Oder: Wieso Windows (7 Beta) fast überflüssig geworden ist und Linux (Ubuntu) nerdig.
Ich zähle mich zu den experimentierfreudigen Menschen. Während andere vorher stundenlang Sicherungen anlegen, sich extra eine zweite Festplatte kaufen, oder gar ein zweites System zu Hause herumstehen haben, habe ich die Windows 7-Beta einfach mal als Hauptsystem installiert. Denn wie testet man ein neues Betriebssystem besser, als wenn man darauf angewiesen ist?!
Mit Linux habe ich es jedoch nicht so gemacht. Denn Linux ist für mich etwas anderes als Windows. Wenn man jahrelang nur mit der Software aus Redmond gearbeitet hat, kann einem Linux echt Angst einjagen. Berichte und Gerüchte aus dem Internet, gepaart mit ein paar bösen Stories aus dem IRC und diversen Foren. Freaks sind das, die Unix-Fans – FREAKS! Zumindest bis vor kurzem war auch ich noch dieser Meinung. Doch der Komplettausfall meiner Windows-Partition hat mich eines Besseren belehrt.
Ubuntu: „Ich finde tatsächlich vieles gut“
Natürlich habe ich schon lange vor dem Komplettausfall eine gewisse „Linux-Neugier“ verspürt. Immerhin waren unter den Gerüchten und Berichten auch genügend dabei, die von höherer Sicherheit sowie besserer Stabilität, Flexibilität und Performance sprachen. Die erste „Berührung“ hatte ich mit zarten 16 Jahren auf einer „Linux-LAN-Party“ mit zwei Freunden. Immerhin konnten wir SuSE 7.2 auf einem der drei Computer zum Laufen bringen – am Ende haben wir dann trotzdem alle Windows gebootet; und statt Kommandozeilen sahen wir nur noch unsere Sacred-Charaktere.
Mittlerweile hat sich einiges geändert, und sogar ich als Linux-Neuling habe verstanden, dass SuSE nicht unbedingt die beste Linux-Distribution ist – zumindest, wenn man viel herumspielen möchte. Auf meinem Rechner tummelte sich glücklicherweise eine Ubuntu 8.10-Installation, die ich problemlos über das Internet auf 9.04 aktualisieren konnte.
Nun wage ich zu behaupten, dass ich mich bereits eingelebt habe und finde tatsächlich vieles gut. Gleichzeitig kann ich aber auch verstehen, warum trotz hoher Effizienz von Linux-Systemen viele Menschen noch auf Windows setzen, obwohl das wesentlich teurer ist bzw. überhaupt Geld kostet.
Windows ist anders. Man installiert es einmal, nutzt es anschließend und installiert weitere Programme, startet ein Spiel oder schaut sich eine DVD an. Alles relativ simpel, dafür aber auch relativ unflexibel.
Der Nachteil: Das ganze System kann instabil laufen. Programme und Spiele stürzen ab und das System „müllt“ zu und wird immer langsamer, bis irgendwann Abstürze an der Tagesordnung sind. Da hilft meistens nur noch eines: Daten sichern, Windows-CD einlegen und alles neu installieren.
Windows ist Tiefkühlkost, Linux der eigene Garten
Vergleichen wir einmal Windows und Linux mit Gemüse: Windows ist die Tiefkühlkost. Du suchst dir im Laden deine Sorte aus und abends kannst du dein Gemüse nach Belieben herunter schlingen. Linux dagegen ist wie der eigene Garten. Du musst Arbeit rein stecken, hier und da ein wenig umgraben, und ab und zu mal gießen oder düngen. Wer sich mit viel Herzblut um seinen Garten kümmert, hat am Ende ein Gemüse, das geschmacklich um Längen besser ist.
Linux erfordert – zumindest momentan noch – viel Arbeit. Klar, die meisten Distributionen laufen mittlerweile nach der Installation, die bei Ubuntu im Vergleich zu Windows nicht einmal halb so lange dauert, schon sehr rund. Die Standardsoftware ist sofort nutzbar, und zumindest bei Ubuntu sind zusätzliche Programme dank der Paketverwaltung recht schnell und einfach installiert – sofern man weiß, wonach man sucht.
Grundlegende Anwendungen wie Office, E-Mails und Internet sind auch unter Linux spielend einfach. Ubuntu liefert mit Pidgin sogar einen fähigen Multi-Messenger mit. Auch Fans von Musik und Filmen kommen nicht zu kurz. So gibt es den beliebten VLC Player auch als Linux-Version und viele gute MP3-Player kämpfen um die Vorherrschaft. Einzig in Sachen „Spiele“ ist Linux leider nicht so weit vorne. Es gibt zwar viele gute Mini-Spiele, aber die „großen“ Titel, die auch unter Linux problemlos laufen, sind Mangelware. Zwar gibt es mit Wine einen brauchbaren Emulator, der auch Windowsanwendungen unter Linux ermöglicht, aber dafür muss man lange „Einstell-Orgien“ in Kauf nehmen – nervig!
