Oder: Wieso das iPad den Journalismus nicht rettet – aber trotzdem weiterhilft.
Zehn Millionen iPads will Apple-CEO Steve Job in diesem Jahr verkaufen. Im ersten Quartal seit der Markteinführung Anfang April in den USA konnte der Mediengigant 3,27 Millionen iPads absetzen – eine beeindruckende Zahl. Nicht nur Fans äußern sich überwiegend begeistert bis hysterisch über den Tablet PC, auch Journalisten und Verleger sehen im iPad den Heilsbringer des scheinbar vom Aussterben bedrohten Journalismus. Doch das iPad ist, kann und darf nicht die Lösung der Medienkrise sein. Und dennoch, das vorab, könnte es den Anstoß eines nötigen Umdenkens und Wandels im Journalismus sein – oder aber die Krise verschlimmern. Nachdem der erste Hype um das iPad abgeflacht ist und die größte Nachfrage der Geeks gesättigt sein sollte, ist fraglich, wie Apple in den nächsten beiden Quartalen erneut jeweils über drei Millionen iPads verkaufen will, um das selbsternannte Ziel von zehn Millionen iPads zu erreichen[1]. Unter dem Weihnachtsbaum dürfte der Tablet PC sicher nochmal ein heiß begehrtes Geschenk sein – doch die große Euphorie, und das bestätigt auch Google Trends, scheint vorbei zu sein.
Google Trends offenbart den medialen Hype um das iPad
Google Trends, die abgespeckte Version von Google Insights for Search, ist ein Dienst, der zeigt, wie oft Nutzer nach bestimmten Begriffen suchen. Darum eignet es sich hervorragend, um das Bedürfnis und Interesse der Nutzer an bestimmten Produkten und Dienstleistungen anhand der Resultate zu erkennen. Auf das iPad bezogen bedeutet das: Die höchste bislang gemessene Suchanfrage nach „iPad“ war am 28. Januar 2010 – als Apple das iPad offiziell ankündigte. Danach ebbte das Interesse schnell wieder ab, ehe die Nutzer am Tag der Veröffentlichung in den USA im April 2010 erneut verstärkt nach „iPad“ suchten. Die Anfrage nach Twitter, iPhone, Windows oder Facebook (letzteres mit gigantischem Abstand) ist seit Monaten konstant höher[2], lediglich Anfragen wie Google Buzz oder Macbook oder kann Apples Tablet PC übertrumpfen. Mit Google Betriebssystem für mobile Kleincomputer Android liegt das iPad sowohl in Deutschland[3] als auch weltweit[4] gleichauf – auch, was die Erwähnung in den Medien anbelangt. Dort berichtet man Google Trends zufolge lieber über das iPhone oder Facebook als dem iPad. Die Suchanfragen in Deutschland nach iPhone 4 und Windows 7 sind derzeit höher als nach iPad – obwohl die Medien aktuell öfter über den Tablet PC berichten[5]. Weltweit suchen die Nutzer öfter nach „iPod“ als „iPad“ – was bei den allein im vergangenen dritten Geschäftsquartal nahezu dreimal so hohen Verkaufszahlen des Musikplayers nicht weiter verwunderlich ist.
Apples drittes Geschäftsquartal kann überzeugen – trotz iPad?
15,7 Milliarden US-Dollar Umsatz, 3,25 Milliarden US-Dollar Gewinn – das dritte Geschäftsquartal von Apple kann sich wahrlich sehen lassen. 61 Prozent Umsatzsteigerung und ein 78 Prozent höherer Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahr sprechen eine klare Sprache: Apple ist auf Erfolgskurs. Der Grund dafür ist jedoch nicht die Einführung des iPads, sondern der Verkaufsstart des iPhone 4. Apple verkaufte im vergangenen Quartal insgesamt 8,4 Millionen iPhones, eine Steigerung von 61 Prozent. Dagegen wirken die 3,27 Millionen verkaufter iPads eher wenig – sogar die teuren Macs verkauften sich mit 3,47 Millionen Exemplaren öfter. Trotz eines Rückgangs um acht Prozent ist der iPod mit 9,42 Millionen Exemplaren nach wie vor das meistverkaufte Produkt Apples. Sollte der angestrebte Absatz von zehn Millionen iPads jedoch gefährdet sein, dürfte Steve Jobs noch rechtzeitig vor Weihnachten den Preis senken. Mit einer Gewinnmarge von rund 50 Prozent hat der Mediengigant aus Cupertino dafür mehr als genug Spielraum[6].
Selbstkreierte Medieneuphorie = Selbsterfüllende Prophezeiung?
Noch vor der Veröffentlichung des iPads kreierten die Medien eine solche Welle der Begeisterung, wie man sie bislang selten erlebte. Höhepunkt war der auf nahezu jeder deutschen Nachrichtenseite zitierte Spruch Mathias Döpfners, Vorstandschef der Axel Springer AG: „And I think every publisher in the world should sit down once a day and pray to thank Steve Jobs that he is saving the publishing industry with that.“[7] (Übersetzt: „Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet.“[8]) Abgesehen davon, dass die meisten Medien das unpopuläre „Beten“ im Zitat weggelassen haben, ist ein weiterer Aspekte bei der Weiterverbreitung untergegangen: Döpfner hat diesen Satz in der amerikanischen TV-Talkshow „Charlie Rose“ gesagt, also aus Sicht eines ausländischen Verlegers. In diesem Kontext ist es sicher das Klügste, was er hätte sagen können – wer will schließlich nicht im Ausland glänzen? Mit dieser griffigen Aussage ist ihm das sowohl bei den amerikanische als auch bei den deutschen Medien gelungen, was nebenbei eine hervorragende Gratis-Werbung für seinen Axel-Springer-Verlag ist – ganz im Stil der ausgeklügelten Marketingstrategie Apples.
[1]http://www.iphone-news.org/2010/01/02/apple-will-2010-10-millionen-tablets-verkaufen-4634/ [2]Google Trends: http://google.com/trends?q=twitter%2C+ipad%2C+facebook%2C+iphone%2C+windows&ctab=0&geo=all&date=ytd&sort=2 [3]http://google.com/trends?q=android%2C+ipad&ctab=0&geo=de&geor=all&date=ytd&sort=2 [4]http://google.com/trends?q=android%2C+ipad&ctab=0&geo=all&geor=all&date=ytd&sort=1 [5]http://google.com/trends?q=iphone+4%2C+ipad%2C+windows+7&ctab=0&geo=de&geor=all&date=ytd&sort=1 [6]http://www.basicthinking.de/blog/2010/04/07/260-dollar-herstellungskosten-apple-sichert-sich-fette-margen-beim-ipad/ [7] [8]http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article7100171/Mit-dem-iPad-beginnt-eine-neue-Aera.html
SERIE: Wieso das iPad den Journalismus nicht rettet – aber trotzdem weiterhilft.
- Teil 1: Google Trends, Apples drittes Geschäftsquartal, Selbstkreierte Medieneuphorie
- Teil 2: Flipboard und RSS-Reader: Paid Content ade? iPad nicht für Lokaljournalismus
- Teil 3: Wozu iPad?, Kritik an Steve Jobs, Dritte Welt Länder und greifbare Printprodukte
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