Kurz vor den Oscar-Nominierungen 2014 sieht sich Regisseur Woody Allen erneut den Missbrauchsvorwürfen seiner Adoptivtochter Dylan Farrow ausgesetzt. In der öffentlichen Diskussion sollte es um mehr gehen, als um Recht oder Unrecht der Anschuldigungen – nämlich darum, warum Hollywood seit 1992 so tut, als sei nichts geschehen.

(Bild: David Shankbone, CC BY 2.0)
Stell dir eine Welt vor, die den Peiniger eines siebenjährigen Mädchens feiert – so schreibt Woody Allens Adoptivtochter Dylan Farrow vergangenen Samstag, 1. Februar, in einem offenen Brief, in dem sie dem Regisseur und vierfachen Oscar-Preisträger vorwirft, sie 1992 als Siebenjährige sexuell missbraucht zu haben. In dem Brief wendet sich die heute 28- Jährige direkt an Allens Fans und an jene Hollywood Schauspieler, die trotz der seit 1992 bekannten Vorwürfe unbekümmert mit Allen zusammenarbeiten.
Als Außenstehender die Vorwürfe zu beurteilen ist schwierig. Das Thema als „Familienangelegenheit“ beiseite zu wischen, wie Schauspieler Alec Baldwin es in einem Twitter-Kommentar tat, ist schlichtweg falsch und gefährlich. Kindesmissbrauch ist keine private Familienangelegenheit. Missbrauchsvorwürfe sind ernst zu nehmen, auch wenn es sich bei dem Beschuldigten um eine angesehene Person handelt. Erfolg, Genie, Macht und Künstlertum dürfen nicht als Freifahrtschein für asoziales, amoralisches und kriminelles Verhalten dienen. In Hollywood aber scheint man schnell mal über den einen oder anderen Skandal hinwegsehen zu können. Da wäre zum Beispiel der Regisseur Roman Polanski, der 1977 für „außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen“ verurteilt wurde. Polanski hatte 1977 ein 13-jähriges Mädchen mit Schlafmitteln betäubt und vergewaltigt. Nach seiner Verurteilung setzte er sich ins Ausland ab, drehte munter weiter Filme, sahnte einen Preis nach dem anderen ab und ist selbst heute auf Filmfestspielen ein gern gesehener Gast. Einen Kindesvergewaltiger in einem hohen Posten würde ich in meiner alltäglichen Umgebung als unerträglich empfinden. Wieso akzeptieren wir also etwas grundlegend Falsches, nur weil es in Hollywood stattfindet?
„Gesellschaft lässt Opfer im Stich“
Fest steht: Falsche Missbrauchsvorwürfe können Leben zerstören. Deshalb dürfen Vorwürfe auch hinterfragt werden. Wenn ich mir jedoch Woody Allens Familiengeschichte so ansehe, ist mir sein Verhalten von vorneherein nicht ganz koscher. Was ist das für ein Mann, der 1992 eine Affäre mit der Adoptivtochter seiner Freundin Mia Farrow beginnt, der damals 19-jährigen Soon-Yi Previn? Einem Mädchen, dass er seit ihrem 11. Lebensjahr in seinem Hause aufwachsen sah? Das er anschließend heiratete und mit ihr zwei weitere Töchter adoptierte, nachdem ihm das Gericht eine „schwerwiegende Unzulänglichkeit“ in Sachen Elternschaft attestiert hatte? Wieso akzeptiert Hollywood diese Beziehung, in die das blutjunge ehemalige vietnamesische Straßenkind Soon-Yi doch offensichtlich durch ein Abhängigkeitsverhältnis hineingeraten ist? Ganz ehrlich, wäre das in meiner Nachbarschaft geschehen, ich wäre schockiert und würde mich abwenden.
