Oder: „Der Konzern (Google), der mehr über Sie weiß als Sie selbst“
Endlich bin ich dazu gekommen, mir die Spiegel-Titelstory vom 11.01.10 über Google durchzulesen. Wie erwartet bot sie für mich nicht viel Neues, aber immerhin einen guten Überblick.
Natürlich, wie könnte es anders sein, habe ich zu einigen Textpassagen kleine Anmerkungen, die ich euch im Folgenden mitteilen möchte.
Zunächst einmal wäre da das grauenhaft unkreative Cover zu beanstanden. Schlicht weiß mit einem schwarzen „Google“ – langweiliger geht es nicht mehr. Denn das Google-Logo ist knallbunt, gerade das zeichnet das Unternehmen doch aus. Und das kleine Bild eines Microchips darunter mit der Sprechblase „Sie sind hier“ dürften wohl die wenigsten Leser kapieren oder gar Interesse wecken bzw. einen Kaufanreiz bieten. In meinen Augen ist es das schlechteste Spiegel-Cover ever, Note: 6.
In den Medien wird der Konzern schon reflexhaft „Datenkrake“ genannt. Und tatsächlich gibt es Grund zur Vermutung, dass Google alles ausforschen will, was im Internet auszuforschen möglich ist. Die Frage ist, ob die Firma ahnt, was sie damit heraufbeschwört.
Sicher ist sich Google dessen bewusst, dass dieses Verhalten viele Kritiker, Gegner und Feinde auf den Plan rufen wird (dazu später noch mehr) – doch wie im Artikel selbst später auch steht: Google ist bereits an diesem Punkt angelangt, dass es keine Angst mehr davor haben muss. Die Macht Googles spiegelt sich auch in so manchen Zitaten wider, wie zum Beispiel von Vorstandschef Eric Schmidt, der Anfang Dezember im US-Fernsehsender CNBC auf die Frage nach dem Schutz der Privatsphäre ungeniert antwortete:
„Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun.“
Dieses Zitat sollte uns erschrecken oder zumindest nachdenklich machen. Spontan hat es mich an den Science-Fiction-Thriller Minority Report erinnert. In dem Film, basierend auf der gleichnamigen Kurzgeschichte des amerikanischen Autors Philip K. Dick, werden Menschen bereits im Voraus für Verbrechen bestraft, die sie noch gar nicht begangen haben. Auch Google bemüht sich stärker denn je darum, die Zukunft vorherzusehen. Mit Google Flu Trends möchte der Konzern vor Grippe-Wellen weltweit warnen, mit Google Trends unter anderem die Wahlergebnisse der Bundestagswahl 2009 voraussagen.
Auch die Spiegel-Autoren schlussfolgern, was Eric Schmidt mit seinem Zitat aussagt:
Schmidts Äußerungen zeigt nun die beunruhigende Attitüde eines Weltkonzerns, der anfängt seine Macht zu genießen: Wer unserer Spähtechnik entrinnen will, hieß das im Klartext, macht sich schon dadurch verdächtig. Denn wer, außer Übeltätern, braucht überhaupt eine Privatsphäre?
Eine kluge Schlussfolgerung, der ich mich nur anschließen kann. Das Totschlagargument schlechthin habe ich bereits im vergangenen November kritisiert. Eric Schmidt hat übrigens noch weitere haarsträubende Dinge gesagt:
„Je mehr wir über Sie wissen, desto besser können wir die Resultate auf Sie zuschneiden.“ Weil das aber noch besser werden kann, kennt auch die Wissbegier von Freund Google keine Grenzen: „Unser Ziel ist, dass Sie eine Frage stellen, und Google gibt Ihnen die eine und immer richtige Antwort“, fügte Schmidt hinzu.“
Höchstbedenkliche Aussagen des CEOs von Google. Denn folgende Frage schießt mir dabei unmittelbar durch den Kopf: Wie wollen sie das erreichen? Und die möglichen Antworten gefallen mir alle nicht. Ein anderer Gedanke, der mir dabei kam, ist: Kann man (hier: Google) denn die eine und immer richtige Antwort geben? Aus meiner Sicht ein klares Nein dazu. Alleine bei der Frage: „Ist Avatar ein guter Film?“ dürften die Meinungen so stark auseinander gehen. Oder „Wird das iPad ein Erfolg?“, „Ist Google Wave eine Innovation?“ und „Ist Barack Obama ein erfolgreicher Präsident?“ sind Fragen, über die sich (zu Recht!) streiten lassen. Wer denkt, es geht nicht schlimmer, aufgepasst:
Und als wäre das noch nicht vermessen genug, zählte er ein paar beispielhafte Fragen auf: „Was soll ich morgen tun? Welchen Job soll ich annehmen? Was sagen Sie mir für meine Zukunft voraus?“
Ich glaube nicht, dass ich das weiter kommentieren muss… aber eure Kommentare zu diesen Fragen würden mich sehr interessieren.
