Schaut man in die Taschen der Weltbevölkerung, ist eines nicht mehr wegzudenken: Elektronikgeräte von Samsung. Der Tech-Riese aus Südkorea beeindruckt immer wieder mit seinen technischen Neuheiten. Beeindruckend ist auch die Geschichte des Unternehmens. Wie konnte aus einem kleinen Lebensmittelhandelsgeschäft eine der größten Unternehmensgruppe der Welt werden?

Samsung ist allgegenwärtig. In den zahlreichen Onlineanzeigen, Fernsehwerbungen, in Zeitschriften und auf den riesigen LCD-Werbeschildern an der Times Square in New York – überall ist das Logo von Samsung zu sehen. Die Marke Samsung ist drittbeliebteste Marke hinter Nivea und dm in Deutschland. Auch die Produkte von Samsung sind sehr beliebt und begehrt – insbesondere die Smartphones. „Von den 13 beliebtesten Smartphones stammen gleich zehn aus Samsungs Galaxy-Familie“, berichtet Die Welt im vergangenen Jahr. In Diskussionsforen streiten die Apple-Fans gegen die Anhänger von Samsung leidenschaftlich darüber, welches Unternehmen die besseren Smartphones herstellt. Doch nur wenige Smartphone-Fans wissen, dass die Anfänge und Geschichte des Unternehmens dem eines Wunders gleichkommt. Denn die Zeichen standen denkbar schlecht.
Schwieriger Anfang
Anfang des 20. Jahrhunderts war es nur sehr wenigen Koreanern gestattet, eine Firma zu besitzen und zu führen. Zu dieser Zeit befand sich Korea unter der kolonialen Herrschaft Japans. Erze, Mineralien und landwirtschaftliche Güter, die in Korea abgebaut und erzeugt wurden, wurden für die japanische Expansion in Asien eingesetzt. Die koreanische Halbinsel wurde systematisch für japanische Interessen ausgebeutet und die Koreaner wurden wie Menschen zweiter Klasse behandelt.
In dieser schwierigen Zeit dachte sich ein junger Reishändler namens Lee Byung-chull, dass man auch koreanische Lebensmittel über China und die Mandschurei hinaus exportieren könnte und gründete 1938 die Firma Samsung. Samsung bedeutet auf Koreanisch „drei Sterne“ und steht symbolisch für „groß, stark und ewig“. Er wurde schnell erfolgreich. Jedoch nur für kurze Dauer, denn nur wenige Jahre nach der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft im Jahre 1945 brach der Koreakrieg aus, der bis 1953 wüten sollte. Alles was Lee angefangen hatte, wurde zerstört. Er musste wieder von vorne anfangen. Nach dem Krieg baute er seine Handelsfirma wieder auf und erweiterte sein Betätigungsfeld in Textilproduktion. Die Textilien von Samsungs Textilfabriken, die Textilsparte wurde unter dem Namen Cheil Industries geführt, waren günstiger als die Importwaren und bald wurden die Produkte auch nach Ausland exportiert.1.

Der typische Charakterzug der Koreaner ist der hohe Grad an Familiensinn: Sie gründen lieber kleine Tante-Emma-Geschäfte und beschäftigen dort ihre Verwandte anstatt mit Fremden größere Unternehmen zu gründen und Risiken einzugehen. So gibt es bis heute zwar etliche kleine und große Firmen in Südkorea, aber die meisten Firmen sind Tante-Emma-Geschäfte2. Der große Familiensinn spiegelt sich auch bei den großen Unternehmen, den Chaebols, wider. Die Chefetagen werden von den Familienmitgliedern oder angeheirateten Verwandten besetzt.
Import verhindern – Export fördern

