Exakt 40 Tage ist es nun her, seitdem ich Twitter nutze. Mittlerweile blicke ich auf 78 Follower und 165 Tweets zurück, was pro Tag rund zwei Follower und vier Tweets sind. 216 Twitter-Accounts fand ich des Folgens lohnenswert, wobei der Mehr-wert vorerst einmal dahingestellt sei. Spammer, inaktive Accounts und PR-Verteiler mindern den Wert der Twitterer in meinen Augen ziemlich stark, doch es bleibt mehr als genug Brauchbares übrig, wie ich finde. Warum ich als einstiger Twitter-GegnerKritiker überhaupt auf dieses Social Media-Tool zurückgreife?
Um meinen geistigen Horizont zu erweitern und potentielle Vorurteile abzubauen.
Als Ziel habe ich mir vor 40 Tagen gesetzt, am heutigen Tag drei Fragen zu beantworten:
- Hat es tatsächlich so ein hohes Suchtpotential? Wenn ja, wie gehe ich damit um?
- Hilft es mir bei der täglichen Recherche; finde ich schneller, was ich suche?
- Spart oder raubt es Zeit?
Der Ausgang der Fragen soll über meinen Verbleib bei Twitter entscheiden. Grund genug für eine praxisnahe Analyse.
1. Auf mich hatte Twitter überraschendererfreulicherweise absolut gar kein Suchtpotential, große Entwarnung. Da ich normalerweise keine halben Sachen mag und alles intensiv nutze (Notebook, Blog, Kamera, Schokomüsli etc.), spielt der Suchtfaktor für mich eine große Rolle. Zeiträuber kann ich beim besten Willen nicht gebrauchen.
Doch bei Twitter habe ich nie das Gefühl gehabt, etwas zu verpassen (im positiven Sinne!) oder unbedingt noch etwas tweeten zu müssen. Irgendwoher hängt mir noch der Spruch in meinem Kopf, dass Twitter wie ein „konstanter Strom/Fluss an Nachrichten“ sei, in den ich bei Bedarf/Interesse einsteigen und jederzeit wieder aussteigen könne. Tatsächlich: Die Strömung ist nicht (mehr?) stark genug, mich vom Aussteigen zu hindern.
2. Durch Twitter bin ich schon recht früh auf zwei Themen aufmerksam geworden, die ich letztendlich sogar gebloggt habe. Einmal The LXD: Legion of Extraordinary Dancers und ein anderes Mal Sehenswert: Dan Le Sac vs Scroobius Pip: Get Better, beide von Johannes Kleske. Damit hat Twitter ziemlich schnell seinen Mehr-wert zwecks Themenfindung bewiesen.
Das Entscheidende dabei ist, den richtigen Leuten zu folgen. In 40 weiteren Tagen dürfte meine Liste derer, denen ich folge, vermutlich schon ganz anders aussehen. Inaktive Accounts fliegen ebenso wie Spammer und sinnlose PR-Verteiler raus. Doch es dauert eine Weile, die „guten“ von den „schlechten“ Accounts zu unterscheiden. Gut Ding will Weile haben.
Weniger gut eignet sich Twitter meiner Meinung nach zur Recherche: Zum einen, weil die Suche im doppelten Sinne stark beschränkt ist, zum anderen, weil zu viele Leute zusammenhangslose und unvollständige oder unverständige Tweets raushauen, die unnötige Zeit kosten. Man weiß eben nie, was sich hinter all den bit.lys und j.mps verbirgt. In meinen Augen ein klarer Nachteil gegenüber den traditionellen „WYSIWYG-Suchmaschinen“ wie Bing, Yahoo & Co.
3. Twitter raubt mir weder Zeit noch spare ich durch Twitter Zeit, ist meine für mich überraschende Erkenntnis. Ich verbringe nur 1-20 Minuten pro Tag mit Tweets lesen und schreiben, je nachdem, ob Bayern gerade sensationell den Einzug ins Finale der Champions League schafft oder dergleichen eben nicht passiert. An manchen Tagen interessieren mich die Themen nicht (gefühlte eine Million Tweets zu Facebook langweilen mit der Zeit) und insbesondere bei tollem Frühlingswetter habe ich wahrlich besseres zu tun.
Fazit:
Twitter ist für mich ein nettes Tool, sollte ich mal nach neuen Themen (was bisher eigentlich noch nie vorkam) oder ich zu einem bestimmten Thema nach weiteren Meinungen und Links suchen (was bisher eigentlich auch noch nie vorkam). Ein Tool also, das keiner braucht?
Nicht ganz. Gerade weil es so harmlos (geworden?) ist, finde ich Twitter sehr sympathisch. Es ist unkompliziert, praktisch und vielseitig einsetzbar. Drei große Vorteile gegenüber Facebook & Co.
Doch hier kommt mein fast schon trauriges Fazit dazu: Facebook und Google Buzz machen Twitter meiner Meinung nach trotz aller Flexibilität bezüglich Blogs und Apps im Großen und Ganzen überflüssig, was ich eigentlich schade finde1. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die Zugriffszahlen wieder schrumpfen werden. Ich mag mich täuschen (und hab auch nichts dagegen), doch das ist einmal mehr der springende Punkt: Twitter geht so nach und nach der Mehr-wert, den es für viele niemals hatte, verloren. Denn der Zwitscherdienst kann nichts, was die Konkurrenz nicht auch kann – nur weniger.
ZumNichtsdestotrotz werde ich Twitter weiterhin benutzen, um ab und zu ein paar Minuten im Informationsfluss von Gott und der weiten Welt bis hin zu meinen Freunden zu baden und falls nötig auch mal reinzupinkeln auch mal ein paar Meter mitzuschwimmen.
