Datenjournalismus ist derzeit in aller Munde, die Medien entdecken dieses Metier gerade für sich. Große Datensätze grafisch ansprechend und verständlich darstellen – voilá, fertig ist der Datenjournalismus.
Ganz so einfach ist es in der Praxis natürlich nicht, doch brauchbare Datensätze sind das A und O für anschauliche Infografiken. Aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten im Web werden diese immer anschaulicher und interaktiver. Ein gelungenes Beispiel dafür sind die auf Zeit Online visualisierten Vorratsdaten von Grünenpolitiker Malte Spitz:
„Sechs Monate seiner Vorratsdaten hat der Grünenpolitiker Malte Spitz von der Telekom eingeklagt und ZEIT ONLINE zur Verfügung gestellt. Auf Basis dieser Daten können Sie all seine Bewegungen dieser Zeit nachvollziehen. Die Geodaten haben wir zusätzlich mit frei im Netz verfügbaren Informationen aus dem Leben des Abgeordneten (Twitter, Blogeinträge und Webseiten) verknüpft.“
Die zunächst unscheinbare Infografik zeigt bei Klick auf den Play-Button den genauen Aufenthaltsort von Spitz im Zeitraum August 2009 bis Februar 2010 auf einer beweglichen Google-Karte – inklusive Informationen über Anzahl an Telefonaten, SMS und der Onlinedauer.
Die Vorratsdatenspeicherung ist in Deutschland zwar mittlerweile wieder abgeschafft worden1, doch das Thema ist noch nicht endgültig vom Tisch. Umso wichtiger ist daher die Visualisierung auf Zeit Online, welche die Ausmaße der Überwachung eindrucksvoll verdeutlicht. Kai Biermann schreibt im dazugehörigen Artikel „Was Vorratsdaten über uns verraten“:
„Das Profil enthüllt, wann Malte Spitz durch Straßen läuft, wann er Bahn fährt, wann er fliegt. Es zeigt, in welchen Städten und an welchen Orten er sich aufhält. Es zeigt, zu welchen Zeiten er arbeitet und zu welchen er schläft, wann man ihn am besten erreichen kann und wann eher nicht. Es zeigt, wann er lieber telefoniert und wann er lieber eine SMS verschickt und es zeigt, in welchem Biergarten er gerne sitzt. Es zeigt ein Leben.“
Das Leben Malte Spitz‘ und die detaillierte Überwachung durch die Vorratsdatenspeicherung würde sich mit dem bloßen Datensatz nicht besonders gut veranschaulichen lassen. 35.831 Zeilen umfasst die von Zeit Online zur Verfügung gestellte Tabelle, auf der die interaktive Karte basiert. Beim alleinigen Betrachten der Tabelle dürften die Ausmaße der Datenspeicherung dem normalen Leser herzlich wenig sagen. Doch mithilfe der interaktiven Grafik fällt es nicht schwer, Kai Biermanns Fazit nachzuvollziehen:
„Sechs Monate – so lange sollen nach dem Willen deutscher Politiker Vorratsdaten gespeichert werden. Sechs Monate – das ist auch der Zeitraum, den uns Spitz zur Verfügung gestellt hat. Er genügt völlig, um zu erkennen, dass keine Geheimnisse mehr bleiben.“
Damit sind nicht nur Aufenthaltsort und berufliche Kommunikation gemeint. Mit den ebenfalls gespeicherten Telefon- und Handynummern wäre auch Spitz‘ Privatleben detailliert nachverfolgbar:
Denn nicht nur ein Bewegungsprofil lässt sich aus Vorratsdaten erstellen, sondern auch eines der menschlichen Beziehungen. Vorratsdaten zeigen, wer Freund ist und wer Familie, sie bringen geheime Liebschaften ebenso ans Licht wie verborgene Netzwerke.
- Das deutsche Bundesverfassungsgericht erklärte die deutschen Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung mit Urteil vom 2. März 2010 für verfassungswidrig und nichtig. Das Urteil verpflichtete deutsche Telekommunikationsanbieter zur sofortigen Löschung der bis dahin gesammelten Daten. Quelle: Wikipedia ↵
Dick meint
Interessant! Ein brisantes und extrem wichtiges Thema.