In letzter Zeit stoßen mir immer wieder Fälle auf, in denen Prominente wegen Sexualvergehen zwar rechtlich verurteilt, von der Gesellschaft aber weiter geliebt werden, als sei nichts geschehen. Da wäre FC Bayern München-Spieler Franck Ribéry, der sich zum Geburtstag eine 17-jährige Prostituierte gönnte, da wäre der israelische Sänger Eyal Golan, der sexuelle Beziehungen mit 15-jährigen Fans pflegte, die von seinem Vater rekrutiert und mit Geld und Drogen gefügig gemacht wurden. Dylan Farrow schreibt in ihrem Brief über Woody Allen: „Woody Allen ist der lebende Beweis dafür, wie die Gesellschaft die Opfer von sexuellem Missbrauch im Stich lässt.“ Kollegen und Öffentlichkeit dürfen nicht über Sexualvergehen von Prominenten hinwegsehen, auch wenn es sich um noch so große Künstler handelt. Denn ich möchte nicht in einer Welt leben, in der die Peiniger von kleinen Mädchen im Fernsehen gefeiert werden.
Ich finde es ganz schwer, in einem solchen Fall zu urteilen. Ich stimme dir natürlich voll zu, dass Kindesmissbrauch ein verabscheuungswürdiges Verbrechen ist. Aber nur, wenn die Tat auch wirklich zu 100 Prozent bewiesen ist. Und das ist sie im Fall Woody Allen, so viel ich weiß, nicht. Auch Franck Ribery ist kürzlich freigesprochen worden.
Ich will damit keinesfalls Kindesmissbrauch bagatellisieren, aber wir haben die Unschuldsvermutung nicht ohne Grund. Dieser Text auf Spiegel Online zeigt doch, wie undurchsichtig so ein Fall sein kann. Das sind psychisch kranke Leute, deren Realität komplett verschoben ist. Vielleicht war sie es vor der Filmkarriere schon, vielleicht haben Geld und Ruhm sie erst zu diesen sozialen Pflegefällen gemacht. Fakt ist: Moralische Werte scheinen da keine Rolle mehr zu spielen, und ich will nicht beurteilen, ob die verletzte und gedemütigte Ex-Frau da nicht irgendwann auf die fixe Idee gekommen ist, ihrem Mann eins reinzuwürgen. Kinder sind leicht manipulierbar und ein hervorragendes Werkzeug für einen solchen Racheplan. Frau Farrow wäre damit ganz sicher nicht die erste.
Keine Frage: In dieser Familie ist richtig viel schief gelaufen, und ich würde Woody Allen auch definitiv nicht meine Kinder anvertrauen. Aber vom schlechten Vater und Vollidioten bis hin zum Kinderschänder ist es noch ein kleiner aber entscheidender Schritt.
Du hast Recht, es ist nicht bewiesen, dass Woody Allen seine Adoptivtochter missbraucht hat und ich möchte mir auch kein Urteil dazu erlauben. Wir waren schließlich alle nicht dabei, sind keine Psychologen, kennen die Betroffenen nicht einmal persönlich und können es daher auch nicht mit Sicherheit wissen. Zudem scheinen die ganzen Familienverhältnisse ein bisschen crazy zu sein, wie du auch erwähnst.
Ich habe in meinem Artikel kurz angeschnitten, dass falsche Missbrauchsvorwürfe Leben und Karrieren zerstören können. Es ist möglich, dass Mia Farrow die Kinder manipuliert hat um sich an Woody Allen zu rächen, wie Allen argumentiert. Ich habe diese Möglichkeit nicht weiter ausgeführt, da es mir in diesem Kommentar vor allem um etwas anderes geht:
Die gesellschaftliche Toleranz (oder das kurze Gedächtnis?) in Fällen von sexuellen Übergriffen von Prominenten auf Minderjährige
Ribéry wurde zwar freigesprochen, aber nicht weil er unschuldig ist, sondern weil ihm nicht nachgewiesen werden konnte, dass er von dem minderjährigen Alter der Prostituierten wusste. Wieso kommt er mit einer solchen dummen Ausrede wie „ich wusste ja nicht…“ durch? Und wieso echauffiert sich niemand über sein Verhalten? Natürlich wäre der Missbrauch einer Siebenjährigen nochmal ein ganz anderes Kaliber und kann damit nicht verglichen werden. Akzeptiert die Gesellschaft aber solche Verhaltensweisen und Ausreden als normal werden Grenzen weichgespült und gefährlich nach unten verschoben.
