Wahrheit, das ist so ein schwieriges Wort. Was soll das überhaupt sein? Und wie beeinflusst es die Arbeit von Journalisten und Co? Das Buch Echt wahr! versucht, in 36 Interviews eine Antwort auf diese Frage zu liefern. Mit einem Teilerfolg.
Das Buch richtet sich vornehmlich an (angehende) Journalisten und diejenigen, die sich für die Medienbranche interessieren. Wer also verstehen möchte, wie (vielfältig) Journalisten ticken, ist mit dem Buch bestens bedient. Denn – und das ist eine der großen Stärken des Interviewbands – die Interviewten liefern einen authentischen Einblick in ihre Arbeitswelt und erklären, was ihrer Meinung nach „Wirklichkeit“ ist, in welchem Verhältnis diese zur „Wahrheit“ steht und welche Rolle der Journalismus bei all dem spielt. Definitiv kein leichtes Thema.
In nur drei Tagen habe ich die Interviews verschlungen, die sich fast alle schnell und flüssig lesen lassen. Und dass man bei Bernhard Pörksen, Professor für Medienwissenschaft, manche Sätze auch zweimal liest, ist im Grunde ein Kompliment an den Tiefgang seiner Aussagen. Allein die Überschrift Die Schönheit der Lüge lässt erahnen, dass es die nächsten sieben Seiten eher philosophisch zugeht.
Doch die meisten Interviews sind praxisnah und mit Profis aus den Gattungen Print, Online, Fernsehen und Radio vielfältig besetzt. Der stärkste Buchabschnitt ist aus meiner Sicht von Seite 156 bis Seite 177:
- Korbinian Frenzel: Betreutes Reisen – Ein Journalist, ein Wochenende, ein inszeniertes Nordkorea
- Benjamin Skinner: A Crime So Monstrous – Die unfassbare Wahrheit über den Menschenhandel
- Christoph Maria Fröhder: Niemals embedded! – Krisenreporter sammeln nicht nur dramatische Bilder
Vor allem Benjamin Skinner hat mich auf nur fünf Seiten absolut in den Bann ziehen können. Das Thema ist halt auch extrem brisant.
Eher skurril bis eklig geht es im Gespräch mit Manuel Möglich zu: der ZDF Neo-Reporter (Wild Germany) erzählt unter anderem von Bugchasing und Bodymodification, zwei widerliche und entsetzliche Themen, die er in seiner Sendung behandelt hat. Das hat vermutlich nur so viel mit Wahrheit und Wirklichkeit zu tun, als dass es ein Teil davon ist – wenn auch ein ziemlich gestörter.
Insgesamt empfand ich das Buch als sehr lesenswert. Aufmerksam darauf wurde ich durch ZDF heute.de-Redakteur Frederic Huwendiek auf Twitter, der ebenfalls im Buch vorkommt. Leider ging es im Interview dann für meinen Geschmack etwas zu viel über Social Media, was mich thematisch mittlerweile ziemlich langweilt. Nichts für ungut, aber ich kann diesen Begriff einfach nicht mehr hören. Und Fernsehen, tja, das interessiert mich schon lange nicht mehr.
Der Blick hinter die Medienkulissen jedoch interessiert mich nach wie vor, ganz gleich welche Gattung. Und davon gibt es im Buch einige wertvolle Einblicke in die unterschiedlichen Arbeitswelten der Medienprofis. Ergänzend zu Trendbuch Journalismus (2005) ist das 304 Seiten starke Echt wahr! (Januar 2012) daher eine klare Kaufempfehlung.
Tipp: Auf der Webseite zum Buch gibt es noch weiterführende Informationen und vereinzelt auch Videos mit den Interviewten, darunter auch Das Niqab-Experiment (leider nur auf Schweizerdeutsch).
Ulf Grüner und Karen Naundorf (Hrsg.), „Echt wahr!: Wie Journalisten Wirklichkeit erzählen“, Books on Demand, April 2012, 304 Seiten, 16,90 Euro, ISBN: 978-3844816495
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