Die Weltgeschichte ist auch die Summe dessen, was hätte verhindert werden können. Das erkannte schon Deutschlands erster Bundeskanzler Konrad Adenauer. Bezogen auf die nuklearen Katastrophen dieser Welt, hieße das: Tschernobyl hätte verhindert werden können. Fukushima hätte verhindert werden können. Und wer weiß schon, welche zukünftigen Katastrophen sich mit der Bereitschaft zum sofortigen Handeln noch verhindern ließen?
Doch das scheinen die, die sich selbst als die „großen Acht“ der Welt sehen, noch nicht so ganz begriffen zu haben. Der Konsens des G8-Gipfels in Deauville war ein Appell an die Welt, die Sicherheitsstandards zu erhöhen. Schließlich machen atomar verseuchte Wolken nicht an Landesgrenzen halt. Als Vorbild sollen dabei die Stresstests der Europäischen Union dienen, die noch in diesem Jahr durchgeführt werden sollen. Doch die Stresstests der EU sollten niemandem als Vorlage dienen, muten sie doch selbst eher als eine Farce, denn als eine ernst gemeinte Sicherheitsüberprüfung an.
Verantwortlich für die Überprüfungen sind die Kraftwerkbetreiber selbst – erst das Ergebnis wird von einer unabhängigen Kommission begutachtet. Dass sich dabei Sicherheitsmängel und unbefriedigende Ergebnisse leicht vertuschen lassen, ist logisch. Werden Sicherheitsmängel bekannt, empfiehlt die Kommission das Kraftwerk nachzurüsten oder abzuschalten – eine Verpflichtung dazu gibt es nicht.
Überprüft werden mögliche Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Überschwemmungen. Selbst EU-Kommissar Günther Oettinger kritisiert, dass die Folgen von Terrorangriffen von den Tests ausgeschlossen bleiben. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Angriffs mag nicht besonders hoch sein, aber sie sind doch Teil eines möglichen Katastrophenszenarios. Dabei muss bedacht werden, dass ein Angriff auf ein Atomkraftwerk weitaus schlimmer wäre, als beispielsweise der vielbeschworene 11. September: Es wäre nicht die Gesundheit von Tausenden, sondern von Millionen Bürgern bedroht.
Frankreich nutzt die Gunst der Stunde darauf hinzuweisen, dass beim Bau und der Wartung von Atomkraftwerken vor allem auf Qualität und nicht auf den billigsten Preis gesetzt werden sollte. Damit spielt es sich und seiner relativ teuren Atomtechnologieindustrie selbst in die Tasche. Mit solchen Manövern verlieren die Appelle der G8-Staaten international an Glaubwürdigkeit.
Eine lockere Diskussion auf dem G8-Gipfel ohne verbindliche Konsequenzen ist nicht viel mehr Wert als ein netter Plausch unter Nachbarn, die beschließen, dass sich doch irgendjemand demnächst Mal um den gemeinsamen Vorgarten kümmern müsste.
Vielleicht sollte man den nächsten G8-Gipfel von noblen Strandbädern wie Deauville oder Heiligendamm nach Fukushima verlegen, schließlich ist auch Japan Mitglied der großen Acht. Wenn dazu noch ukrainische Pilze zum Abendessen serviert würden, sähe das Sicherheitsdenken der Staatsmänner bestimmt schon ganz anders aus.
noch ein Markus meint
sehr schön geschrieben!
ja, ein von den eigenen Betreiber durchgeführter Stresstest, hahaha!
das ist natürlich albern.
zudem sollte man nebenbei bedenken, dass das Unglück von Tschernobyl auch aus einem Stresstest resultierte, wenn ich mich da recht erinnere.
ich persönlich finde die deutschen Bestrebungen ohne Atomkraft auszukommen ja sehr löblich, allerdings auch albern, solange der Herr Sarkozy ankündigt nicht ohne Atomstrom leben zu können und Investitionen von 1 Mrd. Euro in neue Atomtechnik ankündigt.
von den Kraftwerken in Tschechien und dem restlichen Osteuropa mal ganz zu schweigen.
JUICEDaniel meint
Aber soll denn Deutschland nicht aus der Atomenergie aussteigen wollen, nur weil andere Länder nicht mitziehen? In erster Linie ist man doch für das eigene Land und die eigene Bevölkerung verantwortlich, oder?
Beatrice meint
@Markus: Die EU-Stresstests finden nur auf dem Papier statt. Dass heißt, der Ernstfall wird noch nicht einmal real „geprobt“. Da kann man sich natürlich einiges noch schön reden. Im Hinblick auf Tschernobyl ist es aber vielleicht besser so ?!
Natürlich bringt es global gedacht nicht viel, wenn nur einzelne Länder aussteigen. Die Schweiz will zum Beispiel aussteigen, plant aber die Stromversorgung mit importierten Strom aus Frankreich zu decken. Da es sich dabei wahrscheinlich um Atomstrom handeln wird, ist das natürlich paradox.
Aber ich finde, selbst wenn es nur wenige Länder sind die aussteigen, hat es doch einen Sinn. Es ist wenigstens ein Anfang. Es wäre ja auch nicht logisch zu sagen: Warum sollen wir eine Demokratie werden, alle um uns herum sind doch noch Diktaturen….
noch ein Markus meint
@Daniel:
neenee, so meine ich das nicht, der Atomausstieg ist schon gut so.
aber da sich Strahlung halt nicht an Landesgrenzen hält hätte ich eine europaweite Lösung sinnvoller gefunden. wenn ein Unglück geschieht ist zum Beispiel den Baden-Würtenbergern denke ich ganz egal ob Sie jetzt von einem deutschen oder französischem Kraftwerk verstrahlt werden. oder bei den Bayern ob die Gefahr von Isar I + II ausgeht oder von Temelin aus Tschechien.
so meinte ich das. wobei der Gedanke an diese Gefahr scheinbar wieder rein deutsch ist, irgendwie habe ich noch von keinen Anti-Kernkraft-Demonstrationen aus Frankreich oder Tschechien gehört…
@Beatrice:
siehst du, so ein Beispiel wie du bringst mit der Schweiz, so etwas meine ich.
und wenn man den Stromkonzernen glauben will wird so etwas ja im Winter auch in D nötig sein…
wobei die Schweizer doch eigentlich beste Voraussetzungen hätten um einen Großteil ihrer Elektrizität aus Wasser zu gewinnen?
JUICEDaniel meint
@ Markus: Klar halten sich die Strahlen nicht an Landesgrenzen. Ich verstehe deinen Gedanken schon. Nur bringt der uns (in Deutschland wohnende) nicht weiter, also müssen wir eben das machen, was wir können: vor der eigenen Haustür kehren. (Eine europaweite Lösung wäre genauso wie ewiger Weltfrieden keine schlechte Sache, ja. Nur leider so richtig schwer zu realisieren.)
Es wäre aber in der Tat interessant, herauszufinden, warum ausgerechnet die Deutschen bei Atomenergie so krass abgehen und von den meisten anderen europäischen Staaten da nichts kommt. Ich habe mal in einer Studie gelesen, dass die meisten Journalisten in Deutschland die Grünen wählen (würden) / den Grünen nahestehen. Dementsprechend ist sicher auch die Berichterstattung in den Medien. Und das hat sicher auch keinen zu unterschätzenden Einfluss auf die bundesweiten Debatten und Meinungsbildung.
@ Beatrice: Schönes Beispiel mit Schweiz und Frankreich. Das ist in der Tat paradox.