Der damalige Präsident Südkoreas Park Chung-hee, Vater der jetzigen Präsidentin Park Geun-hye, der Anfang 1960er Jahren durch einen schnellen Putsch Macht über das Land erlangte und es fortan diktatorisch regierte, setzte vor allem ein Ziel: den schnellen wirtschaftlichen Aufbau des Landes. Er ließ mit dem Geld aus den USA, das er teilweise für die Entsendung der südkoreanischen Soldaten in den Vietnamkrieg erhalten hatte und aus Japan, das die Reparation für die Ausbeutung während der Kolonialzeit darstellte, die Infrastruktur des Landes aufbauen und setzte ehrgeizige Ziele damit die südkoreanischen Unternehmen auf internationales Niveau gehievt werden konnten. Flankierende Maßnahmen wurden ergriffen: Importgüter wurden mit hohen Zöllen belegt und die Bevölkerung wurde angewiesen heimische Produkte zu erwerben. Für damalige Zeit bedeutende Chaebols wurden hingegen ausgewählt und gezielt gefördert. Die enge Zusammenarbeit zwischen der Regierung und den mächtigen Chaebols förderte die schnelle Durchsetzung der wirtschaftlichen Ziele. Bis heute ist die enge Beziehung geblieben.
Rasche Expansion
Der ehrgeizige Lee Byung-chull gab sich mit seinen Textilunternehmen nicht zufrieden und expandierte kontinuierlich in andere Businessbereiche weiter: Er investierte in Versicherung- und Finanzdienstleistungsgewerbe, Immobilien, Baufirmen und sogar in Schiffbau. Die wohl bedeutsamste Entscheidung in der Unternehmensgeschichte von Lee war jedoch der Einstieg im Elektronik-Geschäft. Er hatte die erfolgreichen japanischen Elektronikkonzerne genau beobachtet und fand heraus, dass ein großer Bedarf an elektronischen Gütern sowohl im heimischen Markt als auch im Ausland vorhanden war. Er gründete im Jahre 1969 Samsung Electronics.
Der Anfang war auch hier nicht einfach. So war der Mitbewerber Lucky Goldstar (heutige LG) im heimischen Markt dominierend. Auch die ersten Geräte von Samsung Electronics waren alles andere als qualitativ überzeugend. Die ersten Ventilatoren von Samsung etwa, die im schwülwarmen Südkorea vielfach gekauft wurden, waren von mangelhafter Qualität. Sie brachen wortwörtlich auseinander. Auch die ersten monochromen TV-Geräte von Samsung waren nicht die erste Wahl: Die Elektronikhändler empfahlen LG-Geräte.
Wettbewerb über alles

Der Markteintritt von Samsung ins Elektronik-Geschäft wurde zudem von der Regierung mit Skepsis betrachtet, weil einige das angestrebte ungehinderte Wachstum von Lucky Goldstar gefährdet sahen. Hinzu kam, dass Lees zweite Tochter mit einem Sohn des Lucky Goldstar-Gründers verheiratet war. Lee jedoch überzeugte Präsident Park, dass der heimische Wettbewerb für die Innovation förderlich sei und er sollte Recht bekommen, denn heute ist Samsung Electronics weltweit führend im TV-Geschäft, während der Konkurrent LG führend im Display-Geschäft ist und dort beispielsweise Panels für TV und Monitore produziert. 3.
Gute Schüler und gute Lehrer
Die ersten TV-Geräte von Samsung Electronics wurden auf Lizenz von japanischen Unternehmen produziert. Überhaupt fertigte Samsung am Anfang erst einmal billige einfache Geräte als OEM (Original Equipment Manufacture – zu Deutsch: Erstausrüster). Ein OEM ist ein Produzent, der Produkte herstellt, diese jedoch nicht selbst vertreibt. Doch auch als OEM konnte man erfolgreich agieren: Anfang der 1980er Jahre war Samsung bereits Weltmarktführer von Mikrowellenherde. Samsungs Mikrowellenherde wurden massenweise in die USA und nach Europa exportiert. Trotzdem war die Marke Samsung außerhalb von Südkorea kaum bekannt. Der Grund: Die Mikrowellenherde wurden im Ausland unter einer anderen Marke verkauft. So dachten die meisten Konsumenten dort, dass sie heimische Produkte erwarben – in Wirklichkeit kamen sie aus Südkorea.
Lee Kun-hee, auch Lee II genannt, der dritte Sohn des Samsung-Gründers Lee Byung-chull, genoss seine Ausbildung an den Elite-Unis Japans und den USA und begann im Jahr 1969 bei der Samsung-Gruppe. Um unabhängiger von den japanischen und amerikanischen Herstellern zu werden, stellte Lee II verstärkt Experten aus Japan und den USA ein, meist Uni-Absolventen koreanischer Einwanderer mit Unternehmenserfahrung. Einige Experten wurden sogar mit einer besseren Bezahlung als der Unternehmenspräsident gelockt und ihnen wurde große Freiheit in ihrem Handel zugesichert.
Strikte Rangordnung – keine Gewerkschaft
Das war und ist keine Selbstverständlichkeit bei Samsung und in den meisten übrigen Chaebols. Es gilt dort strikte Rangordnung und die hierarchische Struktur steht derer vom Militär kaum nach. Das war ein wesentlicher Grund, weswegen die Chaebols ihre Mitarbeiter lange Zeit nach gehorsamen „Soldaten“ – möglichst aus Elite-Unis in Südkorea – aussuchten. Bis heute gibt es bei Samsung in Südkorea keine unabhängige Gewerkschaft. Aus westlicher Sicht ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Andere Chaebols der Schwerindustrie oder staatliche Unternehmen haben sehr starke Gewerkschaften mit fast militanten Zügen. Manche Streiks früherer Jahre eskalierten häufig und auch die Einsätze der Polizeikräfte waren nicht sehr zimperlich.

