Es kotzt mich zunehmend an, dass ich Dinge nicht mehr kaufen kann. Im Sinne von „Eigentümer sein“. Immer häufiger muss ich Geld zahlen, um etwas „Nutzen“ zu dürfen. Natürlich zeitlich begrenzt. Was auf den ersten Blick cool aussieht, ist in Wirklichkeit ziemlich uncool.
„Endlich brauche ich beim Umzug keine Kisten mit Büchern mehr zu schleppen“, erzählen mir manche Leute, die sich ein E-Book-Reader zugelegt haben. Das spare viel Platz und Muskelkraft. Aber dass ihnen die Bücher nicht mehr gehören, sondern sie lediglich die Nutzungsrechte haben – das scheint den wenigsten wirklich bewusst zu sein. Weiterverkaufen? Nicht möglich. Verschenken? Nope. Ausleihen? Mein Passwort gebe ich nicht her. Vererben? No way!Was wir nutzen, nutzen wir im Hier und Jetzt. Unser Konsumverhalten scheint kein Gestern und kein Morgen zu kennen. Das ist auch scheinbar gut so – denn sonst wäre unsere geistige Festplatte viel zu schnell voll von all den vielen Serien, die wir im Komaglotzen in uns reinstopfen. Noch so ein Trend: Videos kauft man nicht mehr als DVD oder Blu-ray, man leiht sie nicht mehr in einer Videothek aus – nein, man erwirbt sich monatlich Nutzungsrechte bei Watchever oder Maxdome Netflix.
Doch sobald man aufhört dafür zu zahlen, kann man nichts mehr sehen und man steht mit leeren Händen da1. Das bisher gezahlte Geld war dann lediglich für den schönen Moment – und damit nur von kurzer Dauer.
Auch Software wie Microsoft Office oder Adobe Creative Suite kauft man nicht mehr, man mietet sie. Solange ich zahle, darf ich die Software nutzen. Aber wehe, wenn nicht. Dann ist alles weg. Und zwar sofort.
Selbst bei der einstigen Open Source-Community rund um WordPress ist dieser Trend längst angekommen: Plugins (Erweiterungen) und Themes (vorgefertigte Designs) werden immer häufiger im monatlichen oder jährlichen Abonnement angeboten. Einmal bezahlen und immer nutzen – dieses Geschäftsmodell hat ausgedient.
Aber sind wir mal ehrlich: Solch ein Geschäftsmodell passt auch nicht mehr wirklich in unsere heutige Zeit, oder? Wir wollen alles sofort im Hier und Jetzt haben. Warten? Scheiß auf Warten! Keine Zeit dafür. Möglichst effizient und effektiv muss unser Leben sein – völlig egal, dass nur die Wenigsten den Unterschied der beiden inflationär verwendeten Begriffe kennen.
Wen wundert’s, dass da die Drohnen von Amazon und der Deutschen Post vielerorts jubelnd begrüßt wurden. Amazon Prime – Lieferung am gleichen Tag – dauert schließlich viel zu lang. Online muss ich auch nicht mehr auf irgendetwas warten. Da ist alles da. Immer. Rund um die Uhr. Yeah!
Und was, wenn ich mir mal etwas nicht leisten kann? Warten? Scheiß auf Warten! Keine Zeit dafür. Dann zahlt man eben auf Raten oder nimmt sich einen Kredit auf. Aber nicht nur fürs Auto (das sowieso!), sondern auch fürs Macbook (geil!), iPad Air 2 (muss ich haben!), BendPhone 6 (braucht will jeder!) und für den nächsten Urlaub für schöne Fotos auf der eigenen Facebook-Seite. Urlaub auf Pump? Wer glaubt, das gehe nun wirklich zu weit: Nein, das ist bereits Realität für immer mehr Leute in Deutschland. Aber nein, Facebook schürt keinen Neid. Das Internet verursacht keine Ungeduld. Und ein Leben auf Pump keine Langweile. Zumindest solange der Motor geölt und die Pumpe am Laufen ist. Aber wehe, wenn der Motor eines Tages mal ins Stottern kommt…
Wie geht es euch damit? Findet ihr diese Entwicklung gut oder seht ihr das auch kritisch?
- Wobei „mit leeren Händen“ der falsche Begriff dafür ist. ↵
Fabian meint
Danke für diese Stellungnahme! Ich stimme dir in vielen Dingen zu. Ich finde diese zunehmende „Aboisierung“ der Software furchtbar… E-Books nutze ich grundsätzlich (bislang) nicht, weil ich das „Buch“-Gefühl nicht missen will. Und kaufen auf Pump will ich mir gar nicht erst angewöhnen…:-)
Die Frage ist nur: Was kann man dagegen tun? Muss man etwas dagegen tun? Vielleicht muss man sich einfach damit arrangieren, dass die Welt nunmal so tickt, ab und an – so wie du – einen Aufschrei veröffentlichen, und gut ist. Ich finde es wichtig, sich immer wieder zu vergegenwärtigen: Wir leben in einer Gesellschaft, die zunehmend auf Konsum fixiert ist. Das Internet scheint m. E. diesen Trend zu verstärken. Umso wichtiger, immer mal wieder darauf hinzuweisen, dass es schönere und vor allem wichtigere Dinge im Leben gibt als zu konsumieren (Ich glaube nämlich, dass das 99% der Leute genauso sehen, wir uns aber doch immer wieder hinreißen lassen….)
