Es ist das am meisten abgeschottete Land der Erde. Jenseits der Augen der Weltöffentlichkeit herrscht die Kim-Dynastie über ein heruntergekommenes Nordkorea, in dem Millionen Menschen hungern und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Doch die Bürger dieses Geheimstaates sollen glauben, sie seien im Paradies.
Auch der Rest der Welt hat nur wenig bis keine Ahnung von den wahren Zuständen in Nordkorea. Alles, was man in den Medien über das Land hört, sind beunruhigende Atomwaffen- und Raketentests. Aber ein Blick hinter die Kulissen offenbart weitaus verheerendere Zustände. Denn dort wird die einheimische Bevölkerung seit mehreren Generationen systematisch unterdrückt, belogen und eingesperrt. Und der Rest der Welt schaut weg. Mit unserem Online-Dossier möchten wir einige Missstände aufdecken und einen tieferen Einblick in die Hölle Asiens gewähren.
Die Notwendigkeit eines solchen Dossiers verdeutlichte erst gestern die UN-Menschenrechtskommisarin Navi Pillay, die in der Tagesschau sagte:
„Es ist höchste Zeit die womöglich schlimmsten Menschenrechtsverletzungen, die es in der Welt gibt und über die wir fast nichts wissen, unabhängig zu untersuchen.“
Journalist Daniel Hechler berichtet dazu:
„Die Lager sind strengstens abgeschottet, nur die Wenigsten haben sie lebend verlassen. Die aber erzählen Grauenhaftes: Folter, Vergewaltigungen, Hinrichtungen sind Alltag. Etwa 200.000 Oppositionelle hält Nordkoreas Regime wie Sklaven. Drastische Strafen oft schon für das kleinste Vergehen wie das Lesen einer ausländischen Zeitung. Unerträgliche Zustände, meint die Menschenrechtshochkommisarin. Viel zu lange habe die Welt nur Nordkoreas Atomprogramm im Blick gehabt.“
Und das Bild des Elends gilt auch außerhalb der Lager, bestätigte Marzuki Darusman, UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtssituation in Nordkorea, vor dem Menschenrechtsrat in Genf:
„Das Land ist nicht in der Lage auch nur einfachste Bedürfnisse seiner Einwohner zu erfüllen. Das fängt beim Recht auf Grundnahrungsmittel an und zieht sich über alle anderen Menschenrechte.“
Unsere Redakteurin Debora gewährte auf ihrem Blog bereits einige Einblicke in das erschreckende Thema:
Die wenigen Informationen über Nordkorea, die zur Verfügung stehen, stammen von entflohenen Nordkoreanern und Hilfsorganisationen. Genaue Zahlen und Daten gibt es jedoch kaum, es handelt sich um Schätzungen.
Jeder Nordkoreaner, der es aus dem Land schaffte, erzählt von großem Hunger. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass seit den 90er Jahren etwa zwei Millionen Menschen vor dem Hunger geflohen sind. Seitdem damals die Hungersnot aufgrund von Dürren und Misswirtschaft ausbrach, ist das asiatische Land auf Lebensmittellieferungen aus dem Ausland angewiesen. Trotzdem hungern immer noch Millionen. Die Verteilung der Lebensmittel richtet sich nach dem „Songbun“, dem Klassensystem, in das die nordkoreanische Gesellschaft eingeteilt ist. Die Klasse sagt aus, ob jemand dem Regime gegenüber als loyal oder als feindselig gesinnte Person zu betrachten ist. Zu den „feindseligen“ Personen gehören unter anderem Regimekritiker, Flüchtlinge und Christen. Wenn ihre vermeintlichen Vergehen bekannt werden, bezahlen sie nicht selten mit lebenslanger Haft in Arbeitslagern.
Auch die von Daniel Hechler genannte Zahl der in Arbeitslagern inhaftierten Nordkoreaner deckt sich:
Insgesamt sechs solcher Arbeitslager für politisch Gefangene gibt es nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen. Dort leben schätzungsweise 150.000 bis 200.000 gefangene Nordkoreaner. Viele von ihnen wissen nicht einmal, welche Straftat sie begangen haben. Und viele sind unschuldig: Sie werden inhaftiert, weil ihr Vater, ihr Onkel oder ihr Großvater eine Straftat beging. Bis zu drei Generationen werden beispielsweise für einen Fluchtversuch bestraft. Die Kinder, die in den Lagern geboren werden, kennen kein Leben außerhalb der elektrischen Zäune und müssen schon früh in Minen oder Kohleschächten arbeiten. Trotz der harten körperlichen Arbeit reicht die Essensration nur aus, um die abgemagerten Körper am Leben zu halten. Kann jemand sein Arbeitssoll nicht erfüllen, wird er bestraft. Folter und öffentliche Hinrichtungen sind keine Seltenheit. Das Leben eines Häftlings ist weniger Wert als das eines Tieres.