Dass es bei Samsung keine unabhängige Gewerkschaft gibt, heißt allerdings nicht, dass dort Verhältnisse herrschen wie in einigen Textilfabriken von Bangladesch. Samsung ist in Südkorea der beliebtester Arbeitgeber, weil unter anderem die Bezahlung gut ist. Ansehen des Unternehmens spielt eine wesentliche Rolle für viele Arbeitnehmer in Südkorea. Aber auch die Unternehmensführung hat von sich aus durchgesetzt, dass ihre Mitarbeiter nicht freiwillig bis zur späten Stunde arbeiten, was in vielen Firmen in Südkorea noch gängig ist. Samsung führte auch eine Regel ein, um der ungezügelten Trinkkultur in Südkorea ein Ende zu setzen. In Südkorea ist es üblich, dass Vorgesetzte nach Feierabend mit den Mitarbeitern Essen und Trinken gehen, was häufig in ein exzessives Trinkgelage ausartet.
Ohne RAM kein Computer
Samsung Electronics wurde schnell erfolgreich als OEM sowie als Hersteller der elektronischen Komponenten für Unterhaltungselektronik. Mit der Verbreitung von PCs waren zwei Komponenten sehr wichtig geworden: Der Hauptprozessor Central Processing Unit (CPU) und der Arbeitsspeicher Random-access Memory (RAM). Noch in den 1970ern wurde fast alles in den USA produziert. In den 1980ern verlagerte sich die Produktion nach Japan, da japanische Firmen Lizenzen von den US-amerikanischen Firmen erwarben und deutlich günstiger produzierten.
Lee II, der an technischen Dingen sehr interessiert war, hatte wie sein Vater ein Gespür dafür, was in naher Zukunft für die Menschen von Bedeutung sein könnte und stieg in RAM-Produktion ein. Samsung Electronics investierte massiv in neue Produktionsanlagen und Experten aus dem Ausland um den Vorsprung der japanischen Hersteller zu überholen.
Schnelligkeit ist keine Hexerei

Das RAM-Geschäft gilt als sehr schnelles und volatiles Geschäft. Durch die rasante Entwicklung in der Strukturverkleinerung (Mooresches Gesetz) der Chips profitiert das Unternehmen am meisten, das am schnellsten die ersten Produkte mit der Strukturverkleinerung auf den Markt bringt und die Produktion schnell optimiert, um möglichst schnell die Gewinnzone zu erreichen. Allerdings hat man nicht viel Zeit, da die Mitbewerber schnell nachziehen, sodass wegen des daraus resultierenden Überangebots der Preis und die Marge schnell sinken. Die Spirale geht dann weiter4.
Die Schnelligkeit des RAM-Geschäfts passte aber wie angegossen für die Südkoreaner. Die verbreitete Ppalli-Ppalli-Kultur (Ppalli heißt auf Koreanisch „schnell“) in der südkoreanischen Gesellschaft war auch bei Samsung sehr präsent. So baute Samsung Electronics ihre RAM-Produktionsstätte in Rekordzeit auf und fand ganz pragmatisch schnelle Lösungen, wenn Probleme auftauchten. Ein Beispiel: Eine sehr teure empfindliche Anlage für die DRAM-Produktion sollte von einem Gebäude in ein anderes neues Gebäude transportiert werden. Der Weg zwischen den beiden Gebäuden war allerdings in der Eile noch nicht fertiggestellt, sodass ein unbeschadeter Transport unmöglich war. Die Manager von Samsung Electronics wiesen den Mitarbeitern an, die Strecke sofort zu asphaltieren, was dann auch innerhalb von wenigen Stunden realisiert wurde – so etwas ist in Deutschland kaum vorstellbar. Die Schnelligkeit in der Planung und Durchführung plus der richtige Riecher mit nötigem Mut von Lee II führte Samsung Electronics zur Marktführerschaft in DRAM Anfang der 1990er Jahre. Seitdem wurde die Marktführerschaft in dem Bereich nicht abgegeben und die Firma baut die Technologieführerschaft in verwandten Technologien, zum Beispiel beim Flash-Speicher, aus.
Infineon, die Chipsparte von Siemens, konnte mit dem Geld aus der Börse und der finanziellen Unterstützungen der Länder einige Zeit mithalten. Aber gegen das mörderische Tempo im RAM-Geschäft konnte das deutsche Unternehmen nicht lange bestehen. Die RAM-Sparte wurde schließlich in Qimonda ausgelagert und nach wenigen Jahren musste sie Insolvenz anmelden.
Sonys Erfolg
Lange Zeit setzte die japanische Elektronikriese Sony die Maßstäbe in Sachen Unterhaltungselektronik. Mit dem Transistorradio sehr erfolgreich setzte das Unternehmen die Erfolgsserie mit Walkman, Farbfernseher und Camcorder fort. Die Kombination von Feinmechanik und Mikroelektronik beherrschte Sony wie keine andere Firma der Welt. So dominierten die japanischen Elektronikunternehmen weltweit in Analogtechnik.5
Samsung Electronics wollte nicht nur als OEM und als Komponentenhersteller tätig sein, sondern auch Endgeräte mit der eigene Marke verkaufen. Da Samsung Electronics bereits vertikal aufgestellt war, stellte es keinen großen Aufwand dar, auch Endgeräte zu vertreiben. Doch das Problem war zum einen, dass die japanischen Elektronikriesen bereits einen riesigen Vorsprung hatten und zum anderen, dass die Marke Samsung im Ausland kaum bekannt war.
Die Ruck-Rede

