Die Fernsehgewohnheiten der Deutschen sind im Wandel. Während große Unterhaltungsshows wie „Wetten dass…?!“ oder „DSDS“ ihre Marktanteile verlieren, konsumieren immer mehr Zuschauer ihre Lieblingsserien aus dem Internet. Noch kommen die meist aus den USA, aber auch das könnte sich bald ändern – denn erfolgreiche Dramen aus Korea werden in Deutschland immer beliebter.
Die Deutschen leiden häufig unter Schwermut: Ein halb volles Glas ist für sie halb leer, die deutschen Sportler haben bei den olympischen Winterspielen in Sotchi im Medaillenspiegel „nur“ Platz 6 erreicht und auch bei der anstehenden Fußball-WM in Brasilien werden sie wieder alle der bessere virtuelle Bundestrainer sein und etwas zu meckern haben, wenn die deutsche Nationalelf nicht den Weltmeistertitel nach Deutschland holt.
Nicht anders ist es bei „Wetten dass…?!“, dem Unterhaltungsflaggschiff des ZDF. Jeder Zuschauer fühlt sich als besserer Produzent, Moderator und Programmdirektor zugleich. Zu mäkeln haben sie immer etwas. „Eine Sendung leidet an Burnout“ titelte etwa Spiegel Online. Viele suchen die Schuld beim Moderator und übersehen dabei den sich wandelnden Trend der deutschen Fernsehgewohnheiten. Während die Zuschauerzahlen bei „Wetten dass…?!“ oder „DSDS“ peu à peu zurück gehen, laufen immer mehr TV-Konsumenten zu Streaming-Diensten über. Streaming-Dienste sind Datenbanken, die im Internet Videos wie TV-Serien oder Kinofilme zur Verfügung stellen. Im Gegensatz zum Download werden die Daten aber nicht auf den Computer gespeichert, sondern direkt angezeigt und anschließend verworfen. Die bekanntesten Dienste heißen Watchever, Lovefilm (Heißt neuerdings „Prime Instant Video“; von Amazon), Maxdome oder Videoload. Es wird erwartet, dass der amerikanische Marktführer Netflix bald seinen Start in Deutschland bekanntgeben wird. Dann könnte sich der neue Trend weiter beschleunigen.
Streaming-Dienste sind im Kommen
Der Vorteil von Streaming-Diensten ist schnell aufgezählt: Man kann seine Lieblingsserien oder Filme anschauen, wann man möchte. Man braucht nicht eine Woche auf die nächste Folge zu warten. Es gibt in der Regel ein viel größeres Angebot und der Austausch mit den gleichgesinnten Fans ist durch Kommentarfunktionen und den Anschluss an soziale Netzwerke viel einfacher möglich.
In den USA ist bereits ein weiterer Trend zu erkennen. Große Dienstleister wie Hulu und Netflix arbeiten mit mit der auf asiatische und lateinamerikanische Inhalte spezialisierten Firma Dramafever zusammen. Mitgegründet wurde Dramafever von Suk Park, der in Spanien aufwuchs und in den USA studierte. Weil er beruflich viel unterwegs war, stellte er fest, dass in vielen asiatischen Ländern illegal koreanische Dramen mit schlechter Qualität übers Internet angeboten wurden. Er ging mit seinem Freund Seung Bak nach Südkorea und putzte die Klinken der Hauptsender. Mit Überredungskunst und Geschick konnten sie die Sender für sich gewinnen und so gründeten sie die Firma Dramafever in New York. Inzwischen bietet der Anbieter über 13.000 Episoden aus 12 Ländern an. In Kürze will Dramafever auch in Europa starten. Die Firma arbeitet mit professionellen Übersetzern und sendet die Serien mit englischen – manchmal auch spanischen – Untertiteln mit Originalton. So entfallen die teuren Synchronisationen.
Einen anderen Weg geht die ebenfalls relativ junge Firma Viki aus Singapur. Anders als Mitbewerber Dramafever ist Viki auf die Mitarbeit der Mitglieder angewiesen. Für fleißige Übersetzer bietet die Firma zusätzliche Inhalte, die normalerweise für die Region gesperrt sind, sowie Streams in HD-Qualität. Die Abo-Gebühr entfällt für diese Leute ebenfalls. Beide Anbieter offerieren werbefinanzierte sowie werbefreie aber kostenpflichtige Modelle. An der Vielzahl der erstellten Sprachen kann man bei Viki erkennen, dass die koreanischen Dramen (K-Drama) nicht nur von Asiaten genutzt werden. Viele Fans aus Südamerika, USA, Kanada, Naher Osten und Europa können zudem Kommentare im Film hinterlassen. Manche Serien sind so beliebt, dass sie überfüllt mit Kommentaren sind, dass man nur schwer alle Kommentare verfolgen kann. Natürlich kann man sie auch ausblenden.