Spätestens jetzt sollte jedem von uns klar sein, dass Nordkorea uns alle etwas angeht. Weiter die Augen zu verschließen ist bei solch einem Verbrechen an der Menschheit nicht mehr möglich. Schon gar nicht im 21. Jahrhundert, in genau diesem Augenblick. Aus diesem Grund haben wir das Online-Dossier für euch zusammengestellt. Dort findet ihr neben vielen ausführlichen Hintergründen auch ein lesenswertes Portrait mit Audio-Slideshow, einen Kommentar zur Wiedervereinigung mit Südkorea sowie zwei Rezensionen von Buch und Film über den nordkoreanischen Flüchtling Shin Dong-Hyuk.
Wir wünschen euch ein in gesundem Maße aufrüttelndes, herausforderndes und bewegendes Leseerlebnis!
Euer Daniel und das JUICED-Team
reiner tiroch meint
so traurig wie alles klingen mag, gibt es weitere gefährliche Brandherde auf der Welt. es kocht derzeit nebst NK, auch im Iran und Syrien. überall scheinen Vorbereitungen zu laufen die auf Konfrontation hinauslaufen. Israel sieht in Syrien laufend Chemiewaffen hin-und herfahren, die USA stehen Israel bei einem verteidigungsangriff zur Seite gegen den Iran, Syriens geschosse sollen laufend in israel und der Türkei einschlagen, wo unsere Jungs schon Parat stehen, und die USA stehen SK und Japan gegen NK zur Seite. nun warnt unsere regierung, dass Iran, syrien und NK die internationale Sicherheit gefährden. mag sein, aber, ist das alles nicht nett hergerichtet?
JUICEDaniel meint
Klar gibt es noch weitere gefährliche Brandherde auf der Welt, das bezweifelt hier keiner. Allerdings wird gerade Syrien in den Medien deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet als Nordkorea. Und wenn doch einmal etwas über Nordkorea gebracht wird, dann wie gesagt meistens zu Themen wie Nordkorea provoziert mit neuem Atomtest. Mit unserem Online-Dossier wollen wir eben aufzeigen, dass in Nordkorea noch weitere Themen existieren, über die man vielleicht deutlich dringender/häufiger berichten sollte.
MDaniel meint
Hallo Daniel,
erst einmal schönen Dank für den Artikel und für die Arbeit, die Du da investiert hast.
Auch ich finde, dass das von Dir angesprochene Problem in den Medien eher nur als Randthema behandelt wird. Viel mehr Beachtung findet ja zurzeit die martialischen Propaganda aus Nordkorea – scheinbar verkaufen sich solche Nachrichten besser als Nachrichten zum Thema Menschenrechte.
Wie ich von politischen Analysten erfahren habe, sind die aktuelle Tirade von Kims Propaganda eher an die eigenen Leute in Nordkorea gerichtet und weniger an Südkorea bzw. USA. Weil immer mehr Menschen in Nordkorea von „wahren“ Zuständen in Südkorea erfahren (es werden z.B. etliche K-Dramas über China eingeschmuggelt), nimmt die Bereitschaft im Norden zu über China nach Südkorea zu flüchten – es ist vielleicht mit dem Drang der damaligen DDR-Bürger vergleichbar, die nach Westen flüchten wollten. Um ein Massenexodus zu vermeiden und gleichzeitig seine Leute zusammenzuhalten, schürt der Diktator im Norden Ängste in seinem Land, die Amerikaner würden mit Südkorea zusammen Nordkorea angreifen, was freilich in unseren Augen völlig absurd erscheint, könnte in Nordkorea durchaus logisch klingen.
Die Weltgemeinschaft hat sich nach dem 2. Weltkrieg die Frage gestellt, wie sie zulassen konnten, was in den KZs passieren konnten. Einige Menschen haben sich damit ausgeredet, dass sie das nicht wussten oder für nicht möglich gehalten haben. Wir leben im 21. Jahrhundert und wir wissen, was in Nordkorea geschieht und schenken mehr Beachtung an die nordkoreanische Propaganda. Es ist schon sehr traurig.
Man kann als kleiner Mensch Leute wie Dich oder Shin Dong Hyuk unterstützen…