Lee Kun-hee fühlte sich alles anderes als zufrieden, als er im Ausland zusehen musste, wie die Samsung-Geräte in den Ecken der Elektronikgeschäfte verstaubten. Im Sommer 1993 ließ er während einer Weltreise zirka 200 Führungskräfte nach Frankfurt beordern und hielt eine dreitägige Rede, die in die Unternehmensgeschichte einging als „Frankfurter Erklärung“. Darin erklärte er die neue Strategie von Samsung, nicht mehr als nur als Zulieferer oder OEM zu arbeiten, sondern selbst Endgeräte für Verbraucher herzustellen. Er sagte seinen Mitarbeitern, sie sollten sich „von allem trennen – außer von der Frau und den Kindern“.
Der charismatische Unternehmenslenker Lee II fand außerdem heraus, dass die Samsung-Produkte qualitativ hinter den Konkurrenten hinkte. Als bekannt wurde, dass es mit einigen Handymodellen von Samsung Probleme gab, ließ er ganze Charge vor versammelter Belegschaft vernichten und anschließend verbrennen. Mehrere Millionen Dollar wurde in Minuten in Luft aufgelöst. Aber die Mitarbeiter wussten, dass sie mehr für die Qualität ihrer Produkte tun mussten.
Digitalzeitalter als Chance
Tatsächlich bat sich damals eine gute Gelegenheit für Samsung in der Displaytechnik, den mächtigen Konkurrenten aus Japan Paroli zu bieten. Es zeigte sich nämlich eine neue vielversprechende Displaytechnik ab: Mit dem Flüssigkristallbildschirm, bekannt als LCD für Liquid Crystal Display, waren die Endgeräte viel platzsparender, leichter und sparsamer im Energieverbrauch sowie schärfer in der Darstellung. Samsung setzte entschlossen auf diese neue Technik. Am Anfang gab es auch hier Schwierigkeiten: hoher Preis, Nachleuchteffekte und zu kleine Bildschirme.
Während die Mitbewerber noch lange auf die Röhrentechnik oder ganz andere Technik (z.B. Plasma oder Surface-conduction Electron emitter (SED) setzten, ließen die Koreaner sich nicht entmutigen und investierten weiter in die LCD-Technik. Qualitative Verbesserungen und Skaleneffekte – ähnlich wie bei DRAM-Fertigung – führten nach und nach zur Marktdurchdringung der LCD-Produkte. Röhrenbildschirme verschwanden allmählich aus den Regalen der Elektronikhändler.