Serienjunkies sind keine Idioten
Daily-Soaps stehen für seichte Unterhaltung und gelten als Hausfrauen-Magnet. Anders als bei amerikanischen oder europäischen Daily-Soaps handelt es sich bei K-Dramen jedoch um aufwendig produzierte Telenovelas. Sie enden stets nach einer einzigen Staffel, die selten fortgesetzt wird. Ebenfalls anders: K-Dramen werden bereits ausgestrahlt, bevor die Dreharbeiten der Staffel komplett abgeschlossen sind. Zwischen den Fans und den Machern findet eine rege Kommunikation statt, sodass die Produzenten die Serie im Erfolgsfall um einige Episoden verlängern können oder das Ende etwas anders gestalten als ursprünglich geplant. In Südkorea werden solche Dramen meist zwei Mal pro Woche in den Hauptsendezeiten ausgestrahlt.
Nicht alle Zuschauer solcher Serien sind süchtige Serienjunkies, die ohne Verstand konsumieren. Eine krebskranke Französin zum Beispiel fing während ihrer Therapie an, bei Viki K-Dramen zu übersetzen und konnte so ihre schwierige Phase überwinden. Ihre Kinder, ebenfalls durch Viki angesteckt, fingen an, sie bei der Übersetzungsarbeit zu unterstützen und konnten somit ihre Sprachfähigkeiten verbessern.
Auch ist es nicht so, dass die K-Dramen anspruchslose Unterhaltungsserien sind. The Wall Street Journal schrieb einen Artikel, in dem angeblich geistig anspruchslose K-Dramen der bekannten amerikanischen Serie „The Big Bang Theory“ gegenüberstellt wurden. K-Dramen würden von einfachen Leuten mit weniger Bildung konsumiert werden, hieß es in dem Artikel. Am nächsten Tag gab es eine riesige Entrüstung in diversen Foren aus aller Welt und über alle sozialen Schichten hinweg. Das Wall Street Journal erhielt erboste Beiträge von Akademikern, Richtern, Ärzten und Lehrern.
K-Dramen für alle
Man könnte meinen, dass K-Dramen hauptsächlich von Asiaten bzw. von ethnischen Asiaten in den USA konsumiert würden. Eine Untersuchung von Dramafever hat aber ergeben, dass das nicht der Fall ist. K-Dramas kommen bei allen Bevölkerungsgruppen gut an. Viele der Zuschauer haben die Nase voll von den expliziten Darstellungen der amerikanischen Serien. Andere Zuschauer sind an einer neuen Kultur interessiert. Dass Menschen aus dem asiatischen, lateinamerikanischen Raum sowie aus dem Nahen Osten sowieso auf ähnliche familiäre Werte stehen und daher die Serien aus Südkorea für diese Zuschauer empfänglicher sind, ist nicht von der Hand zu weisen.
Wie Dramafevers CEO Seung Bak einmal erklärte, handelt es sich bei den K-Dramen immer um eine mehr oder weniger komplizierte Liebesgeschichte, in denen es die Umstände zweier füreinander bestimmter Menschen schwer macht zueinander zu finden. Dabei ist die Liebesgeschichte in einem großem Genrespektrum eingebettet: Es gibt Krimis, Kriegsdramen, romantische Komödien oder gar Vampirfilme. In vielen dieser Serien nimmt der Mann die dominante Rolle ein. Sie sind Könige im alten Korea, der Sohn eines reichen Chaebols (großes Familienunternehmen) oder ein gutaussehender Außerirdischer mit speziellen Fähigkeiten. Frauen hingegen nehmen die Rolle eines einfachen Mädchens ein, das ein reines Herz hat und gut aussieht. Freilich dürfen böse Rollen nicht fehlen: So wird nicht selten die böse Rolle für eine Schwiegermutter reserviert.
Die koreanische Welle
Koreanische Dramen verbreiteten sich parallel mit dem Erfolg der koreanischen Pop-Musik, sogenanntem K-Pop, was insgesamt als Hallyu (koreanische Welle) bezeichnet wird. Bereits in den 1990er Jahren mit dem in Japan sehr erfolgreichen Liebesdrama „Winter Sonata“. Heute noch kreischen die Fans – meist Frauen im mittleren Alter -, wenn der Hauptdarsteller Bae Yong-Joon irgendwo in Japan auftritt. „Dae Jang Geum“, ein historisches Drama über ein Mädchen, das im alten Korea erst einmal zu einer königlichen Köchin und später sogar zu einer königlichen Ärztin wurde, wurde in China so erfolgreich, dass der damalige chinesische Staatspräsident Hu Jintao meinte, dass er die Serie sehr genoss, jedoch wegen seiner Arbeit leider nicht alle Folgen verfolgen könne. Eine actionreiche historische Serie „Jumong“ erreichte im Iran sogar einen Marktanteil von über 80 Prozent.
