Robert Enke: Hoffentlich lernen wir daraus
In den vergangenen Tagen waren die Zeitungen voll von Robert Enke. Der Mann, der sich das Leben nahm. Für die Medien ein gefundenes Fressen, endlich wieder etwas los. Doch die Art und Weise, wie die Medien darüber berichten, ist anders. Sie scheinen von ihrer teils haarsträubenden Berichterstattung über Winnenden gelernt zu haben und berichten nun mit mehr Sorgfalt und mehr Inhalt.
Aber ist es nicht gefährlich, dem Thema so viel Aufmerksamkeit zu schenken? Wird dadurch nicht der Suizid statt Enke verehrt? Sogar eine Straße, ein Platz oder gar das Stadion sollen nach ihm benannt werden. Ehre, wem Ehre gebührt. Aber gebührt jemandem, der sich getötet hat, so viel Ehre?
Menschen, die Enke nicht kannten und nicht kennen, verneinen das in der Regel. Die Gefahr für Nachahmer sei zu groß. „Wenn sie sehen, wie ein Mensch, der sich umbringt, zu Ruhm gelangt, wollen sie sich vielleicht auch das Leben nehmen“, mutmaßen manche.
Doch Enke war mehr Opfer als Täter. Er war mehr depressiv als aggressiv. Sein Leid im Leben schien ihm größer als seine Liebe fürs Leben. Enke war vollkommen hoffnungslos. Hier wird nicht einem Menschen Aufmerksamkeit geschenkt, weil er Suizid begangen hat, sondern weil er depressiv krank war und unter enormen Leistungsdruck stand.
Und so sollte man Enke nicht richten, bevor man nicht seine Hintergründe kennt. Menschen sehen nur das Offensichtliche. Sie sehen nur, was Enke getan hat, nicht aber warum. Dabei ist das Warum, die Frage nach dem Motiv, meist viel wichtiger als das Was.
Enkes Tod trägt bereits Früchte: Eine überaus wichtige und wertvolle Diskussion über das Tabuthema Depression wurde erneut angestoßen. So will unter anderem DFB-Präsident Theo Zwanziger das Thema endlich enttabuisieren.
Doch hoffentlich folgen hier den Worten Taten – ansonsten war alles vergebens. Denn schon der Fall Sebastian Deisler, der sich 2006 offen zu seinen Depressionen bekannte und seine Karriere beendete, zeigte keine Wirkung. Groß war das Medienecho, doch Früchte trug dies keine und die Debatte war ebenso schnell wieder vom Tisch.
Enkes Tod erinnert eingefleischte Fußballexperten möglicherweise auch an Samuel Osei Kuffour, den einstigen Innenverteidiger des FC Bayern München. Auch er verlor seine 15 Monate alte Tochter Godiva, die bei einem Badeunglück ertrank.
Kurz darauf veröffentlichte die britische Rundfunkanstalt BBC ein bemerkenswertes Interview mit Kuffour. Darin sagte er, dass sein christlicher Glaube ihm den Mut gab, in die Zukunft zu schauen. Möglicherweise sei sie ein Engel gewesen, so Kuffour. „Sie kam, um Dinge in meinem Leben zu klären. Sie kam, um zu tun, was sie tun musste und ist jetzt bei Gott.“ Eine bemerkenswerte Einstellung, ein klares Ja zum Leben – vor und nach dem Tod.
So oft versuchen Menschen aus eigener Kraft, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Sie mühen sich dabei ab, quälen sich und geben alles. Auch Teresa Enke, die Witwe des Nationaltorwarts, dachte, sie könne es schaffen: „Wir haben so viel zusammen durchgemacht, auch Laras Tod, das hat uns so zusammengeschweißt, dass ich dachte, mit Liebe kann man alles schaffen. Ich habe versucht, für ihn da zu sein, und ihm Perspektive und Hoffnung zu geben.“
Die Gedenkfeier in der AWD-Arena gab Grund zur Hoffnung, dass die Menschen begriffen haben, worum es geht. So wurde zwar Enkes Leben gelobt, sein Tod jedoch nicht. Und auch der Hinweis Theo Zwanzigers, Fußball sei nicht alles, Fußball dürfe nicht alles sein, bekam von den 40.000 Fans im Stadion anerkennenden und lang anhaltenden Beifall. Eine wichtige Erkenntnis, die Hoffnung schafft. Hoffnung, die Enke nicht mehr hatte. Aber auch Hoffnung, die er uns durch seinen Tod gab. Hoffentlich lernen wir daraus.
Fußballer, die nun offensiv nach vorne schauen und mutig zu ihrer Depression stehen. Medien, die Fußballer nicht aufgrund ihrer Schwäche verhöhnen. Und Menschen, die die Fußballer dabei unterstützen. Damit Robert Enkes Tod nicht vergebens war und auch ein Sebastian Deisler in Zukunft seine Karriere nicht beenden muss. Dafür brauchen wir alle mehr Verständnis, Annahme und Liebe untereinander. Mehr Rücksichtnahme und Respekt. Um es mit den Worten von Christian Wulff zu sagen: Wir brauchen keine fehlerfreien Roboter. Wir brauchen Menschen mit Ecken und Kanten und mit allen ihren Schwächen und ihren wunderbaren Eigenschaften.
Claudia meint
Ein wirklich bewegendes Buch, es hat mich sehr zum Nachdenken gebracht und auch gerührt.
Danke für den kurzen Einblick.
Hermann meint
Ohne Übertreibung das beste Buch, dass ich in den letzten zwei, drei Jahren gelesen habe. Es ist es wert, dass es mit solchen würdevollen Blogs in Erinnerung bleibt.