Im Fall von Woody Allen ist es ja nicht nur so, dass er seine Freundin für eine Jüngere verlassen hat und deshalb ein Arschloch ist. Sondern: Er hat seine Familie inklusive Adoptivkinder und leiblichen Sohn (oder ist er doch Frank Sinatras Sohn?) mal eben für eine neue Familie mit neuen Adoptivkinder eingetauscht. Für die alten Kinder ging damit das komplette Weltbild kaputt, weil die Schwester plötzlich die Stief-Mutter und sie austauschbar waren.. Aber wie auch immer, das eigentlich Problem ist das folgende: Soon-Yi hat zwar gesagt, dass sie Woody Allen nie als Vaterfigur gesehen hat, aber ich finde es alles andere als normal als 57-Jähriger mit einer gerade so dem Teenager-Alter entsprungenen Person zusammen zu kommen, die man hat im eigenen Hause aufwachsen sehen. Man kann das ganze mit ein bisschen Lolita-Gehabe und dem wilden Privatleben eines Hollywood-Stars abtun, aber für mich beginnt schon hier ein Problem: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Soon-Yi, die als Straßenkind in Vietnam aufwuchs und ein Adoptivkind ist in dem jungen Alter von 20/21 Jahren die geistige Reife und persönliche Unabhängigkeit besitzt um eine gleichberechtigte Beziehung mit einem 35 Jahre älteren Hollywood-Star einzugehen. Diese Beziehung baut auf einem so starken Machtgefälle auf, dass es für mich sehr laut nach ungesundem Feudalismus schreit.
Und im Bezug auf Dylan Farrow: Solange nichts bewiesen ist, sollte natürlich „Im Zweifel für den Angeklagten“ gelten. Das Thema aber einfach tot zu schweigen, kann aber nur der falsche Weg sein. Die anderen Schauspieler wollen natürlich ihre Karrieren vorantreiben und sich aus der Sache raushalten. Aber was, wenn die Vorwürfe doch stimmen und wir alle einen Pädophilen feiern? Schade, dass die Sache nicht schon 1992 endgültig aufgeklärt werden konnte.
Hallo liebe Bea, und danke an @JUICEdaniel (twitter) für deine Empfehlung!
ich stimme dir so zu. Ich bin echt froh, dass es Leute gibt, denen solche Fälle nicht „scheiss egal sind“ bzw. den gesunden Menschenverstand einschalten. Ich finde es auch durchaus merkwürdig, dass ein reifer alter Mann sich in ein minderjähriges Kind „verliebt“. Wegen lolita gehabe, nehmen wir mal an -was eigentlich sehr traurig wäre, weil wir wissen, dass Soon-Yi ein sehr trauriges Leben hatte- sie hätte sozusagen „mit ihren Reizen gespielt“, das entschuldigt nicht Allens verhalten. AUF KEINER WEISE. Ein Vater ist dafür da dem Kind Grenzen aufzuzeigen, ihn zu lieben. AURICHTIG zu lieben. Es kann einfach nicht „NORMAL“ sein, dass ein 57J. Mann sich in ein Teenager verliebt. Das schreit in mir nach: FALSCH. Das Mädchen tut mir leid, sie konnte nichts in ihrem Leben lernen und wurde von Allen in Besitz genommen…
ey die Geschichte regt mich auf…ich hasse Ungerechtigkeit….
twitter: XochBX
ja HOLLYWOOD…..Diese kapitalistische Firma interessiert nur eines: das Geld. Warum sich um etwas kümmern, wenn das doch „nichts mit Hollywood zu tun hat und privat ist“. Schließlich ist das Wichtigste eh das Geld. FALSCH. Menschlichkeit ist wichtiger als Geld. Leider verstehen das Einige nicht….
Schmutzige Wäsche an der öffentlichkeit Waschen ist aber ein Schuss, der ganz schnell nach hinten losgehen kann. Letztlich wird die Gesellschaft immer über die Leute urteilen, und davon lebt sogar die ganze Skandalpresse: Oh, guck mal, die Promis haben auch ihre Leiche im Schrank! Na, da bin ja selbst ich besser.
Wenn es da wirklich etwas gab, wird dem hoffentlich ein Gericht nachgehen.