Neben den eindrucksvollen Erfolgen in vielen Ländern erzielen die K-Dramen einen Schneeballeffekt im Marketing. Auch wenn die Markenlogos in den Serien versteckt werden müssen, erkennen die Koreaner mit welchen Automarken die Stars der Serien unterwegs sind. BMW, Audi und Mercedes gehören zu den Lieblingsmarken vieler gutbetuchter Kunden in Korea. Deutsche Automobilbauer haben auch den K-Dramen zu verdanken, dass ihre Autos in Korea so erfolgreich sind. Auch andere Produkte werden gewollt oder ungewollt in den Serien platziert, die daraufhin teilweise so große Nachfragen generieren, dass nach wenigen Tagen der Ausstrahlung diese Artikel nicht mehr zu haben sind. So soll ein 8.000 Dollar teurer Manteltyp aus den USA, die eine Hauptdarstellerin in einer Serie getragen hat, innerhalb weniger Tage komplett ausverkauft gewesen sein. Weitere Effekte können bei der ständig zunehmenden Anzahl der Touristen in Korea beobachtet werden, die nur nach Korea reisen um die Aufnahmeorte zu besichtigen, sich mit Kosmetika einzudecken oder eine Schönheits-OP machen zulassen, damit sie so aussehen wie die hübschen Darstellerinnen in den K-Dramen.
Einen Synergieeffekt erzielen die Macher dieser Serien dadurch, dass sie gezielt K-Pop-Stars in den K-Dramen einsetzen, um auch ein junges Publikum zu gewinnen. Andererseits werden manche Lieder erst durch K-Dramen berühmt, weil sie im Originalsoundtrack einprägsame Szenenbilder begleiten.
Skeptische TV-Verantwortliche
Nun stellt sich die Frage, warum die erfolgreichen Serien aus Korea im deutschen Fernsehen gar nicht gezeigt werden. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Programmverantwortlichen in Deutschland sehr konservativ denken und keine Risiken eingehen wollen. Schließlich wäre eine Synchronisation der Serien erst einmal mit hohen Kosten verbunden. Auch sind sie skeptisch, dass der Kulturunterschied zwischen Westen und Osten so groß ist, dass der Erfolg hierzulande nicht garantiert ist.
Dass aber nicht alle Deutschen so schwermütig sind, sondern neugierig und aufgeschlossen gegenüber anderen Kulturen sind, sieht man unter anderem anhand der zahlreichen deutschen Übersetzungen, Kommentare und Diskussionsbeiträgen zu den koreanischen Dramen auf den verschiedenen Streamingportalen.
eriinnye meint
Danke für den interessanten und sehr gut recherchierten Artikel. Hoffentlich können wir in Deutschland auch bald von Streaming Seiten wie Dramafever oder Netflix profitieren :)
RainyDay meint
Ich würde mich riesig über K-dramen im deutschen fernsehen freuen, wobei ich sagen muss, dass ich mich nur für die Serien von Rain interessiere :) das sind: a love to kill, full house und the figutive plan b
Hoffe wirklich dass diese Serien mal im deutschen TV laufen, mit synchro…
lolio meint
Koreanische Drame sind die besten Serien überhaupt! Wieso?! Ganz einfach! Sie haben meist immer die richtige Anzahl an Folgen und so endet die Serie immer gut. So bleiben die Serien auch immer Spannend und werden auch nie langweilig!
Marie21 meint
Ich liebeeeeeeeeeee Fernsehserien aus Südkorea. Habe sie der Serie Full House für mich entdeckt und seitdem schau ich mir eine nach der anderen an. Sie sind viel qualitativer als Us-amerikanische Serien, die oft total sinnlos werden, weil sie Staffel für Staffel verlängert werden. Ich hoffe, sie werden bald im deutschen Fernsehen ausgestrahlt, in Europa werden sie bereits in Spanien, Italien, Griechenland, Ungarn, Rumänien, Russland im Fernsehen ausgestrahlt!!!!
Mirco meint
Hallo Marie21,
vielen Dank für den Senf dazu und die zusätzlichen Infos. Ich wußte nur, dass in Rumänien vor einigen Jahren eine koreanische Serie gezeigt wurde aber der Rest ist mir neu. Auch ZDF hatte einmal darüber nachgedacht die erfolgreiche historische Serie „Dae Jang Geum“ einzukaufen. Aber hat sich dann doch anders überlegt.
