Rückblende. Wie ich mit 25 Jahren Vater wurde und mich nicht darauf vorbereitete.
Vater werden ist nicht schwer, Vater sein hingegen sehr
Ich sag euch gleich, ich habe kein einziges Buch über dieses Thema gelesen, hatte kaum jemanden, der kurz vorher in einer ähnlichen Situation war und mir davon hätte berichten können. Zumal mir diese Kaffeekränzchen abgrundtief auf den Geist gehen, wo ihr redet und redet: über Babys, Mütter, meine Geburt, deine Geburt, Pampers oder Stoffwindeln, Stillen oder gleich die Flasche, was und wann zufüttern, erste Töne, zweite Töne, wo die Töne überall rauskommen und was sonst noch so rein und raus muss. Manchmal raste ich innerlich dermaßen aus, dass ich euch am liebsten irgendwie zeigen würde, wie ihr euch für mich anhört, ihr… Ich verstehe ja, naja irgendwie schon, dass das alles aufregend ist und so, aber – meine Fresse – werdet mal locker. Milliarden von Müttern und Vätern – ganz abgesehen von den vielen armen Kindern – haben das schon vor Euch durchgemacht und auch geschafft. Meistens drücke ich mich aber einfach vor solchen Treffen.
Ich bin nicht getrieben von dieser Political Correctness, hab nicht so wirklich eine Gender-Agenda und bei mir bilden sich auch noch keine Rentensorgenfalten. Ich bin ein ganz Normaler, würd‘ ich sagen. Denk ich zumindest. Vielleicht bin ich auch so ein konservativ-erzogener Jungspießer, der aber als Kind schon mehr erlebt hat als der Durchschnittsdeutsche und der noch mit jugendlicher Leichtsinnigkeit und Sorglosigkeit behaftet ist, die von so manchem in besagter Runde vielleicht als Charakterschwäche gedeutet werden mag. Jedenfalls habe auch ich Wünsche, Erwartungen, Träume. So Vieles möchte ich noch sehen, erleben, machen.
Was wäre, wenn ich nicht geheiratet hätte? Könnte ich dann mehr von meinen Träumen verwirklichen? Wäre die Suche nach meiner Identität leichter, freier? Was wäre wenn wir jetzt noch kein Kind erwarten würden? Versteht mich nicht falsch. Es war kein Versehen und auch keine spontane Entscheidung. Meine Frau wollte zwar früher als ich, aber ich hatte von vornherein ein „Ja“ dazu. Warum dann nicht mal den Gedankengang umkehren? Warum denn nicht heiraten, Kinder haben, eine Familie gründen – dieses Chaos voller Leben erleben? Wenn ich sowieso irgendwann Familie haben möchte, dann wäre das vielleicht eines der Dinge, die man besser jetzt anfängt. Besser jetzt und ein wenig damit kämpfen als zu einem späteren Zeitpunkt – mit einer sicheren Arbeitsstelle, mehr Geld auf dem Konto, mehr Zimmern in der Wohnung, wenn man vielleicht gar nicht mehr weiß, ob das überhaupt zu einem passt.
Kennt ihr diese Mitte 40-jährigen neureichen Althippies mit Kind? Spazieren durch Berlin, Kind auf dem Laufrad vorneweg, und man weiß bei der Frau gar nicht: Ist das die Mutter oder die Oma? Das Gleiche gilt für die Männer mit dem Tausend-Euro-Kinderwagen. Jedenfalls beruhigen mich solche Beobachtungen. Es ist völlig in Ordnung, vielleicht sogar um Längen besser, jetzt schon – mit 25 – das erste Kind zu bekommen.
