Wasser ist für viele von uns das selbstverständlichste auf der Welt. Wozu brauchen wir dann einen Weltwassertag, der sich genau heute zum 20. Mal jährt? Dieses Mal könnte der Tag tatsächlich ein wichtiges Signal setzen. Denn niemand geringeres als die Europäische Union bedroht derzeit die Qualität unseres Leitungswassers.

Was habe ich heute schon an Wasser verbraucht: Zum Duschen, zum Tee kochen, zum Abspülen, zum Zähne putzen, zum Klospülen, zum Händewaschen. Sogar zum Trinken benutze ich das Leitungswasser, was Beleg genug für die hohe Qualität unseres Wassers ist. Nahezu überall in Deutschland ist das Leitungswasser trinkbar – ein Luxus, an den wir uns schon allzu sehr gewöhnt haben. Wasser ist (bei mir) wie das Internet: Ohne geht (nahezu) gar nichts.
EU-Volksbegehren: Wasser ist ein Menschenrecht
Verständlich also, dass ausgerechnet ein EU-Volksbegehren zum Thema Wasser erstmals in der Geschichte die nötige Anzahl an Unterschriften erhalten: Rund 1,3 Millionen Menschen unterzeichneten bisher die Petition „Wasser ist ein Menschenrecht – Right 2 Water“, die sich gegen die Neuregelung zur Wasserversorgung (auch „Konzessionsrichtlinie“1 genannt) von EU-Kommissar Michel Barnier richtet. Der jedoch betont immer wieder, dass es nicht um eine Privatisierung der Wasserversorgung geht, auch wenn das viele EU-Bürger befürchten.
Die EU wolle mit ihrer Richtlinie stattdessen für mehr Wettbewerb auf dem Wassermarkt sorgen, heißt es aus Brüssel. Bisher waren die Kommunen für die Wasserversorgung zuständig. Diese sollen künftig unter bestimmten Bedingungen dazu verpflichtet werden, ihre Dienstleistung öffentlich und europaweit auszuschreiben. Und zwar dann, wenn kommunale Stadtwerke neben Wasser auch noch Strom und Gas anbieten oder das Wasser auch außerhalb der eigenen Kommune anbieten. Die Idee dahinter: Mehr Freiraum für private Unternehmen kurbelt den Wettbewerb an. Dadurch entstehen billigere und bessere Produkte, der Markt und die Beschäftigung wachsen. Dieser Grundgedanke der Liberalisierung der Märkte kann die EU auch mit Beispielen und Zahlen belegen. Doch die Frage ist, ob für den Wassermarkt das gleiche gilt wie für die Bundespost oder den öffentlichen Fernverkehr.

Viele deutsche Bürger befürchten nun, dass die neue Regelung zur Privatisierung der Wasserversorgung und damit zu Qualitätsverlusten führen würde, wie es zum Beispiel in London der Fall ist: Dort wurde das Wasser vor 13 Jahren privatisiert. Seitdem sind die Preise gestiegen, während die Wasserunternehmen weiter sparen – zum Beispiel bei Reparaturen von Rohrbrüchen. Ein anderes Beispiel ist Portugal, wo der Wasserpreis nach der Privatisierung um 400 Prozent anstieg. Auch Frankreich hat schon seine Erfahrungen mit der Wasserprivatisierung gesammelt. Dort stieg in vielen Städten der Preis, während die Qualität nachließ – private Unternehmen müssen schließlich Gewinn machen. Wenn die Behörden es dann noch mit der Kontrolle nicht so genau nehmen, geht das schnell zu Lasten der Kunden. In Paris beispielsweise wurde die Wasserprivatisierung wieder rückgängig gemacht.