Übrigens, falls Du diese Serie kennst – eine Fortsetzung soll im Herbst dieses Jahres gedreht werden. Also stay juiced, wie Daniel zu sagen pflegt… ;)
Hannah meint
Ich will gar nicht erst, dass koreanische Serien ins deutsche TV kommen. Erstmal wären die Sendezeiten vermutlich total ungünstig, weil niemand KDrama auf die Hauptsendezeit verlegen würde und so müsste man dann wahrscheinlich bis 23.45 Uhr wachbleiben um eine Episode zu sehen, und zweitens würde die schlechte Synchronistaion alles zerstören wie z.B. bei Gossip Girl. Solange man auf viki und dramafever noch weiter kostenlos fast alle Dramen anschauen kann brauche ich das ganze nicht im deutschem Fernsehen. Nichtsdesto trotz ist der Artikel sehr informativ, also danke dafür!!
Mirco meint
Hallo Hannah,
vielen Dank für deinen Beitrag. Ich glaube auch kaum, dass die deutschen Sender an Ausstrahlung von K-Dramen interessiert sind. Die Gründe habe ich ja bereits in meinem Artikel genannt. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben aber neben den Bildungsauftrag auch den Auftrag die kulturelle Vielfalt in Deutschland in ihrer Programmplanung zu berücksichtigen. Nach meiner Einschätzung haben sie aber beide Ziele verfehlt.
Aber es kommt noch hinzu, dass die Deutschen gewohnt sind synchronisierte Fassungen zu sehen. Das ist auch übrigens eines der Gründe, warum die Skandinavier oder die Niederländer im Schnitt besser mit der englischen Sprache umgehen können als die Deutschen. Dort sind Synchronisierungen eher die Ausnahme. Stattdessen werden die Filme in Originalfassungen mit Untertitel gezeigt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass das breite Publikum in Deutschland bereit wäre Untertitel zu lesen. Es kommt ja noch die kulturelle Barriere hinzu.
Du hast ganz Recht. Die öffentlich-rechtlichen Sender hätten nur die Möglichkeit solche Sendungen – wenn überhaupt – zu später Stunde zu zeigen. Nachmittags wäre es schwierig, weil dort die lukrative Sendungen (mit Werbeeinnahmen) platziert werden müssen. Für die Hauptsendezeiten sind ja bereits gewohnte Tatort oder Talkshows (billiger zu produzieren) oder Spielfilme eingeplant. Dafür wäre der Einkauf einer ganzen Serie sehr teuer (die K-Dramen sind übrigens viel günstiger als die US-Serien) aber wahrscheinlich sind die Synchronisation aufwendiger.
Ich denke so oder so, werden die Zuschauer in naher Zukunft ihre Programme frei wählen können und das auswählen können, was die ganze Welt zu bieten hat. Die klassischen Fernsesender werden an Bedeutungen verlieren.
Übrigens konnte man auch in China ähnliches Phänomen beobachten. Dort hat die zentrale Regierung aus Angst in ihren Programmen würden nur noch K-Dramen gezeigt, die Ausstrahlung von K-Dramen (oder allgemein ausländische Programme) stark eingeschränkt. So sind die Anbieter auf die Internet-Schiene ausgewichen und die Anbeiter erfreuten sich über die Abrufrekorde.
Auch in den USA sieht man diesen Trend sehr deutlich. Innovative Serien werden inzwischen von den Streaming-Anbietern in Auftrag gegeben.
Die Schwierigkeit der Synchronisationsarbeit ist, dass viele Dinge nicht einfach eins zu eins übersetzt werden können. Vor allem wenn der Kulturunterschied so groß ist. Dadurch könnten viele Details verloren gehen und einige Andeutungen werden erst gar nicht verstanden werden. Aber trotzdem denke ich, dass es wichtig ist, dass man hierzulande auch Programme aus anderen Ländern gezeigt werden, damit die kulturelle Barriere fällt. Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Sender sind nach meiner Meinung dazu aufgefordert – zumal sie einen enormen Etat durch die GEZ-Gebühren verfügen – übrigens auch von zahlreichen Zuschauern aus anderen Teilen der Welt, die nach Deutschland zugewandert sind.
Tai Fei meint
„Übrigens konnte man auch in China ähnliches Phänomen beobachten. Dort hat die zentrale Regierung aus Angst in ihren Programmen würden nur noch K-Dramen gezeigt, die Ausstrahlung von K-Dramen (oder allgemein ausländische Programme) stark eingeschränkt.“
Wobei sich diese Einschränkung weniger gegen K-Dramen richtet. Immerhin ist der Wertekanon hier relativ identisch. Außerdem gibt es in China mit TVB selber einen starken Dramenproduzenten aus HK und auch Mainland-China wie auch Taiwan produzieren recht gute Dramen. Zumindest die TVBs können mit den koreanischen qualitativ durchaus mithalten.