des Tages beschränkt. Oft hat es auch damit zu tun, dass man selbst nicht so viele Mütter kennt, die das so gemacht haben. Ich finde es schade, dass manche nicht wissen, wie man Mutter ist, weil sie selbst das nicht erlebt haben.
Bevor Stefanie Mutter wurde, war sie Erzieherin im Hort einer Berliner Schule. Sie ist eine dieser Personen, die ihr Gegenüber – ganz egal, wer es ist – problemlos in ein Gespräch verwickeln können. Ständig ist sie von Menschen umgeben und liebt es zu reisen. Einiges von dem, was sie bis dahin ausgemacht hatte, musste sie nach der Geburt ihrer Kinder jedoch zunächst zurückstellen.
Was musstest du für deine Kinder aufgeben?
Stefanie: Ich kann nicht mehr arbeiten gehen und habe viel Schlaf aufgegeben – richtig durchgeschlafen habe ich wie gesagt schon sehr sehr lange nicht mehr. Ich kann mich auch nicht mehr so frei bewegen. Früher habe ich mich immer gerne mit Leuten getroffen, aber wenn die Kinder dabei sind, kann man sich nicht so gut auf die Gespräche konzentrieren, weil man abgelenkt ist. Auch persönliche Bedürfnisse, zum Beispiel mal etwas zu lesen, treten komplett in den Hintergrund. So lange die Kinder wach sind, haben sie keinen Platz. Man gibt sehr viel Freiheit auf.
Ist dir das schwergefallen?
Stefanie: Es sind immer Phasen. Ich habe mir Kinder immer sehr gewünscht und freue mich, dass es so schnell geklappt hat. Aber manchmal sitze ich da und bin traurig, weil ich mir etwas wünsche und weiß, dass ich da einfach zurückstecken muss, dass es einfach nicht geht. Manchmal wünsche ich mir schon Hilfe oder einfach mal etwas allein unternehmen zu können. Aber auch wenn ich zwischendurch mal traurig bin, lohnt es sich trotzdem.
Beneidest du dann Freundinnen in deinem Alter, die noch keine Kinder haben?
Stefanie: Ja, manchmal schon. Zum Beispiel beneide ich, dass andere reisen oder spontan Urlaub machen können. Da bin ich manchmal richtig traurig, dass ich das jetzt nicht machen kann.
Helden sind Menschen, die selbstlos handeln und außergewöhnliche Herausforderungen meistern. Menschen, die dies auch dann tun, wenn sie dafür nichts zurückbekommen. Daher sind auch Mütter Helden. Weil sie selbstlos handeln, weil sie täglich mit neuen Herausforderungen konfrontiert sind, die sie bewältigen müssen, weil sie nicht selten an den Rand ihrer Kräfte gehen müssen, weil sie für die heranwachsende Generation eine wichtig Vorbildfunktion haben und weil sie für ihre Kinder oft über ihren eigenen Schatten springen – all das ohne dafür belohnt zu werden. Doch viele Mütter fühlen sich nicht als Heldin.
Wann fühlst du dich alles andere als heldenhaft?
Stefanie: Wenn ich allein bin und die Kinder schreien, oder einer schreit und der andere nicht zu mir kommen will. Wenn ich am Rande meiner Nerven bin, fix und fertig. Wenn es halt richtig anstrengend ist und man weiß, dass man nichts zurückbekommt. Man opfert seine Zeit und seine Nerven und bekommt in dem Moment nichts zurück. Da fühle ich mich nicht immer gut.
Hast du das Gefühl, dass du genug Anerkennung für das bekommst, was du als Mutter leistest?
Stefanie: Nein. Gerade in unserer heutigen Zeit, wo alle möglichst schnell wieder arbeiten gehen und die Kinder in die KiTa bringen. Da hab ich das Gefühl, dass viele es komisch finden dass ich noch zuhause bin, oder vielleicht denken ich wäre faul weil ich noch nicht arbeiten gehe. Bei einigen Müttern habe ich allerdings aber auch das Gefühl, dass sie mich beneiden und auch noch gerne länger zuhause geblieben wären. Hier in meinem Umfeld kenne ich sehr wenige Leute, die auch nach einem Jahr noch mit ihrem Kind zuhause sind. Damit stehe ich ziemlich allein da. Heutzutage ist es auch nicht modern, mehr als ein Kind zu haben. Mit meinem Wunsch nach mehreren Kindern ernte ich eher Unverständnis.