Hilfsbereite Community löst Probleme in kürzester Zeit
Einstellungen anpassen und verändert gehört bei Linux an die Tagesordnung. Auch die Installation einer Software, zu der man nur den Quellcode findet, erfordert eine gewisse Einarbeitungszeit. Hier kommt aber einer der großen Vorteile von Linux zum Vorschein: die Community. Für Ubuntu-Benutzer steht das Portal Ubuntuusers.de mit Rat und Tat zur Seite, und auch im Ubuntu-IRC wird einem meist schnell geholfen.
Viele Probleme sind genauestens dokumentiert, sodass diese dank der anschaulichen Lösungen schnell der Vergangenheit angehören. Wenn ein Problem noch völlig neu ist, findet sich binnen Minuten jemand, der alles daran setzt, das Problem genauso schnell zu lösen.
Mein Fazit: Mir macht Linux wirklich Spaß. Es sieht toll aus, ist deutlich flexibler als Windows, aber eben auch deutlich komplizierter. Dafür gibt es bei Problemen schnelle Hilfe und man kommt sich wahnsinnig nerdig vor, wenn man ein paar Spielereien im Terminal startet. Könnte ich auf aktuelle Spiele und Adobe Photoshop verzichten, würde ich auch komplett auf Windows verzichten. Leider ist dem nicht so, weshalb sich Ubuntu vorerst als Co-Existenz neben meiner Windows 7-Beta begnügen muss.
Links:
- YouTube-Video: Mein Linux mit Compiz-Fusion 3D-Desktop
- Offizielle Ubuntu-Webseite (Englisch)
- Ubuntu-Users – Deutsche Ubuntu-Community mit umfangreichem Wiki
- Wikipedia: Die Geschichte von Linux
Mathias meint
Also was Spiele angeht – Im Linux-Umfeld präsentieren sich einige nativ laufende Spiele, je nachdem, welches Genre zu bevorzugst. FPS und Echtzeitstrategie, Autorennen oder Flugsimulationen gibt es als Open Source, aber auch kommerzielle Spiele stehen zur Verfügung. schau‘ dir mal playdeb.net an, kaufbare Spiele findest du bei ixsoft.de
Von Gimp hast du vielleicht schon gehört, ich bin nicht sicher inwieweit es Photoshop ersetzen kann, da ich mich in der Materie nicht so auskenne. Vielleicht, mit ein wenig Einarbeitung, kann es auf dem Weg zum Glück mit Linux helfen ;)
Basti meint
@ Mathias.
Spielen unter Linux ist möglich, und es gibt einige Open Scource Spiele, die durchaus einen Blick wert sind, dennoch bleibt es dabei, dass die meissten Spiele der großen Publisher (Spiele wie Fear2, GTA4, Command & Conquer und Co, eben die bekannten Spielemarken) nicht so einfach laufen, wie man es von Windows gewöhnt ist.
Zum Thema Photoshop / Gimp. Gimp ist ein großartiges Grafik-Programm, wenn man aber einmal „richtig“ mit Photoshop gearbeitet hat, fällt der Umstieg auf ein anderes Programm leider nicht so leicht. Ich bin aber schon dran mich in Gimp einzuarbeiten. Mein persönliches Ziel wäre nämlich wirklich, auf Windows ganz zu verzichten. =)
Fred meint
Es ist zwar richtig, dass man sich ein BISSCHEN um Linux kümmern muss, aber das muss man bei Windows auch so. Ich benutzt Kubuntu und das läuft und läuft und ich tue in den letzten Monaten nichts dran. Es ist voll funktionfähig und stabil – ich benutzte es als Produktivsystem und benutzte gar keine Windows. Die Vorteile will ich jetzt gar nicht alle aufzählen und ich will auch keinem sagen, dass er Linux nutzten muss, denn Linux ist keine Windows-Alternative! Es ist einfach ein ANDERES Betriebssystem und man muss lernen (falls man Windows schon kennt) damit umzugehen, denn es tickt einfach anders und man muss ein wenig besser verstehen wie der PC TATSÄCHLICH funktioniert, während man Windows (eben auch lernen) wissen muss, welchen Button man zu drücken hat – auch wenn einem das zum Verständnis nicht hilft. Ansonsten: In Linux beseitigt man ein Problem, in Windows nur die Symptome, bis das Problem anders wieder zu Vorschein kommt. Soviel von meiner (subjektiven) Seite.
Mario meint
Super Bericht! Sehr ausgeglichen. Ich selbst arbeite seit Jahren mit Linux, und würde mich trotzdem nicht als Freak bezeichnen :-) Auch Linux, bzw. Ubuntu hat seine Schwächen. Gerade wenn es um Spiele und Grafikprogramme geht, gibt es Lücken. Zumindest solange, wie Adobe und Co. entsprechende Programme nicht auch für Linux bereit stellen.
