Oder: Wie „Spiegel Online“ in den Artikeln für Obama und gegen McCain wirbt.
Bereits seit Monaten lese ich begeistert diverse Artikel über den Wahlkampf in den USA. Dort duellieren sich mit Barack Hussein Obama, Jr. und John Sidney McCain III zwei Präsidentschaftskandidaten aus dem demokratischen (Obama) und dem republikanischen (McCain) Lager. Wenn es nach uns Deutschen geht, bräuchte die Präsidentenwahl im November gar nicht stattzufinden. So zumindest gewinnt der Leser von „Spiegel Online“ den Eindruck, wenn er täglich Neues zum Wahlkampf liest. Größtenteils passiert das sehr unterschwellig, oftmals in kaum auffallenden Nebensätzen. Hier ein Beispiel eines Artikels vom 02. September 2008:
Zu ihrer Erleichterung jedoch reagierten die meisten Delegierten sowie die christlich-konservative Parteibasis zunächst mit Verständnis für Palin und ihre Tochter – einem Verständnis, das die Rechten den Demokraten übrigens sonst selten zu Gute kommen lassen.
In diesem Abschnitt erkennt man sehr gut, dass die Republikaner als „Rechte“ dargestellt werden – genauso wie die CDU in Deutschland eher rechtsorientiert und die SPD eher linksorientiert ist. Allerdings kann man Republikaner und Demokraten nicht eins zu eins mit CDU und SPD vergleichen oder als „rechts“ und „links“ abstempeln.
Selbst wenn doch, ändert es nichts an der unterschwelligen Botschaft, die in diesem unbedeutend wirkenden Nebensatz durchschimmert: Republikaner sind nicht so nett wie die Demokraten, da sie Fehler der Demokraten sofort angreifen würden. Selbst wenn das stimmt, hat diese Ansicht in einem (möglichst) objektiven Artikel wenig verloren. Aussagen wie diese schüren nur Ablehnung gegenüber Republikanern. Zudem wird hierbei stark verallgemeinert, was auch nicht sein sollte.
Später heißt es:
Andere waren weniger nachsichtig. Vor allem bei den Demokraten – trotz Obamas Appell, die leidige Geschichte zu ignorieren, und trotz der Gefahr, dass jede Kritik an Palin sofort als sexistisch interpretiert würde.
Auf den ersten Blick könnte es fast so wie eine nahezu objektive Gegendarstellung wirken. Aber der Schein trügt, was hängen bleibt, ist vermutlich Obamas Appell. Also nicht etwa, dass die Demokraten auch nicht besser sind, sondern dass Obama – um den es letztendlich geht – ein ganz toller Kerl ist.
Wen das noch nicht so recht überzeugt, hier ein deutlicheres Beispiel in einem Artikel vom 11.09.2008:
Aber Obama könnte durchaus selbst der Verlierer sein. Damit haben die US-Demokraten gewisse Erfahrung. 2000 mussten sie hilflos ansehen, wie das Wahlkampfteam um Polit-Leichtgewicht George W. Bush den erfahrenen Vizepräsidenten Al Gore als Aufschneider abstempelte. Vier Jahre später verleumdeten die Bush-Leute den hoch dekorierten Vietnam-Veteranen John Kerry als irgendwie wankelmütig und unpatriotisch.
Klingt fast schon wie ein PR-Artikel, oder? Ich frage mich: Geht es denn noch deutlicher? Normalerweise sollte man solche Adjektive weglassen und Titulierungen vermeiden. Das passt schon eher zum Boulevardjournalismus, aber doch nicht zum Spiegel, oder? Denn die Adjektive und Titulierungen sind eindeutig subjektiv und decken nur einen kleinen Bereich der bezeichneten Person ab. Objektivität sieht definitiv anders aus.
Weitere Beispiele gibt es zu Genüge, ich kann sie schon gar nicht mehr alle zählen und befürchte, einige in der Flut gar nicht mehr wahrgenommen zu haben. In Deutschland jedenfalls konnte ich sehr gut wahrnehmen, wie die überwiegend pro-demokratische Berichterstattung aus den USA in Deutschland zu funktionieren scheint: Obama wurde bei seiner Rede in Berlin verehrt wie ein Popstar – und das, obwohl er nichts Neues oder wirklich Beeindruckendes gesagt hatte. Aber geht es nicht sowieso mehr um den Show-Faktor (um nicht zu sagen „Messias-Faktor“) bzw. Unterhaltung als um wirklich glaubhafte und nachvollziehbare Inhalte mit politisch realistischen, umsetzbaren Ideen und sinnvollen Inhalten, die über ein simples „Change“ und „Yes we can“ hinausgehen? Mir stellt sich nämlich die Frage, wohin Obama die USA gerne verändern möchte und noch wichtiger: Wie er diese Ziele erreichen möchte.
Deutsche wohnen meist (lieber) an den Küsten Amerikas
– und haben (daher) eine einseitige Meinung
Abschließend stellt sich mir die Frage, wie es denn kommt, dass die Berichterstattung in Deutschland überwiegend pro-demokratisch eingestellt ist. Schon vor Jahren schrieb ein Journalist in meiner lokalen Tageszeitung, der eine nachvollziehbare Erklärung dafür bot: Die deutschen Auslandskorrespondenten in den USA wohnen fast allesamt in den Küstenregionen, z.B. New York. Diese Regionen sind starke Lager der Demokraten. Im Landesinneren hingegen ist die Mehrheit republikanisch eingestellt. Wenn man also nach Amerika kommt und dort nichts anderes als diese einseitige Sichtweise hört, ist es kein Wunder, dass die deutschen Journalisten ein überwiegend negatives Bild von den Republikanern haben – nicht zuletzt dank Bushs schlechten Außenpolitik, die genug Nachschub liefert. Und dabei wissen die wenigsten, wie Bushs Innenpolitik aussah – viele Amerikaner fanden und finden, dass sie sehr gut gewesen sei. Zu guter letzt wissen viele Deutsche gar nicht, dass man Republikaner und Demokraten eben nicht eins zu eins mit CDU und SPD vergleichen kann.
Wir können im Prinzip nur das über die Politik in den USA wissen, was in den Medien darüber berichtet wird. Und was dort berichtet wird, kommt nun einmal von Journalisten, die von Anfang an meist eine völlig einseitige Meinung – nämlich „pro Demokraten“ – gehört haben.
Olger meint
„Leichtgewicht“ und „hoch dekoriert“ sind doch keine meinungsgefärbten Begriffe. Man tut der Sache keinen Gefallen, wenn man versucht, überneutral zu sein und „richtungsblind“ wird, also sich scheut, Republikaner als rechts zu bezeichnen.
JUICEDaniel meint
Polit-Leichtgewicht vs. erfahrener Vizepräsident und Bush-Leute vs hoch dekorierte Vietnam-Veteranen – Viel deutlicher können die Kontraste nicht sein, oder? Ich habe ja nichts gegen Kommentare (die ruhig möglichst viel Meinung ähnlich wie der eines Blogartikels enthalten können) – aber dann bitte auch als solchen gekennzeichnet.
Nachrichten und Berichte sollten bitte so fair und neutral wie möglich sein, Kommentare und Kolumnen dafür nur so strotzen vor (gut begründeter) Meinung. Oder sehe ich da was falsch?
Übrigens: Ein Kommentar zu diesem Thema über vier Jahre nach der Veröffentlichung – Respekt!