Zu guter Letzt hier noch meine beiden Vorher-Nachher-Definitionen von Twitter:
Definition Twitter #vorher
„Eine Art öffentliche SMS (Kurznachricht) im Internet, die sich auf 140 Zeichen beschränkt und meistens frei zugänglich/einsehbar ist.
Zielgruppe und Anwender zugleich sind hauptsächlich Privatpersonen, die via Twitter ihre aktuellen Tätigkeiten, Gedanken, Emotionen und Meinungen veröffentlichen bzw. kundtun können.“
Definition Twitter #nachher
„Eine Art öffentlicher RSS-Feedreader mit integrierten Status-Nachrichten und Updates privater Kontakte in der Darstellungsform eines kompakten Newstickers.
Zielgruppe und Anwender sind Privatpersonen zwecks Vernetzung, Journalisten zwecks (Online-)Recherche und Unternehmen sowie Organisationen für deren Informationen, Nachrichten, Pressemitteilungen oder Werbung.“
PS: Den berühmt-berüchtigten Twitter-Whale habe ich in dieser Zeit sogar auch einmal sehen dürfen – und es ganz entspannt aufgenommen:
- Denn Konkurrenz belebt das Geschäft, Vielfalt ist für eine gesunde (Markt-)Wirtschaft unerlässlich. Monopole sind in der Hinsicht nie gut, so bequem sie auch anfangs erscheinen mögen. ↵
eyeIT meint
Twitter ist meiner Meinung nach ein extrem einfaches und effizientes Tool, um Bewegungen, Strömungen zu verfolgen können, egal wofür man sich interessiert. Bei mir ist es vor allem IT, Gadgets und Medien. Ich interessiere mich auch für Politik, da wäre es eigentlich naheliegend, dass ich in diese Richtung einen Versuch wage… mal sehen! :)
Andreas meint
Ich komm echt dazu hier zu lesen + zu kommentieren. (Eigentlich nur, weil ich meine Pflichten vergesse^^).
Zu den bity. und so: Wenn du TweetDeck nutzt kanst du dir das anzeigen lassen, vor dem Klicken
Und ich persönlich glaube nicht, dass Facebbok und Buzz Twitter den gar aus machen. Das kommentieren von Sati und auch die längen dort machen es für den Twitter-Zweck unpassend
Benny meint
Interessanter Artikel. Ebenso spannend zu lesen, wie unterschiedlich die Leute Twitter nutzen. Für mich (und darauf habe ich auch mein Gefolge ausgerichtet) bedeutet Twitter nur Unterhaltung und Spaß. Wortakrobaten und Künstler, Sprücheklopfer und Witzeerzähler (auf sehr hohem Nivau, meistens) geben sich bei mir die Timeline in der Hand. Auch stößt man auf interessante Webseiten oder Videos. Für Nachrichten und um auf dem Laufenden zu bleiben nutze ich immer noch das gute alte RSS.
Zu deinen Problemen mit den Links: Ich weiß, dass du Opera nutzt, vielleicht gibt es da ja was ähnliches. In Chrome gibt’s einen URL Expander, der ersetzt (nicht nur auf Twitter) die bit.ly und Co. Links durch die Originale.
Des Weiteren wirf doch mal einen Blick auf Damit wirst du schnell Herr über die Spammer (welche wirklich nervig sind).
Schon mal auf http://de.favstar.fm/ vorbeigeschaut? Vielleicht gefällt ja jemand anderem auch, was du schreibst und du wusstest es gar nicht. Die Seite zeigt auch immer das Beste der letzten Stunden.
Michael meint
Tolles Review und gutes Fazit! :-)
Ich denke auch, dass Facebook und Buzz Twitter nicht ablösen werden. Twitter hat irgendwas „nerdiges“, was nicht jeder Internet User versteht oder gebrauchen möchte ;-)
Wenn ich bei Bing und Google nicht fündig geworden bin zu einem Thema, schau ich auch bei Twitter, ob jemand etwas dazu gezwitschert hat. Deshalb werden ja neu auch bei gewissen Suchabfragen bereits Tweets eingebunden.
JUICEDaniel meint
Danke für eure kompetenten Kommentare, eine wertvolle Ergänzung und berechtigte Gegenmeinung zu meinem Beitrag.
Was TweetDeck oder diverse URL Expander anbelangt: Externe Dienste nutze ich bisher kaum, lediglich ein Twitter-Widget von Opera (ziemlich simpel, aber übersichtlich) und die Erlaubnis von TweetMeme, sowie ein bit.ly-Account.
Aber bei den anderen habe ich weder TweetDeck noch Seesmic installiert, ich schwanke da noch zwischen mehreren Anbietern (und lasse mir Zeit). Der Online-Service von seesmic finde ich leider nur bedingt tauglich, habe ich mal kurz ausprobiert und wieder sein lassen. Eine nette Twitter.com-Erweiterung, mehr aber auch nicht.
Andreas meint
Gäbt noch ping.fm für die richtigen Junkies (oder Leute, die wie ich es auch mal quasiberuflich [Verein] nutzen)
Dick meint
Schau mal einer an – wer hätte gedacht, dass du deine Meinung über ein Social-Network-Web-2.0-Internet-Software-Tool-Whatever-thingymijig änderst… :-) Interessant zu sehen und zu wissen.
JUICEDaniel meint
Hier noch ein interessanter Artikel, der viele Vorurteile entkräftet:
„Forscher lüften das Twitter-Geheimnis“ (http://www.handelsblatt.com/technologie/it-internet/kurznachrichten-forscher-lueften-das-twitter-geheimnis;2584497;0)