Von Gamern für Gamer: WASD, ein „Bookazine für Gameskultur“ spannt den Bogen von Spiel zu Realität. Das ist oft ernster als man bei einem Zocker-Magazin erwarten würde.
Eins vorweg: Ich bin mehr Gelegenheitszocker denn Vollblutgamer. Mal eine Runde Fifa mit den Kumpels geht immer, der gute, alte Fußball-Manager macht auch noch Spaß und auf Partys kann eine Runde Singstar bei mir und meinen Jungs ungeahnte Talente zutage befördern. Ich sage nur One Direction. Aber das ist eine andere Geschichte.
Insofern ist die Welt, in die einen das Magazin WASD entführt, nur bedingt die meine. Das „Bookazine für Gameskultur“, wie es sich selbst nennt, spannt den Bogen von Spiel zu Wirklichkeit, von virtual zu reality. Welcher Raum wird den großen Fragen des Lebens auf dem Daddel-Bildschirm eingeräumt? Und wie kann die Spielebranche im Gegenzug gesellschaftlich positionieren, laut sein, Einfluss nehmen? Diese und andere Fragen stellt WASD, ein Heft, von Gamern für Gamer, von Autoren, die wissen, wovon sie schreiben, und für Lesern, bei denen vorausgesetzt wird, das sie ein bisschen mehr kennen als Super Mario.
WASD, das mit 15,90 Euro einen stolzen Preis hat, ist ein Magazin, für das man sich Zeit nehmen muss. Viel Zeit. 192 Seiten sind nichts für die kurze Pause zwischen zwei Vorlesungen, eher was für abends vor dem Kamin. Und WASD ist alles andere als eine dicke Version der Computer Bild Spiele. Hier gibt es keine großflächigen Bilder, Zocker-Tricks oder Spiele-Rezensionen. Dieses Magazin setzt auf Text. Die Artikel sind lang und feuilletonistisch, lassen sich nicht mal eben kurz überfliegen. Man muss sich konzentrieren, eintauchen, sich auch ein Stück weit auf diese verrückte Parallelwelt zwischen Bits und Bytes einlassen. Es kann ein erfrischender Ausflug sein.
„Revolution“, schreit einen das knallige, rot-orangene Cover von WASD an, und ganz viel Revolution steckt auch darin. Das Magazin erzählt Geschichten von Menschen, die versucht haben, die Welt der Spiele zu revolutionieren, von äußeren Einflüssen, die das geschafft haben, und von Spielen, die den dehnbaren Begriff Revolution zum Bestandteil ihrer Handlung machen.
So erfährt man etwa vom Italiener Paolo Pedercini, der dem Kapitalismus mit ungewöhnlichen Computerspielen den Kampf ansagt: Mal geht es um die Nachhaltigkeit von Fast-Food-Ketten, mal um den schädlichen Einfluss der Öl-Industrie. Oder Jim Crawford: Der Entwickler ließ mit seinem Spiel Frog Frictions 2 die Grenze zwischen Realität und Simulation verschwimmen. Fünf Jahre lang streute er Rätsel für seine Fans im echten Leben aus, ehe das eigentliche Spiel veröffentlicht wurde.
Insgesamt ist WASD aber deutlich ernster als man es bei einer Games-Zeitschrift erwarten würde. So wird zum Beispiel auch die Frage aufgeworfen, wie der Klimawandel auf der Mattscheibe thematisiert wird. Oder ob Virtual-Reality-Brillen für den Schulunterricht taugen – beispielsweise um eine Flucht über die Balkanroute aus der Egoperspektive mitzuerleben.
Wirklich unterhaltsam ist hingegen die Rubrik „Mein Leben in Spielen“. Moderator Nilz Bokelberg erzählt seinen Weg vom ersten eigenen Computer, auf dem er sich noch eigenhändig textbasierte Adventure-Games zusammenprogrammierte, über den Game Boy, den seine Eltern ihm abends wenahmen, weil sie selbst noch heimlich eine Runde Tetris daddeln wollten, bis hin zur lang ersehnten Playstation: „Endlich war Zocken wieder so unkompliziert, wie es sein sollte.“ In dieser Geschichte dürfte sich so mancher beim Lesen wiederfinden.
Alles in allem ist WASD oft interessant, oft aber auch speziell. Mir reicht dann doch eine gelegentliche Runde Fifa mit den Kumpels. Für wen aber Videospiele mehr als nur ein Hobby sind, für den dürfte dieses Magazin eine Goldgrube sein.
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