Ein Punkt, um Googles Ziel der Allwissenheit (= Gott) zu erreichen, ist die Eroberung des Handymarktes:
Auf dem Handy aber bekommt Google nun Zugang zum ganzen Leben. Wie sich die Nutzer bewegen, ist wertvolles Wissen.
Wer jetzt beim Lesen denkt „Das kann doch nicht wahr sein… wer ist denn so dumm und macht das alles mit?“, scheint den Erfolg Googles nicht zu verstehen: „Die Google-Suche wird von Android-Handys1 aus 30-mal so oft genutzt wie von anderen Smartphones.“ Das Erfolgsgeheimnis dabei ist erschreckend einfach:
Die Methode, die nicht zum ersten Mal Schrecken verbreitet, ist immer die gleiche: Der Nutzer bekommt ein bislang teures Angebot kostenlos; finanziert wird es mit passender Werbung.
Auf diese Weise hat Google auch eine ganze Branche kostenpflichtiger Webseitenstatistik-Anbieter mit dessen kostenlosem Dienst Google Analytics in den Ruin getrieben. Von Wettbewerbsverzerrung war nie die Rede.
Auch mit einer von Googles jüngsten Diensten, der mobilen Bildersuche Goggles hat Google großes vor. Bei der Vorstellung sagte Google-Manager Vic Gundotra:
„Unser Ziel ist, dass Goggles einmal alle Bilder erkennt.“
Erneut stellt sich die – nicht sonderlich bequeme – Frage: Wie will Google dieses Ziel erreichen. Und wozu führt das? Allein für alle Stalker ist dieses Feature ein gefundenes Fressen. Manchmal frage ich mich ernsthaft, ob ich eigentlich der einzige Mensch auf diesem Planet bin, dem diese Entwicklung nicht gefällt. Doch auch Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, will „Herr seiner Daten bleiben“, wie er in einem Interview mit der BBC sagte:
„Es geht um mein Eigentum. Man darf mir das nicht einfach wegnehmen. Wer es nutzen will, muss mit mir verhandeln.“
Der Spiegel erkennt folgerichtig:
Von dieser Sicht ist Google noch sehr weit entfernt. Die Firma behandelt ihre Nutzerdaten wie eine ursprünglich nutzlose Rohmasse, die erst durch unablässiges Berechnen, Verknüpfen und Verfeinern ihren Wert gewinnt.
Und wehe, dem Unternehmen sollte es jemals wirtschaftlich schlecht gehen. Die „stille Kapitalreserve“ Nutzerdaten, wie der Spiegel sie nennt, sorgen nicht gerade für Wohlbefinden.
Man sei auf das Vertrauen der Nutzer angewiesen, heißt es immer. Und die Konkurrenz sei schließlich nur einen Mausklick entfernt, jederzeit könnten die Leute abwandern.
Aber ist diese Gefahr überhaupt noch gegeben? Wer sich im Google-Kosmos aus inzwischen rund 150 nützlichen Produkten eingelebt hat, wird sich einen Neuanfang anderswo dreimal überlegen.