Würde es der Gesellschaft gut tun, wenn mehr junge Menschen den Mut hätten, Eltern zu werden?
Stefanie: Auf jeden Fall. Es ist so modern geworden, dass alles perfekt sein muss. Da ist ein riesen Druck auf den jungen Menschen. Die berufliche Laufbahn muss perfekt sein, sie wollen auf der Karriereleiter möglichst hoch klettern, sie wollen viel Geld haben. Oft werden wir gefragt, wie wir es uns leisten können, dass ich zu Hause bleibe. Ich finde das ist die falsche Frage. Es ist nicht eine Frage der finanziellen Mittel, sondern eine Frage des Anspruches. Wenn ich eine teure Wohnung haben möchte und einen luxuriösen Urlaub, dann ist mir das wichtiger, als mit den Kindern zu Hause zu bleiben. Wenn es mir wichtiger ist, dass ich meine Kinder in den ersten Jahren entscheidend präge, dann bin ich auch bereit, einen günstigen oder gar keinen Urlaub zu machen oder eine günstige Wohnung zu nehmen. Warum ist der Anspruch so hoch, dass man als junger Mensch alles schaffen muss und man dann denkt, dass man Kinder erst später kriegen kann wenn alles „perfekt“ ist?
Hat es Vorteile in jungen Jahren Mutter zu werden?
Stefanie: Es gibt tausend Gründe, warum es besser ist, früh Mutter zu sein. Ich denke, dass es mir schon sehr viel leichter fällt, jetzt Kinder zu kriegen und groß zu ziehen als in zehn Jahren. Weil ich flexibler bin, weil ich körperlich fitter bin und ich noch die Nerven dafür habe. Kinder brauchen sehr wenig. Wenn man wenig Geld hat, stört sie das überhaupt nicht. Sie brauchen keine teuren Bodys. Sie wollen einfach nur, dass du für sie da bist. Welche Farbe ihr Pulli hat oder wie oft ihre Hose vorher von anderen Kindern getragen wurde, ist ihnen egal.
Hat das Muttersein dich verändert?
Stefanie: Ja, total. Man wird reifer. Vorher konnte man viel unbefangener leben. Jetzt geht es eben nicht mehr nur um einen selbst. Ich muss immer mindestens für diese andern beiden Kleinen mitdenken. Ich habe mich total verändert, oder besser gesagt, die Art, wie ich lebe hat sich verändert.
Wäre es für dich schlimm gewesen, wenn dein Kind behindert gewesen wäre?
Stefanie: Weil ich einen Bruder mit Behinderung habe, habe ich mir da schon Gedanken gemacht. Besonders bei meinem ersten Kind wäre ich sehr betroffen gewesen. Ich hätte es aber trotzdem bekommen. Beim ersten Kind ist der Gedanke viel größer, dass man ein perfektes Kind haben will. Da ist so viel Druck. Wie es gewesen wäre, wenn ich wirklich ein Kind mit Behinderung bekommen hätte, fällt mir schwer zu sagen.
Was wünschst du dir für deine Kinder?
Stefanie: Dass sie sich immer geliebt fühlen. Dass sie einen tieferen Sinn in ihrem Leben finden. Dass sie stark sind, Selbstvertrauen haben. Dass sie sich sicher fühlen und wissen, dass sie geliebt sind. Das heißt nicht, dass man immer alles richtig macht, aber dass man trotzdem immer geliebt ist.
Jetzt wo du selbst Kinder hast – ist deine Mutter eine Heldin für dich?
Stefanie: Ja, weil sie uns vor ihre eigenen Bedürfnisse gestellt hat. Sie hat viel zurück gesteckt und oft nichts zurückbekommen.
Der schwierigste Job der Welt
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