Mal abgesehen davon, dass ich noch im Studium bin (noch dazu in einem ohne Aussichten auf ein geregeltes oder hohes Einkommen), noch kein Geld verdiene, meine Frau und ich noch in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im 3. OG in Neukölln wohnen, bin ich doch jetzt jung und kann mit Kindern auf dem Wohnzimmerboden raufen. Und dann, wenn meine Kinder größer sind, werde ich noch fit genug sein, mit ihnen Fußball zu spielen und Kanutouren zu machen. Ich werde hoffentlich noch einen Drang nach Abenteuer haben und ihnen nicht grundlos oder aus Angst verbieten, durch die Felder zu ziehen und in Bächen Fische zu fangen. Ich werde noch verliebt sein und sie von Herzen in den Arm schließen können, wenn sie Kummer haben; werde ihnen noch begeistert mit den Erdkundehausaufgaben helfen können, mit ihnen im Winter im Wald Holz hacken gehen, einen Baum pflanzen. Eben all die Dinge, die man im Leben mal gemacht haben muss, werde ich mit meinen Kindern teilen können. Ich werde ihnen dann neben einem verantwortungsvollen Vater auch ein Freund sein – anstatt von einem Schaukelstuhl aus zuzuschauen und nicht beim Lesen oder Tatort gucken gestört werden wollen.
So oder so: Jetzt ist es jedenfalls so weit. Wenn man es bis jetzt, trotz innerer Überzeugung noch nicht wahrhaben wollte – oder zwar logisch begriffen, aber emotional nicht gecheckt hat: dieses Ultraschallfoto ist der Beweis. Live sieht man auf dem Monitor bei der Frauenärztin sogar das Herz schlagen.
Doch was ist ein Beweis wert, wenn sich trotz allem beim Betrachter scheinbar nichts ändert? Mir ist wirklich nicht unwohl in Anbetracht der Tatsache, dass ich mit 25 Vater werde. Ich fühle mich aber auch nicht sonderlich beflügelt. Es ist halt so. Außerdem dauert es noch ungefähr sieben Monate bis aus diesem winzigen Ding ein Baby wird, das, ja was eigentlich? Viel schläft und futtert? Viel schreit und spuckt? Oder mir doch eine Art Lebenserfüllung bescheren wird? Aber was wird daran so erfüllend sein? Und wann tritt diese Erfüllung ein? Sinniere ich dann in ferner Zukunft im Schaukelstuhl, Blick und Herz in die Ferne schweifend, über die Vergangenheit nach und bekomme ein Gefühl der Zufriedenheit, gar des Friedens, wenn ich an all die Dinge denke, die ich getan und mit den Kindern erlebt habe? Anstatt zu bereuen, was ich hätte tun sollen, wen ich gerne in meinem Leben gehabt hätte und wie mein Leben dann anders gewesen wäre? Werde ich mit Familie nicht allein sein? Ist ein Sinn im Leben, Nachkommen zu zeugen, die das Leben weitertragen? Oder ist es vielmehr die Fülle, die durch Frau und Kinder in mein Leben gebracht wird, die zur Erfüllung wird? Kinder, die aufwachsen, die Fehler machen, die tolles (mit)erleben, die Freude ausstrahlen, die lernen, die sich verlieben und mit all dem wieder zum Leben erwecken, was bei mir dann längst eingegangen ist?
Vielleicht ist das alles auch noch zu weit weg. Ich meine, ich musste keinen Schwangerschaftstest machen, in mir wächst zur Zeit kein neues Lebewesen heran, das an mir zehrt und mich dazu bewegt, Unmengen an kulinarischen Neuentdeckungen zu verschlingen, ich habe keine Hormonumstellung, mir ist morgens nicht schlecht – wenn ich überhaupt aus dem Bett komme –, ich habe auch sonst keine physischen Beschwerden und werde auch bis zum Ende der Schwangerschaft keine zehn, fünfzehn Kilo zunehmen. Ich habe keine Angst vor der Geburt.
Mir stellt sich trotzdem die Frage: Was wäre wenn?
Heinrich meint
„und man weiß bei der Frau gar nicht: Ist das die Mutter oder die Oma?“ von der Perspektive eines Dreijährigen aus, sind solche Mutmaßungen durchaus nachvollziehbar.
Aber grundsätzlich möchte man dir nach dem Lesen dieses Artikels gerne zurufen „Ich verstehe ja, naja irgendwie schon, dass das alles aufregend ist und so, aber – meine Fresse – werde mal locker“.
Anmaßungen, was, wann und wie richtig ist in einem Leben, sind halt dann doch nicht so interessant, weil sie eigentlich nur einen selbst betreffen. „Jeder nach seiner Facon“, um es mal mit dem alten Fritz zu sagen.
Frank meint
Sehr schön geschrieben =)