Eine kluge Frage, die Spiegel hier stellt. Erst neulich habe ich mich mit einem webaffinen Marketingmanager unterhalten, der um die Gefahr Googles weiß, aber nicht mehr davon loskommt. „Ich kann nicht einfach meine E-Mailadresse wechseln – das ist mindestens genauso schwierig wie meine Handynummer“, sagte er mir. Und er hat recht: Auch ich würde mir einen Wechsel meiner E-Mailadresse zweimal überlegen. Glücklicherweise bin ich nicht leichtsinnig und voreilig zu Google Mail gewechselt, nur weil Web.de und GMX gnadenlos veraltet sind und viel zu kleine Postfächer anbieten. Doch den Luxus domaineigener Postfächer können sich nur wenige Nutzer leisten.
Immerhin wachen andere Menschen langsam auf und begreifen, dass bei Google nicht alles Gold ist, was glänzt:
Auch in der Wirtschaft hat Google sich viele Feinde gemacht: bei den Buchverlagen mit Google Books, bei den Zeitungen mit Google News, bei den Fernsehsendern mit YouTube. Und der Kampf mit den Mobilfunkbetreibern ums Internet der Zukunft hat gerade erst begonnen.
Die Zeiten ändern sich, wie es scheint. Das sieht auch der Spiegel so:
Die Zeit des unbehelligten Wachstums ist für Google, wie es scheint, endgültig vorbei. In ihrer ersten Dekade hatte es die Firma noch nicht einmal nötig, die üblichen Lobbyisten an die Schaltstellen der Politik zu entsenden.“
Leider muss ich kritisch anmerken, dass Google mittlerweile so viel Macht hat, dass – wie eingangs erwähnt – der Konzern vor all den Kritikern, Gegnern und Feinden keine Angst mehr haben muss.
Fazit: „Ende der Privatheit“ ein lesenswerter Artikel und vor allem für Neulinge empfehlenswert. Die Autoren erklären viele Google-Entwicklungen und -Dienste sehr anschaulich und verdeutlichen mit zahlreichen Beispielen die Gefahren des Weltkonzerns ohne dabei zu verteufeln. Im Großen und Ganzen eine gute Titelstory.
- Android = Googles Open-Source-Betriebssystem speziell für Handys und Netbooks ↵
KmG meint
Ich muss sagen, ich verstehe die Aufregung sehr,
und auch ich bin von der Macht Googles nicht begeistert,
aber ich bin mir nicht sicher, ob alles begründet ist.
Ich konnte an einer Gesprächsrunde mit der Entwicklungschefin von Google
(http://de.wikipedia.org/wiki/Monika_Henzinger) teilnehmen und ich habe den
Eindruck bekommen aus dem Gespräch, dass Google zwar viele Daten sammelt und auswertet, aber dies anonym macht.
Trotzdem ist es klar, dass ein Konzern nicht soviel Macht haben sollte,
die öffentliche Meinung zu beeinflusse.
Wer sich bei Google registriet und ein EMail-Konto dort einrichtet oder ähnliches, der sollte auch wissen, worauf er sich einlässt. Dies gilt aber auch für Netzwerke wie Facebook, StudiVz und Co.
Wer sein EMailkonto als größtes Korrespondenz und Kommunikationsmedium benutz,
und dort auch sensible Daten hat, der kann sie meiner Meinung nach auch ein kostenplichtiges EMail-Konto zulegen. Die Preise dafür sind wirklich nicht hoch.
Man muss sich prinzipiell darüber klar sein, dass man bei alle Daten, die man nicht auf dem eigenen PC hat, vertrauen zu denjenigen haben muss, die die Daten verwalten und dass alle diese Anbieter auch die Daten mißbrauchen können.
Was mich aber genauso verunsichert, wie die Macht von Google, sind Datensammlungen von unserer Bundesregierung. Einführung der biometrischen Ausweiße, Fingerabdrücke im Reisepass, neue Personalausweis (01.11.2010), ELENA-Verfahren …
LG
KmG
JUICEDaniel meint
Klar hast du diesen Eindruck nach dem Gespräch mit Google. Sie wären ja auch schön blöd, dir etwas anderes zu erzählen. Google holt nur die besten, um unser Vertrauen zu gewinnen. Mit logisch klingenden und stets nachvollziehbaren Argumenten – wie es scheint.
