Erkannt, verdammt, verbannt: Die Online-Redaktion der Financial Times Deutschland hat nach meinem Anruf beim Verlag reagiert und ihren Gründermarktplatz vorerst abgeschaltet. Worum geht’s? Vor einigen Wochen bekam ich die Anfrage eines Onlineportals, ob ich denn an einem Link auf FTD.de interessiert sei. Im Gegenzug seien sie an einem Link von JUICED interessiert. Ursprünglich wollte ich diese Anfrage ignorieren, wie ich es auch mit den anderen Anfragen dieser Art mache. Doch als die gleiche E-Mail wenige Tage später ein zweites Mal in meinen Posteingang flatterte, lies mich das nicht mehr los. Denn auch wenn ich nicht daran glaubte, dass dieses Onlineportal tatsächlich in der Lage wäre, einen Link auf dem Netzauftritt der Financial Times Deutschland(!) zu beschaffen, so ärgerte es mich, dass sie den Namen der FTD auf diese Weise diskreditierten.
Also veröffentlichte ich die E-Mail kurzerhand 1 und ergänzte, was ich davon halte. Schnell merkte ich anhand der Kommentare, dass ich nicht der einzige war, dem diese Anfrage geschickt wurde. Aber von tatsächlichen Links auf FTD.de las ich vorerst nichts, also war damit für mich das Thema erledigt.
Als dann jedoch von einem gewissen Roland der Hinweis kam, dass die Links doch ihren Weg auf die Webseite der FTD gefunden hatten, schrillten bei mir die Alarmglocken.
Die Beiträge werden hier veröffentlicht:
Die Links sind übrigens nofollow, wovon die “Dame” natürlich nichts schreibt.
Mit dieser Information rief ich beim Leserdienst der FTD in Hamburg an und kontaktierte den für den Gründermarktplatz zuständigen Journalisten. Dieser war zunächst erstaunt und wusste nichts davon, gab es aber an seine Online-Kollegen weiter. Fünf E-Mails und ein paar Telefonate später folgte eben das Ergebnis der Recherche: Die Köpfe hinter dem Onlineportal habe es wohl tatsächlich geschafft, ihre Links auf FTD.de zu platzieren (nachdem man den Gründermarktplatz seit Februar an ein externes Unternehmen ausgelagert hatte – ein fataler Fehler, wie ich finde!). Als Folge dessen ist der Gründermarktplatz vorerst vom Netz genommen worden und wird nun überarbeitet. Zwischenzeitlich erschienen dort bis zu 36 Artikel pro Tag – angeblich von einer einzigen Frau.
„Der Marktplatz hat uns auf diese Weise mehr geschadet als gebracht“, sagte mir der FTD-Journalist eben am Telefon. Man überlege, dieses Unternehmen rechtlich zu belangen. „Das war also definitiv nicht in Ordnung, wie die da vorgegangen sind, oder?“, will ich wissen. „Nein, natürlich nicht.“ Puh, Durchatmen angesagt. Die Qualität im (FTD-)Journalismus scheint gerettet, gesichert, wiederhergestellt. Doch dann ein Zitat, das einen faden Beigeschmack hinterlässt: „Wenn es mehr Traffic gebracht hätte, hätten wir uns das vielleicht nochmal überlegt. Aber so war es uns ein Leichtes, Tabula Rasa zu machen.“
Update 04.04.12 @ 13.32 Uhr
Der Redakteur der Financial Times Deutschland hat sich soeben nochmal bei mir gemeldet und den faden Beigeschmack beseitigt:
„Um den Beigeschmack zu beseitigen: Das Statement war folgendermaßen gemeint: Wenn so etwas auf der Website passiert wäre, hätten wir sicher nicht von einer Minute auf die andere FTD.de komplett lahmgelegt. Das hieße ja: unser digitales Hauptprodukt für eine gewisse Zeit komplett vom Markt zu nehmen. Sondern hätten uns natürlich überlegen müssen, wie man vorgeht. Natürlich wären wir gegen den Linkverkäufer auch vorgegangen.“
Vielen Dank für die wertvolle Ergänzung!
