Für mich stellen sich in diesem Zusammenhang zwei Fragen. Erstens: Stimmt diese Aussage überhaupt? Zweitens: Wenn ja, was sagt das über die (deutsche) Gesellschaft und Medienunternehmer aus?
Zur Beantwortung der ersten Frage sollte zuerst geklärt werden, in welchem Zusammenhang der vielzitierte Satz gefallen ist. Provoziert wurde er durch eine Aussage von der Freitag-Verleger Jakob Augstein. Augstein sagte, dass Häuser wie Axel Springer und Hubert Burda Media im Netz nur mit Produkten ihr Geld verdienten, die mit Journalismus nichts zu tun hätten. Daraufhin meldete sich Hubert Burda aus dem Publikum mit der oben zitierten Aussage.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass Hubert Burda Verleger2 und kein Journalist ist. Er vertritt also die Interessen eines Unternehmers, der per Definition auf Profit aus ist. Viele Verlage sind von den hohen Umsatzrenditen der vergangenen Jahrzehnte verwöhnt. Hohe Renditen oder Wachstumszahlen jedoch findet man im digitalen Zeitalter wohl eher bei nicht journalistischen Produkten, wie es Augstein bereits feststellte. Davon abgesehen geht es Hubert Burda ohnehin nicht um den Erhalt des Journalismus, sondern um den Erhalt des Geschäftsmodells mit hohen Renditen.
Hubert Burdas Aussage lässt sich also nicht so einfach verifizieren oder falsifizieren. Wie schon Stefan Plöchinger schrieb, müsste man zunächst einmal die Fragen klären, was „Qualität“ überhaupt ist und was das Gegenteil von „Qualitätsjournalismus“ sein soll. Unabhängig davon wäre Burdas Zitat vermutlich ein bisschen ehrlicher, wenn es der Unternehmer wie folgt formuliert hätte: Mit Qualitätsjournalismus will heute niemand mehr überleben, da die Marge zu gering und der Aufwand viel zu hoch ist. Und das führt mich zur zweiten Frage: (Warum) Wollen wir uns als Gesellschaft den Qualitätsjournalismus nicht mehr leisten?
Was bedeutet das also, wenn man mit Qualitätsjournalismus nicht mehr überleben kann? Es bedeutet, dass zu wenige Leser für gute Inhalte angemessen bezahlen wollen oder sie erst gar nicht konsumieren möchten. Es bedeutet auch, dass sich Medienunternehmer gute Inhalte nichts kosten lassen, weil sie sich ausschließlich an Visits und PageImpressions orientieren; dass journalistische Inhalte nur dann als publizierbar gelten, wenn sie ausreichend Traffic, Social-Media-Verbreitung und Aufmerksamkeit garantieren. Und es bedeutet, dass Medienunternehmer jeglicher Art nicht mehr den Mut haben eigene Themen zu setzen. Das wiederum führt dazu, dass es vergessene aber relevante Themen nicht mehr auf die Agenda schaffen und irrelevante aber klick-generierende Themen weiter gefüttert werden. Eine selbstverstärkende Abwärtsspirale also.
Das wirft die Frage auf, warum wir dann überhaupt noch Journalisten ausbilden. In jeder Branche sollte man schließlich danach streben, die bestmögliche Qualität abzuliefern – und dann die Menschen in der Regel auch bereit sind, dafür Geld zu bezahlen. Wenn das im Journalismus nicht mehr der Fall ist, können wir im Grunde auch gleich den gesamten Journalismus abschaffen. Denn wozu brauchen wir Journalismus, wenn Qualität nicht finanzierbar (weil nicht gewünscht?) ist? Fragen, über die wir reden sollten. Wie die Frage, was Qualität überhaupt ist. Was meint ihr?
Das DLD-Panel zum Nachschauen
#Burda: "Allein mit Qualitätsjournalismus kann heute niemand mehr überleben" Das ist eine Bankrotterklärung an die Gesellschaft!
— debooray (@debooray) January 22, 2014
- Im Originalwortlaut: “You cannot live just with Qualitätsjournalismus on the web.” ↵
- Hubert Burda ist nicht irgendein Verleger, sondern der zweitreichste Verleger Deutschlands nach Friede Springer vom Springer Verlag. Zudem gehört er zu den 50 reichsten Deutschen, was seine unternehmerische Ausrichtung verdeutlicht. ↵
Christian Geng, Frühnachrichten meint
Die Feststellung eines Verlegers, dass mit Qualitätsjournalismus kein Geld mehr zu verdienen sei ist weder eine Bankrotterklärung an die (deutsche) Gesellschaft noch eine Frage des leisten wollen. Das Wohlergehen der deutschen Gesellschaft hängt von Millionen Einzelentscheidungen ab, die täglich von Menschen in Deutschland getroffen werden und sicherlich nicht von der Auflage der deutschen Zeitungen. Qualitätsjournalismus ist in Deutschland ein Staatsauftrag und im Staatsvertrag zwischen allen Ländern bundeseinheitlich geregelt (Rundfunkvertrag). Verlage erzielen bzw. erzielten weder heute noch in der Vergangenheit Gewinne durch den Verkaufspreis pro Zeitung. Der Grund warum sich Hubert Burda zu der Aussage verleiten ließ, ist die Tatsache, dass deutschen Zeitungen der Anzeigenmarkt – in der Hauptsache Stellenangebote, Automarkt, ganzseitige Anzeigen der Tabakindustrie – weggebrochen ist. Mit dem Anzeigenteil und dem Anzeigenmarkt wurden in der Vergangenheit in den Verlagen „Geld verdient“. Hubert Burda hat klug auf diese Entwicklung reagiert und sich als Unternehmer in den Neuen Medien engagiert und etabliert.
Christian Geng Berlin, 30. Januar 2014
Frühnachrichten
Martin Virtel meint
Hm. Hubert Burda hat „mit Qualitätsjournalismus allein“ nie Geld verdient. Auch nicht in den Jahrzehnten vor dem Internet. Es brauchte immer ein wenig Geldverdienen mit Klatsch oder Nähvorlagen. Ist ja nicht schlimm. Aber so zu tun, als sei das mal so gewesen, ist etwas verlogen.
JUICEDaniel meint
Jochen Wegner, Chefredakteur von Zeit Online, konnte Burdas Aussage in einem t3n-Interview übrigens nicht zustimmen: