Die USA dominierten über viele Jahre den Profigolf. Namen wie Tiger Woods sind längst Legende. Nun drängen immer mehr Profispielerinnen aus Asien auf die obersten Plätze der Weltrangliste – allen voran Golferinnen aus Südkorea. Welches Geheimnis führt sie zum Erfolg?
Steffi Grafs Namen hat wohl jeder Deutsche schon einmal gehört. Lange Zeit war sie die Königin des Tennissports und beherrschte die Szene der Damenliga. Als einzige Tennisspielerin der Welt überhaupt gelang ihr im Jahr 1988 der sogenannte „Golden Slam“. In dem Jahr gewann sie die vier wichtigsten Tennisturniere in Sydney, London, Paris und New York sowie die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass diese Leistung irgendjemand jemals wiederholen wird.
Beliebtheit nicht genug für die Medien
Ihr kennt also Steffi Graf. Aber kennt ihr auch die Golfspielerin Park In-bee aus Südkorea? Nein? Dann seid ihr nicht die Einzigen, denn der Golfsport steht in Deutschland nicht besonders im Fokus des medialen Interesses. Während Sender wie der amerikanische CNN oder der britische BBC eigene Rubriken zum Thema Golf haben, sucht man so etwas Vergleichbares bei der ARD vergeblich. Dabei ist das deutsche Interesse am Golf in den letzten zehn Jahren gestiegen. Im Profisport mischt der deutsche Bernhard Langer schon seit Jahren erfolgreich mit und der junge Golfer Martin Kaymer aus Düsseldorf führte zeitweise sogar die Weltrangliste an. Auch die Anzahl der Golfanlagen sowie die Anzahl der Golfspieler nahm laut DGV-Statistik in den vergangenen Jahren stetig zu. Über 630.000 Golfspieler wurden in Deutschland registriert. Der Geschäftsführer der Vereinigung clubfreier Golfspieler im Deutschen Golf Verband (DGV) Marco Paeke versuchte in einem Zeit-Interview die Diskrepanz zwischen der großen Beliebtheit des Golfsports und der geringe Berichterstattung in Deutschland so zu erklären:
„Die meisten Golfer spielen lieber selbst, als anderen dabei zuzuschauen […] Selbst wenn wir drei Golfer hätten, die alles gewinnen, würde das wohl keinen riesigen Effekt haben.“
Der „Beinahe-Grand-Slam“
Nochmal zurück zu Park In-bee, der Profigolferin aus Südkorea: Nein, der südkoreanischen Golferin Park ist kein Grand-Slam-Sieg gelungen.1. Den Grand Slam-Sieg innerhalb einer Saison bei Damengolf haben bis jetzt auch nur zwei Spielerinnen tatsächlich geschafft. Sie hatten es jedoch einfacher, denn damals gab es nur zwei bzw. drei solche Turniere pro Saison. Aber letztes Jahr hat Park drei der fünf Turniere hintereinander gewonnen, was bis jetzt nur sehr wenigen Profigolfern gelang.
Park führt die Weltrangliste an, die jede Woche von LPGA (Ladies Professional Golf Association) ermittelt und bekannt gegeben wird. Außerdem geht es aus der aktuellen Weltrangliste (19.05.2014) hervor, dass über 200 von 850 Spielerinnen aus Südkorea kommen. Etwa ein Drittel der Spielerinnen unter den Top100 kommen aus Südkorea. Zwei von ihnen sind sogar unter den Top10. Selbst die Neuseeländerin Lydia Ko (3.) stammt ursprünglich aus Korea. Medien in Golf-verrückten Ländern berichteten bereits über diese auffällige Dominanz der südkoreanischen Spielerinnen.
Wie kommt es nun, dass es so viele Profigolfspielerinnen aus Südkorea gibt? Eigentlich sind die geografischen Voraussetzungen sehr schlecht: Südkorea ist so dicht besiedelt, dass die Menschen in hohen Apartmenthäusern leben müssen. Viel Platz für riesige Golfplätze wie in Australien oder den USA bleibt da nicht. Zudem ist die Landschaft sehr bergig. Die koreanischen Golfspielerinnen müssen also ein anderes Geheimnis für ihren Erfolg haben.
Hohe Ansteckungsgefahr
Angefangen hat der Golf-Boom in Südkorea mit dem Erfolg von Pak Se-ri Ende 1990er Jahre. So ähnlich wie in Deutschland der Tennis-Boom anfing, als Boris Becker im Jahre 1985 als erster deutsche Einzelspieler der Wimbledonsieg gelang, wollten viele junge Koreaner ihr Idol Pak Se-ri nachahmen. Dabei ist es interessant zu wissen, wie schnell die Koreaner gegenseitig ihre Begeisterungen teilen können, wenn es um etwas Außergewöhnliches geht. Das konnte man bei der drastisch zunehmenden Anzahl von Fans in den Straßen während der Fußball-WM 2002 im eigenen Land sehen. Und die unglaubliche Begeisterung der Fans für den Disney-Film „Frozen“ manifestierte sich darin, dass zahlreiche weiblichen K-Popstars ihre Version von dem Titelsong „Let it go“ auf YouTube veröffentlichten.
