Was mach ich nur mit diesem Buch? Gefreut habe ich mich darauf, denn wie faszinierend klingt die Idee: Ein Entzugstagesbuch aus dem Leben eines Onliners, der sechs Monate lang offline lebt. Umso größer nun meine Enttäuschung über den flachen Inhalt, was die spannende Online vs. Offline-Thematik anbelangt.
Gut schreiben kann er ja, dieser Alex Rühle. Aber wenn ich mich frage, was mir jetzt diese 252 Seiten gebracht haben, bleibt lediglich ein großes Fragezeichen. Auf der Rückseite des Buchs steht das knackige Zitat von Doris Dörrie „Alles abschalten! Dieses kluge und lustige Buch lesen!“ Leider war das Buch nicht besonders klug oder lustig, sondern überwiegend langweilig. Gelacht habe ich vielleicht zweimal, intelligente Gedanken waren auch nur spärlich gestreut. Dazwischen: Sehr viel Text zu Dingen, die mich kein Stück interessieren und nichts mit der Online vs. Offline-Thematik zu tun haben.
Die Problematik fängt schon bei der Ausgangslage an: Als festangestellter Feuilleton-Redakteur der Süddeutschen Zeitung konnte sich Rühle dieses Experiment leisten – im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen. Denn wer von uns kann problemlos sechs Monate lang auf das Internet verzichten? Als Online-Journalismus-Student (ich) wäre das vollkommen undenkbar gewesen, als Volontär genauso, und als Freier Journalist käme dieser Selbstversuch finanziellem Selbstmord gleich. Es sei denn, man macht’s mit einem kommerziellen Hintergedanken – und schreibt ein Buch darüber. Problem hier: Das hat Rühle schon gemacht und ein zweites Mal funktioniert das ohne Weiteres sicher nicht. Zumal man dafür erst einmal einen Namen haben muss.
Das zweite Problem: Schon zu Beginn des Experiments ist allen klar: Es kann nur temporär funktionieren. Auf Dauer? Undenkbar. Das weiß auch der Autor. Was also ist der Lerneffekt, was die Erkenntnis? Genau hier enttäuscht mich das Buch am meisten. Gibt es nicht. {spoiler}Bis auf den Ratschlag auf Seite 247, sich ein Uralt-Handy statt ein Smartphone zuzulegen.{/spoiler} Herzlichen Dank, aber für solch einen Tipp will ich keine 252 Seiten lesen.
Die einzigen Lichtblicke im Buch sind die Zitate des Soziologen Hartmut Rosas (an dieser Stelle sei das hervorragende Zeit-Interview „Muße braucht Zeit“ von 2009 empfohlen). Doch dessen Inhalte waren mir sinngemäß schon lange vorher bekannt, also nichts Neues unter der Sonne.
Warum ich in den vorigen Zeilen so negativ über das Buch schreibe, das so schlecht gar nicht war? Vermutlich – und hier kommen wir zum dritten Problem – weil es mich anödet, dass Rühle keine klare Haltung hat. Allen will er’s recht machen und allen Kritikern schon im Vorfeld den Wind aus den Segeln nehmen. Doch „Everybody’s darling“ – das hat noch nie funktioniert. So lobt er das Internet am einen Tag, um es dann am nächsten Tag wieder zu verdammen und seine kritischen Aussagen dann am nächsten Tag wieder zu relativieren. „Alles ist relativ“ scheint das unterschwellige Motto des Autors zu sein. Gähn.
Jeppe Rasmussen meint
Ich kann Deinen Schlussfolgerungen nur zustimmen. Das Buch ist sprachlich gut geschrieben, nachher ist man allerdings genauso ratlos wie vorher. Hatte es selbst gelesen, um daraus Profit für ein Seminar über Mediennutzung zu schlagen; das einzige was ich davon hatte, war aber verschwendete Zeit.
JUICEDaniel meint
Freut mich, dass sich deine Einschätzung mit meiner deckt. Auch wenn mich ein gutes Buch zu dieser Thematik natürlich viel mehr gefreut hätte.