- Die E-Mail habe ich veröffentlicht, ohne Anbieter und Name zu nennen. Ein anderer Blogger veröffentlichte den Namen der Frau (bei mir kam die Anfrage übrigens von einem Mann) und bekam wenige Tage später einen Anruf von ihr, er möge doch bitte ihren Namen von seiner Webseite entfernen. „Man hat mich gestern aus München angerufen und das Gespräch fing an mit ‚Sie wissen, dass E-Mail-Inhalte dem Fernmeldegeheimnis unterliegen‘.“ Die Frau hatte bei der Anfrage anscheinend tatsächlich ihren echten Namen verwendet. ↵
Sebastian meint
Spannend.
Weißt Du das Problem dabei ist, dass es bei sowas leicht passieren kann, dass diese Firmen die „Kriegskasse“ gut gefüllt haben und ihr eingenommenes Geld intensiv in Anwälte investieren. Deshalb auch mein „Hotbutton“-Vergleich. Leute wie Stefan Niggemeier können da ein Lied von singen.
Prima dass Du da angerufen hast. Das mit dem „nofollow“ ist natürlich der Brüller… einen „Nofollow“ Link schwarz auf schwarz im Footer kann die Dame von mir gerne haben ;-)
Marcel meint
Ich war auch beim Gründermarktplatz angemeldet. Das Prinzip ist folgendes: Man erhält als „Start-Up“ eine eigene Profilseite inkl. eigenem Blog. Und da kann dann jeder so viele Beiträge mit so vielen Links veröffentlichen, wie er möchte. Niemand kontrolliert, ob die Artikel irgendwas mit dem jeweiligen Unternehmen oder überhaupt was mit dem Thema Gründen zu tun haben. Daher gab es dann überall die typischen SEO Texte mit 1-2 Links. Die Links in den Artikeln waren aber, da bin ich mir relativ sicher, follow. Hatte also einen (wenn auch geringen) Nutzen.
Beispiel? Ist zwar nur noch über Google-Cache erreichbar, aber das reicht ja:
http://lmgtfy.com/?q=gr%C3%BCndermarktplatz+schuhe
JUICEDaniel meint
@ Sebastian: Würde mich auch mal interessieren, was sie an den hunderten von Links am Ende verdient haben. Aber das werden wir wohl nie erfahren.
@ Marcel: Roland meinte, die Links seinen „nofollow“. Ich habe das leider nicht überprüft, erschien mir bei der FTD allerdings auch nebensächlich. Und ich glaube, dass es sich hier wohl um zwei verschiedene Angebote handelt: Auf der Startseite des Gründermarktplatzes waren wohl lediglich redaktionell verfasste Artikel zu sehen, oder? Und genau diese haben sie eben seit Februar an ein externes Unternehmen ausgegliedert. Und dieses Unternehmen hat dann die Linktausch-E-Mails im großen Stil an zahlreiche Blogs verschickt und sich somit bereichert. Auf der Startseite des Gründermarktplatzes waren über 100 Artikel zu sehen – alle ausschließlich von der gleichen Frau und in nur sehr wenigen Tagen verfasst.
Maxim meint
Also ich finde es versammt schade für die echten Startups ich fand die Idee super und habe dort ein Startup von mir vorgeschlagen und auch bewerten lassen, schade das manche sowas immer kapputt machen müssen, ich fand es war eine super Sache und würde mich freuen wenn die nachweislich echten und ehrlichen Startups wiederkommen würden. Dabei meine ich nicht unbedingt nur mein Projekt ich habe so viele tolle und teils auch witzige Startups kennengelernt und auch deren Betreiber. Echt schade für die alle…
Diana meint
Es gibt immer mal wieder Webprojekte mit einer eigentlich guten Idee dahinter. Nur leider gibt es auch meistens Leute, die die ursprünglich gute Idee so für sich selbst ausnutzen, dass sie anderen damit schaden. Entweder sind es die Betreiber, so im Falle Gründermarktplatz wie in deinem Artikel beschrieben, oder das Projekt wird von außen torpediert.
Wie zum Beispiel auf unserem Projekt, wir versuchen ein Blognetzwerk aufzubauen, aber praktisch 95% sind Karteileichen, die nicht über die Anmeldung hinauskamen oder leider die nervigen SEO Texte.
Der Gründermarktplatz zeigt, dass man eben auch bei den Großen aufpassen sollte.
Leo (Schnäppchenfuchs) meint
Ich habe diese Anfragen nicht bekommen, habe aber bei FTD einen Artikel gelesen – wahrscheinlich war es in diesem Bereich – bei dem ich mir dachte: wie kann so ein gekaufter Müller auf FTD erscheinen?
Jetzt schließt sich der Kreis…