Harte Erziehung und hoher Druck
Die Begeisterungsfähigkeit der Koreaner ist aber nur ein Grund, warum sie es im Golf so weit bringen. Ein anderer Grund für den großartigen Erfolg bei den Damengolfern aus Korea ist die harte Erziehung und der immense Druck in der Gesellschaft. Viele Eltern heutiger Profigolferinnen sind in einer schwierigen Zeit aufgewachsen. Einige Väter waren sogar im Vietnamkrieg und andere mussten die harte Zeit der Militärdiktatur in Südkorea ertragen. Außerdem gilt in Korea eine konfuzianische Tradition, in der die Kinder auf die Eltern hören müssen und Gehorsamkeit groß geschrieben wird. In der Biografie von Pak Se-ri auf Seoulsisters.com steht, dass der Vater sie bereits in ihren jungen Jahren dazu zwang jeden Morgen um 5:30 Uhr aufzustehen, um 15 Mal das Apartment hoch- und runterzulaufen. Vor- und rückwärts, versteht sich. Auch musste sie bei eiskaltem Wetter ihre Trainingseinheiten absolvieren.
Lydia Ko beim Abschlag. Ein graziöser Bewegungsablauf, der im ersten Blick leicht aussieht dem aber Jahre lange schweißtreibenden Übungen zugrunde liegt.
Bei den Koreanern sind Druck und Disziplin an der Tagesordnung. In den Schulen als auch beim Berufseinstieg ist der Konkurrenzdruck enorm. Das sind auch die wesentlichen Gründe für die sehr niedrige Geburtenrate, die hohe Scheidungsrate und besonders traurig die hohe Selbstmordrate in Südkorea. Der Anteil der Uni-Absolventen ist in Südkorea sehr hoch. Doch die meisten guten Stellen werden von den männlichen Bewerbern besetzt. Der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern ist in Südkorea noch stärker als in Deutschland. Wenn eine Frau arbeiten möchte, ist eine Babypause undenkbar. Wenn sie wenig Aussicht auf beruflichen Erfolg hat, ist sie gezwungen einen gut situierten Mann zu finden, um der eigenen Familie nicht zur Last zu fallen. Das wiederum ist ein Grund für die hohe Dichte der Schönheitschirurgen in Südkorea. Eine andere Lösung für Frauen ist es im Sport oder in der Musikbranche (sowohl Klassik als auch Pop) erfolgreich zu sein. Im Golfmagazin Back9network schreibt Autor Jon Ackerman, dass die Eltern eine Art All-in-Strategie mit ihren Töchtern fahren würden. Die meisten Golfspielerinnen kommen nicht aus den reichen Familien, sondern aus der Mittelschicht. Diese Familien müssen dann für die teure Golfausbildung hohe Kredite aufnehmen. Die koreanischen Golferinnen seien sehr leidensvoll, so Ackerman. Sie ertragen den enormen Erwartungsdruck von den Familien und den zusätzlichen Wettbewerbsdruck der zahlreichen Konkurrentinnen im In- und Ausland. Im Golfsport zählt nicht nur die physische Fähigkeit des Sportlers. Wichtiger ist die mentale Stabilität, die durch den enormen Druck und die hohe Erwartungshaltung der Eltern entsteht.2 Ähnlich lässt sich auch der große Erfolg bei den Olympischen Spielen im Bogenschießen begründen. Im Golfsport sind schließlich vor allem die unermüdliche Übung und das ständige Wiederholen der Schläge ein Garant für den Erfolg.
Hohe Preisgelder und der hohe Preis als Profigolfer
Zwar gibt es für den Gewinner eines großen Golfturniers ziemlich hohe Preisgelder (insbesondere bei Major-Turnieren), aber nur wenige Spieler schaffen es auch, solch ein Turnier zu gewinnen. Um mit dem Golfspielen reich zu werden, muss man viele Turniere gewinnen oder zumindest häufig sehr gute Platzierungen erreichen. Mit welchen Preisgeldern die Ränge an den vorderen Plätzen bei einem LPGA-Turnier dotiert sind, kann man zum Beispiel hier nachschauen. Zu den Preisgeldern kommen Werbeverträge und Sponsorengelder. Für manche Sportler ist diese Einnahmequelle unerlässlich, weil sie nicht nur die Ausrüstung finanzieren, sondern auch die teuren Flug- und Übernachtungskosten.
Das schwere Leben endet aber nicht mit dem Beginn als Profigolferin, sondern geht mit dem Profialltag weiter. In einem Arirang-Interview sagte Park In-bee, dass sie mehrmals kurz davor war, den Golfsport hinzuschmeißen. Das Leben als Golfspielerin war für sie lange nur „Golfturnier – Hotel – Golfturnier“. Erst als Ihr Verlobter, der gleichzeitig ihr Trainer ist, ihr zeigte, dass es neben Golf auch andere Dinge im Leben gibt, konnte sie ihre schlechte Serie in den Turnieren beenden.
Geschlechterkampf
Die übliche maximale Schlagweite bei Frauen liegt bei zirka 160 Metern. Männer können bis zu 240 Meter weit schlagen. Die physikalischen Gesetze kann eine Frau nicht einfach austricksen. Deshalb wird Golf wie auch andere Sportarten nach Geschlechtern getrennt gespielt. Für eine Weile sah es so aus, als könnte die amerikanische Golfspielerin mit koreanischen Wurzeln Michelle Wie die biologische Geschlechtergrenze überwinden. Mit einer für Frauen überdurchschnittlichen Größe von 1,85m erreichte sie schon relativ früh eine Schlagweite jenseits von 230 Metern. Wie die FAZ vor einer Weile berichtete, konnte die Golfspielerin Wie jedoch die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Golfsport ist also nicht nur eine Frage der Abschlagweite, sondern auch eine Frage des Ballgefühls und der Präzision.
Ich persönlich habe nie Golf gespielt. Jetzt fragt ihr euch vielleicht, warum ich dann einen Artikel über diesen Sport schreibe? Es gibt anscheinend tatsächlich einen Menschen, der lieber beim Golfspiel zuschaut, als selbst den Schläger zu schwingen…
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