JUICEDaniel meint
Spannende Frage.
So ein Aufschrei kann ja manchmal auch ein Umdenken in den Köpfen der Leser bewirken. Auch wenn da draußen so viele Leute gleichzeitig schreien, dass es manchmal schwer fällt, einen kühlen Kopf zu bewahren. ;-)
Ja, das sehe ich auch so. Leider. Selbst wenn wir das nicht wollen – durch Big Data werden Buchempfehlungen, Anzeigen & Co. immer besser…
Mirco meint
Ich sehe die Sache etwas differenzierter. Ja, ich bin ein begeisterter E-Bookleser. Man braucht in der Tat nicht schwere, dicke und unhandliche Bücher mitschleppen. Ich habe auch kaum Platz für weitere Regale – und seien wir doch ehrlich: viele Bücher dienen nur als Deko wenn man die Bücher einmal gelesen hat, bleiben sie im Bücherregal liegen und verstauben nur. Und dass wir Menschen unsere Sammelleidenschaft nicht verloren haben, sehen wir häufig auch an solchen Bücher- oder DVD-Sammlungen.
Übrigens „sammle“ ich seit geraumerzeit auch keine DVDs mehr, seit ich die Streaming-Angebote konsumiere. Auch hier sollte man ehrlich sein: Die meisten Filme schaut man sich wirklich nur einmal an (häufig hat man das Gefühl besser nicht einmal angeschaut zu haben). In sehr seltenen Fällen schaut man sich einen Film mehrmals an und dafür eine DVD-Scheibe zu kaufen? – und wer weiß schon vorher, dass man jenen Film häufiger schauen würde?
Aber generell teile ich Deine Kritik an die Wegwerfgesellschaft. Sehr deutlich wird die Sache bei Alltagsgegenständen wie bei elektrischer Zahnbürste, Rasierklingen oder Drucker .
Beispiel Zahnbürste: Warum müssen die Ersatzbürsten so teuer sein und warum kann man die Akkus der Zahnbürste nicht einfach austauschen? Die Hersteller sind wie die Drogendealer, die die Konsumenten zu den Abhängigen ihrer Produkte machen. Tinten-Druckerhersteller werben damit, dass ihr Super-Duper-Drucker viel Strom einspart. Toll, oder? Aber man merkt wie toll es tatsächlich ist viel später, nämlich wenn man kaum gedruck hat und feststellt, dass die Tintenpatronen trotzdem leer geworden sind. Diese werden einfach in die Luft geblasen, damit die Titenköpfe nicht austrocknen. Ich muss ja nicht erwähnen, dass die Originaltinten unverschämt teuer ist- da ist kaum tröstlich dass dafür der Drucker relativ kostengünstig ist.
Immer mehr werden Geräte produziert, die kurz nach gesetzlicher Garantiezeit kaputt gehen. So z.B. bei mir ein temperierbarer Wasserkocher von Philips. Man nenn so etwas Obsoleszenz. Nur um ein paar Cent zu sparen (oder vielleicht absichtlich) bauen die Hersteller Teile ein, die nicht langlebig sind und wo früher man seinen dicken Fernseher noch zur Reparatur gebracht hat, kauft man sich heutzutage direkt ein neues Gerät. Man hat früher die funktionsfähigen Chips eines RAM-Moduls herausgelötet, weil die Chips unglaublich teuer waren. Heute macht das keiner mehr. Man tauscht einfach das ganze Modul aus – manche kaufen sich komplett neuen Rechner!
JUICEDaniel meint
Ich verstehe dein Argument mit den E-Books und DVDs, Mirco. Und das ist auch völlig okay. Aber stell dir mal eine Welt ohne Bücherregale oder Bibliotheken vor. Eine Welt, in der alles nur noch digital verfügbar wäre. Wäre das nicht eine irgendwie traurige Vorstellung?
Ich habe nichts dagegen, dass manche hier und da gewisse Dinge lieber in elektronischer Form bevorzugen. Völlig okay. Aber ich sehe einen gewissen Trend, dass unsere gesamte westliche Gesellschaft immer digitaler wird und dabei die Nachteile vielleicht etwas übersieht oder ihnen gar nicht so bewusst ist (im Gegensatz zu dir)? Steve Jobs fand es ja auch scheiße, dass seine iTunes-Sammlung nach seinem Tod nicht an seine Kinder vererbt werden kann. Als er noch jung und voller Energie war, hatte er daran schlicht nicht gedacht.