In dem Fall kann ich dir zwar zustimmen, dass ich auch glaube, dass Google die Auswertung der Daten anonym macht – derzeit haben sie ja auch noch keinen großen Nutzen von personalisierter Datenauswertung.
Aber: Wer sich deswegen damit zufrieden gibt, denkt in meinen Augen recht kurzfristig. Denn: Wer weiß, wann sich diese Situation ändert? Und was dann? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es immer so bleiben wird. Gerade durch Google Mail, Calendar etc. bietet sich hervorragend die Möglichkeit, Namen und ganze Adressen zu sichern, um so auch in ein paar Jahren möglicherweise mal offline gezielt werben zu können.
Oder wenn es Google mal schlecht gehen sollte und sie dringend Kapital brauchen…
Dem stimme ich zwar zu, aber Medienkompetenz hat bei Jüngeren wie Älteren zuweilen große Defizite. Und bis die wieder aufgeholt sind, vergehen wohl noch einige Jährchen. Viel schlimmer jedoch ist die Tatsache, dass die wenigsten Leute wissen, wo was drin ist. Kaum einer weiß, wann sie auf Google-Seiten surfen. Wissen sie um die potentielle Gefahr durch Google und wollen sie Google meiden, stehen sie vor erheblichen Problemen:
1. Wer weiß denn überhaupt, was alles zu Google gehört? YouTube dürfte mittlerweile zwar bekannt sein, aber es gibt noch so viele andere Google-Dienste unter anderem Namen.
2. Google AdSense und Doubleclick: Fast der gesamte Werbemarkt wird von Google dominiert – Auf zig tausend gut besuchten Seiten finden sich Google-Werbung. Google weiß also auch da, wo du bist.
3. Google Analytics: Das Mieseste überhaupt: Keiner bekommt mit, dass Google gerade all deine Klicks genauestens aufzeichnet. Etwa 80 Prozent der Top 300.000-Webseiten nutzen Google Analytics, nur die wenigsten weißen darauf hin – und wenn, dann nur ganz unten im Impressum, wo wohl kaum einer je nachschaut.
Vor allem letzteres sollte man ändern (ist ja auch heiß in der Diskussion), dass Webseitenbetreiber ihre Besucher darüber informieren, dass sie ihre Ip-Adressen mit weiteren Daten an Google senden. Ich finde ähnlich wie Tim Berners-Lee, dass ich gerne Herr meiner Daten wäre. Sind schließlich meine und nicht Googles Daten.
Stimmt, das ist beunruhigend. Aber bei weitem nicht so beunruhigend wie die Allmacht Googles. Das steht in keinem Vergleich. Denn: Hier geht es nur um einen kleinen Bereich in Deutschland, bei Google wird gleich das gesamte Privatleben weltweit erfasst, zugespitzt. Bis hin zu DNA-Analysen, die Google in den USA für 1.000 US-Dollar anbietet… das finde ich weitaus bedenklicher/kritischer.
Fazit: Google mag derzeit noch lieb und nett sein und tatsächlich auch gute Dienste anbieten und sauber mit unseren Daten umgehen. Aber wer garantiert mir, dass sie das auch in 5 Jahren tun? Keiner. Und weil es keiner wissen kann, vertraue ich besser nicht einem Unternehmen all meine privaten und auch beruflichen Daten an, sondern streue sie lieber auf mehrere Anbieter.
Kaum einer von uns würde sich wohl fühlen, in einem Supermarkt Lebensmittel zu kaufen, seine Krankendaten abzulegen, sein Konto zu führen und in der Ecke neben zahlreichen Fotos auch noch Briefe und Tagebuch zu schreiben. Nein, wir fühlen uns bestimmt wohler, wenn Aldi, Arzt, Bank und Privatleben weiterhin getrennt bleiben. Bei Google aber hat da keiner bedenken… DAS finde ich am Bedenklichsten.