Zum Thema Gimp: Solange man Dateien nicht zum Druck gibt (Stichwort CMYK und 16Bit pro Farbkanal) kann das Grafikprogramm gut mit dem Photoshop mithalten. Effekte können zudem per Plug-In nachinstalliert werden. Das User-Interface ist halt so eine Sache. Wobei es auch Themes gibt, welche wie PS aussehen. Ich denke, noch wenige Monate (oder Jahre) und dann ist Gimp gleichwertig.
Basti meint
@ Fred
Das kommt aber auch immer darauf an, was man mit seinem System vorhat. Klar sind die Einstellungen irgendwann alle getätigt, und das System läuft, dann braucht man nicht mehr viel tun. Wer aber gerne ein bisschen Rumspielt muss eben doch immer wieder basteln und tüfteln. Das ist bei Windows zwar auch so, aber eben in einem viel kleineren Rahmen.
Ansonsten stimme ich dir vollkommen zu.
@ Mario
Ich denke (und hoffe) auch, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Linux auch von Kommerziellen Entwicklern in einem größeren Rahmen unterstützt wird. Und GIMP wird ja auch von Version zu Version besser.
PS: Die Sache mit den „Freaks“ war auf frühere Zeiten bezogen. Linux war früher eben was für „Freaks“, für extreme „Nerds“. Mittlerweile ist Linux ja schon ewesentlich Massentauglicher =)
Tobias meint
Zuerst einmal stimme ich zu, Linux ist eine ernst zu nehmende Alternative geworden zu Windows. Schön, dass ihr euch des Themas annehmt.
Sicherlich, wie einige Vorredner schon sagten oder du selber per Garten-Beispiel, es ist nicht das gleiche Handling. Aber auf der anderen Seite bekommt man, was man möchte. Ich persönlich habe mir ein paar Tutorial-Dateien angelegt, falls ich mein Ubuntu neu aufsetze. Somit kann ich meine Änderungen nachvollziehen, vielleicht ein wenig darüber bloggen und sie immer wieder durchführen.
Zur wine-Emulation: Es sei gesagt, das nicht alle Programme „Einstell-Orgien“ benötigen, um problemlos zu laufen. Außerdem kommen alle halbe Nase lang neue Updates heraus, mit denen Fehler behoben werden und neue Funktionen hinzugefügt. Auf der anderen Seite muss man auch bedenken, dass es zumindest Hinweise dazu gibt, wie man die Software zu laufen bekommt (in der AppDB http://appdb.winehq.org/ – und die sind meist sehr konkret.
Zu den Games: Ich selber, als ziemlicher Games – Fan, blogge ein wenig über Games unter Linux auf dem eee 900: http://www.tobiasmaasland.de/category/games/ und bin mir ziemlich sicher, dass du (vielleicht auch mit Wine) einige großartige Games problemlos spielen kannst.
Gruß,
Tobias
noch ein Markus meint
Zitat: „Das ganze System kann instabil laufen. Programme und Spiele stürzen ab und das System „müllt“ zu und wird immer langsamer, bis irgendwann Abstürze an der Tagesordnung sind. Da hilft meistens nur noch eines: Daten sichern, Windows-CD einlegen und alles neu installieren.“
zugegebenermassen habe ich bis zum heutigen Tag kein Linux ausprobiert, Windows nutze ich allerdings seit der Version 3.1 und mir ist bis heute so etwas nicht passiert. und ich installiere viel Software zum ausprobieren und werfe sie anschliessend wieder runter. Anwendungen, Spiele, WaWi-Systeme und was weissichnichtalles. Leute die sich ihr Windows System so extrem zumüllen dass eine Neuinstallation nötig ist haben wahrscheinlich auch keine Freude an Linux, oder?
weil: „Linux dagegen ist wie der eigene Garten. Du musst Arbeit rein stecken…“
:)
Basti meint
@ Markus
Dann weiss ich nicht, was ich (und einige meiner Freunde) unter Windows falsch machen. Unter XP gab es auf allen Systemen mit denen ich gearbeitete habe das gleiche Phänomen. Nach einigen Monaten wurde das System immer langsamer, und meist auch instabiler. Spätestens nach nem halben Jahr war das System im vergleich zum frisch Installierten mindestens 20 bis 35% langsamer (und stürzte teilweise auch Grundlos ab). Ähnliche Beobachtungen konnten auch einige meiner Freunde machen. Ich kann hier aber nur von XP reden. Zwar habe ich auch mit Win 3.1 angefangen, aber das ist shcon nen weilchen her. Aber zumindest bei 95 und 98 (SE) waren regelmäßige Neuinstallationen bei uns im Hause Pflicht.
Seit Vista ist das ganze wesentlich besser geworden. Mein Vista lief fast 2 Jahre durch, dennoch lief es insgesamt nicht so Stabil, wie es mein Linux momentan tut.
RRReissdorf meint
und das passiert bei einem Linux System bei gleicher Nutzung nicht?
Basti meint
bisher nicht =)