Deinen zweiten Teil unterstreiche ich total. Der Elektroschrott, den wir hier auf Kosten der Dritte-Welt-Länder produzieren, ist erschreckend hoch – Tendenz steigend. :(
Sehr gut auf den Punkt gebracht. Das gilt übrigens auch für Kaffeemaschinen mit Pads/Tabs. Auch so ein Thema…
Torsten meint
Daniel, vermischt du nicht 2 Dinge? Leben auf Pump bzw. Dinge auf Raten zu kaufen ist meiner Meinung nach was anderes als das Nutzungsrecht eines ebooks zu „kaufen“. Das Auto gehört dir irgendwann, beim Urlaub hast du meinetwegen noch was schönes erlebt (ok, beim gelesenen ebook auch) aber Streamingmusik ist eben „weg“.
Grundsätzlich finde ich das nicht schlecht, dass man auch nur für die Dauer der Nutzung für etwas bezahlen muss; immerhin ist man so evtl. immer am aktuellsten Produkt dran. Wie Mirco schon geschrieben hat, Bücher und Filme liest/schaut man meist doch eh nur einmal (ich kaufe zwar auch lieber Totholz aber das hat nicht oben genannte Gründe). Aber Software würde ich auch niemals als Abo nutzen (andererseits: kaufst du dir Software und sie wird nicht mehr weiterentwickelt bringt sie dir evtl. auch nix mehr).
Wie gesagt, ich würde das fallabhängig betrachten. Das Thema aufzuhalten oder zu ändern halte ich für sehr schwierig, weil die kritische Masse anscheinend nicht so differenziert darüber nachdenkt (oder nachdenken will). Ein guter Artikel für Shift! (wobei sich „deine“ Leser wahrscheinlich schon über sowas Gedanken machen)
JUICEDaniel meint
Das stimmt. Meine Überschrift ist sicherlich nicht allumfassend/wird den beiden Aspekten nicht gerecht. Aber ich denke, dass deutlich wird, worum es (mir) geht.
Prinzipiell finde ich es voll gut, dass wir uns nicht gleich ein Auto kaufen müssen, sondern eines gemeinsam teilen können. Oder dass wir nicht unbedingt eine eigene Bohrmaschine brauchen, sondern sie vom Nachbarn ausleihen können. Doch bei den oben beschriebenen Dingen ist es genau andersrum: Wir sind immer weniger auf andere angewiesen und machen uns die Welt, wie sie UNS gefällt. Ich schaue was ich will wann ich will – und muss nicht andere fragen, wann sie geöffnet haben (Videotheken) oder ob ich die DVD von ihnen ausleihen kann. Ich bin unabhängig. Wenn individuelle Freiheit aber zu Ignoranz und Gleichgültigkeit gegenüber anderen wird, finde ich das schade. Der Sprung, von Spotify und Netflix hin zu Ignoranz ist ein wenig hart und wird den meisten Usern vermutlich nicht gerecht. Aber wie bei Mirco schon geschrieben: Wenn man das auf alle Bereiche ausweitet und weiterdenkt, könnte sich unsere Gesellschaft dorthin entwickeln – und diese digitalen Dinge den Prozess nur beschleunigen. (Beispiel Navi: Ich finde ein Navi im Grunde großartig. Aber nun müssen wir nie wieder andere Menschen um den Weg fragen. Wir brauchen einander immer weniger… ich schweife ab.)
Ich weiß auch gar nicht, ob man es aufhalten muss. Vielleicht reicht es ja, ein wenig zu reflektieren und dann einen gesunden und bewussten Umgang mit dieser Thematik zu haben? Die Möglichkeiten des Netzes sind nicht per se schlechte. Es ist eben auch eine Frage der ausgewogenen Nutzung und Konsumierung, oder?
Gar keine schlechte Idee. Anscheinend gibt es da ja mehrere, unterschiedliche(!) Seiten zu beleuchten – und auch Gesprächsbedarf, wie mir eure Kommentare zeigen. Das freut mich!
brotmaschine meint
Die zugrundeliegende Idiotie dieses Sofort, Hier und Jetzt is unsere Annahme des „ewigen Wachstums“.
Die analoge Welt ist hier an ihren Grenzen. Es geht an vielen Stellen schon noch. Das sind allerdings Erfolgserlebnisse die zunehmend kleiner werden als die digitale Entwicklung derzeit. Auch der Markt ist nun nicht mehr lokal begrenzt. Es gibt keine Grenzen mehr. Wir lassen es zu, dass unser drum herum schneller wächst als unsere eigene Entwicklung es zuläßt.
Wir sind nicht zum ständigen Reisen gemacht, auch nicht für Massenkonsum – täglich.
Ergebnisse sind Burnout und dergleichen.
Nun haben wir die Freiheit uns der Dinge anzunehmen, welche uns wirklich interessieren, allerdings lassen wir uns nachwievor steuern. Auch noch gewollt.
Ich frage mich wer immer und immer wieder erzählt, dass Kunden dieses und Jenes so wöllten. Entwickeln alle mit Widerwillen und machen es nur für ihre Kundschaft? Das ist doch offensichtlich selbstbetrug und nur für die eigenen kasse, damit ich mir eben meine monatlichen Abos leisten kann.
Es wissen so viele besser und dennoch handelt Niemand.
Ein Crash zur Kurskorrektur im Kollektiv läßt sich leichter ertragen. Wir können danach ja wieder weitermachen wie zuvor. :D