„Weniger Autos sind natürlich besser als mehr“, hat der designierte baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in der Bild am Sonntag gesagt und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Eine Debatte, die längst überfällig war.
Kretschmanns provokante Aussage war weder ein Missverständnis noch ein Versprecher – er wählte seine Worte auch diesmal sehr bewusst. Er weiß um die immense Bedeutung der Automobilbranche, das Herzstück der baden-württembergischen Industrie, und dass er sich damit auf ein gefährliches Terrain begibt. Nicht nur Porsche- und Daimler-Mitarbeiter reagierten empört, auch Mitglieder der Koalitionspartei SPD grenzten sich von Kretschmanns Äußerung ab.
Dabei geht es Kretschmann doch vor allem um eines: den Einklang zwischen Ökonomie und Ökologie, „wenn wir unsere Lebensgrundlage nicht zerstören wollen“. Eine Einstellung, die die Grünen seit eh und je vertreten. Was haben die Wirtschaftsbosse und Politiker auch anderes erwartet?
Die Aussage Kretschmanns kommt also weder überraschend noch ist sie unglücklich formuliert. Doch sie kommt überraschend früh – und überraschend deutlich. Der designierte baden-württembergische Ministerpräsident dürfte geahnt haben, dass seine Aussage hohe Wellen schlagen wird. Er ist schließlich kein Neuling auf der politischen Bühne. Daher zeigt das vor allem eines: Die Geradlinigkeit und Ehrlichkeit mit der Kretschmann die nächsten fünf Jahre in Baden-Württemberg regieren möchte.
Er zeigt darüber hinaus, auf was sich die Automobilindustrie in den kommenden Jahren einstellen kann und nimmt somit sich anbahnenden hitzigen Debatten während seiner Amtszeit von Beginn an den Wind aus den Segeln. Keiner kann sich später herausreden und sagen, er habe nichts von Kretschmanns Kurs gewusst.
Doch die Debatte ist bei Weitem nicht so brisant, wie sie die Medien gerne hätten: Im Grunde genommen haben Kretschmann und die Leiter der Autounternehmen ohnehin schon sehr ähnliche Ansichten und unterscheiden sich lediglich in Nuancen. Das zeigt auch die kleine Rolle des Themas im verabschiedeten Koalitionsvertrag der künftigen grün-roten Landesregierung.
Schadet Kretschmann der Wirtschaft also nicht, wenn er weniger Autos fordert? Dieter Hundt, Arbeitgeberpräsident in Baden-Württemberg, beantwortet diese Frage treffend: „Ich halte diese Aussage für unglücklich und unrealistisch, weil nicht die Landesregierung über die Zahl der Autos entscheidet, sondern die Märkte.“ Das hat inzwischen auch Kretschmann anerkannt und damit die Wogen geglättet.
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