Die Befürchtung, die EU-Konzession2 würde zur Privatisierung des Wassermarktes führen, weist der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier entschieden zurück. Die Richtlinie habe nicht die Privatisierung zum Ziel. „Aber das Problem ist, dass die Richtlinie die öffentliche Erbringung von Wasser erschwert“, kritisiert die grüne Europaabgeordnete Heide Rühle. Der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab hingegen zeigt sich weniger kritisch. Problematisch seien seiner Meinung nach nur die Stadtwerke, die gleichzeitig mehrere Sparten bedienen, da es dort Sparten gebe, die privatisiert und liberalisiert seien: „Energie und Strom können die Bürger bei dem Anbieter wählen, der am günstigsten ist.“ Die CSU befürchtet vor allem, dass Wasser zur reinen Handelsware verkommen könnte. „Wir wollen keinen Basar für unser wichtigstes Grundnahrungsmittel, das Wasser. In Deutschland haben wir die höchsten Qualitätsstandards für Trinkwasser weltweit. Wir müssen nicht ausländischen Großunternehmen den Markt öffnen, um ihnen mehr Rendite zu verschaffen“, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Dr. Georg Nüßlein.
„Was die Kommission mit dem Gesetz (angeblich) beabsichtigen will, interessiert mich hier viel weniger als das, was das Gesetz später faktisch möglich macht.“
Wer gegen eine Öffnung des Wassermarktes ist, kann sich noch bis September an der Europäischen Bürgerinitiative „Right 2 Water“ beteiligen. Ziel der Initiative ist es, bis dahin zwei Millionen Unterschriften zu sammeln. Anschließend will die Initiative die EU-Kommission auffordern, das umstrittene Gesetzesvorhaben zu stoppen.
Wasserprivatisierung Marsch?
Wer noch unschlüssig ist und sich vorab ausführlicher informieren möchte, dem sei die MONITOR-Sendung „Geheimoperation Wasser: Wie die EU-Kommission Wasser zur Handelsware machen will“ (11 Minuten, WDR) ans Herz gelegt. Aus meiner Sicht ist es der nach wie vor beste Beitrag zu diesem komplexen und wichtigen Thema. Vergangene Woche veröffentlichte MONITOR einen weiteren Beitrag, der insbesondere die CDU kritisch unter die Lupe nahm: „Wasserprivatisierung Marsch! – Wie EU und Bundesregierung Politik für Großkonzerne betreiben“ (14 Minuten). Einen ersten vermeintlichen Teilerfolg durch das EU-Volksbegehren wird darin klar zurückgewiesen.
Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir an dem Thema dran bleiben und Freunde, Verwandte und Arbeitskollegen darauf aufmerksam machen. Denn Wasser geht uns alle etwas an.
Im Klartext: Wasser ist für uns unverzichtbar. Sollten also Konzerne wie Nestlé (die nur darauf warten, endlich auf den Wassermarkt zu dürfen) jemals die Macht über das Wasser bekommen, würden wir uns in eine gefährliche Abhängigkeit begeben. Zu unserer eigenen Sicherheit und Freiheit: Wasser darf nicht zur Handelsware werden – und sollte daher besser nicht in die Hände profitorientierter Unternehmen fallen. Denn eines ist klar: Wer das Wasser beherrscht, könnte schnell zum mächtigsten Unternehmen der Welt werden. Und dann sind Pferdefleischskandal, Netzneutralität und Leistungsschutzrecht wahrlich die kleineren Probleme.
Empfehlenswerte Links
- Europäischer Wassermarkt: Privatisierung mit Wenn und Aber (24.01.2013, taz.de)
- Eine Million Bürger gegen private Wasserversorgung (11.02.2013, Tagesschau.de)
- EU-Richtlinie: Warum versucht die EU, Wasser zu privatisieren? (14.02.2013, Zeit.de)
- Privatisierung: Die Wasserlüge (21.02.2013, Zeit.de)
- EU und Deutschland streiten sich ums Wasser (01.03.2013, Tagesschau.de)
- Deutsche UNESCO-Kommission: Weltwassertag
Ban Ki-moon (Generalsekretär der UN): „Water is life“
Right 2 Water: Water is a Human right
- In voller Länge auch „Dienstleistungskonzessionsrichtlinie“ genannt – aus meiner Sicht definitiv ein würdiger Anwärter für das Unwort des Jahres ↵
- Unter einer Konzession versteht man „die Verleihung eines Nutzungsrechts an einer öffentlichen Sache durch die zuständige staatliche oder kommunale Behörde“ oder „die Übertragung einer staatlichen oder kommunalen Aufgabe an Personen des privaten Rechts“ (Wikipedia) ↵
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