Unternehmen, die lange Zeit auf Röhrentechnik setzten und den Umstieg in die neue Technik nicht schafften, gingen entweder Pleite, beispielsweise Schneider oder Grundig, wurden von anderen Unternehmen übernommen oder gerieten in Schwierigkeiten, darunter auch Sony. Heute werden Röhrenfernseher fast nur noch für die Entwicklungsländer produziert. In den Industrieländern hat sich die LCD-Technik durchgesetzt. Mit der Marktführerschaft in LCD-Technik konnten die koreanischen Marktführer LG und Samsung ihren Technologievorsprung in OLED-Technik weiter ausbauen.
Apples Erfolg
Steve Jobs, der nach langer Zeit zu Apple zurückgekehrt war, half dem Unternehmen mit sehr erfolgreichen Produkten wie iMac, iPod und iPad wieder zu früheren Glanzzeiten zurück. Er konzentrierte sich vor allem auf das Design und die intuitive Bedienbarkeit der Geräte. Trotz des relativ hohen Kaufpreises konnte er riesige Anzahl von Abnehmer für seine Apple-Geräte gewinnen. Der richtige Knaller kam aber, als Steve Jobs Anfang 2007 dem Publikum das iPhone vorstellte. Als hätten die Kunden nur auf so ein Produkt gewartet, bildeten sich Schlangen vor den Apple-Stores.
Von dem Erfolg der iPhones beeindruckt, brachte Samsung Galaxy auf den Markt. Smartphones verdrängten zunehmend die herkömmlichen Handys. Nokia verschlief wie einige andere Handy-Hersteller den neuen Trend und verlor weiter an Marktanteil. Das finnische Unternehmen, das lange Zeit der unangefochtene Weltmarktführer für Handys war, wurde schließlich 2014 von Microsoft übernommen.
Patentstreitigkeit

Die zunehmende Konkurrenz aus Südkorea schmeckte Apple nicht. Immer schneller brachte Samsung direkte Konkurrenzprodukte zu den sehr erfolgreichen iPhone und iPad auf den Markt. Zudem deckte Samsung mit etlichen Geräten ein breites Preisspektrum ab. Hinzu kam, dass die Produktzyklen bei Samsung viel kürzer waren als bei Apple. Irgendwann wurde der Marktanteil von Samsung bei Smartphones und Tablets so groß, dass die kalifornische Firma einschritt und mit Patentklagen gegen Samsung ins Feld zog. Samsung klagte seinerseits gegen Apple wegen Patentverletzungen. Der Patentstreit ist immer noch nicht ganz beigelegt. Zumindest geht der Streit in den USA noch weiter. IBM und Samsung führen die US-Patentrangliste an und Samsung investiert riesige Summen in Forschung und Entwicklung.
Der Bilanzvergleich zwischen den beiden Rivalen, der manchmal auch von Journalisten gemacht wird, ist unsinnig. Während Apple auf wenige Endprodukte im Premiumsegment spezialisiert ist, ist Samsung Electronics sowohl vertikal als auch horizontal aufgestellt. Will heißen: Samsung Electronics stellt die einzelnen Komponenten (zumindest die Schlüsselkomponenten) selbst her und macht alles bis zum Endprodukt selbst. Gleichzeitig zeichnet ihr Produktportfolio ein breites Spektrum ab. Samsung Electronics stellt neben Smartphones, Notebooks, Drucker, Haushaltsgeräten und Digitalkameras auch Klimageräte und elektronische Komponenten her. Ein bilanzieller Vergleich zwischen Samsung Electronics mit Apple wäre wie ein Vergleich von Äpfeln und Birnen oder zwischen VW und Porsche.
Bis vor kurzem führte Samsung im Smartphone-Absatz vor Apple. Und mit dem Galaxy S6 könnte Samsung wieder die Nummer eins werden. Aber auch die Hersteller aus China und Indien gewinnen schnell an Marktanteil – vor allem in ihren heimischen Märkten – hinzu. Im Premiumsektor ist Apple nach wie vor sehr stark.
Markenpflege
Die Manager von Samsung erkannten schnell, dass es besonders für einen Nachzügler wichtig ist, sehr viel für die Imagepflege der Marke zu tun. Denn ist eine Marke einmal populär, dann verbinden die Konsumenten die neuen Produkte der Marke mit den Attributen der bereits bekannten Produkte dieser Marke. Samsung Electronics investierte nicht nur viel in Forschung und Entwicklung, sondern gab viel Geld fürs Marketing aus.

Samsung holte die Top-Marketingleute wie Eric B. Kim ins Unternehmen und machte sie zu den bestbezahlten Arbeitnehmern in Südkorea. Viel Geld wurde für Image-Kampagnen ausgegeben. Allein 15 Millionen US-Dollar soll Samsung für nur zwei Minuten Fernsehwerbung beim Superbowl 2014 ausgegeben haben. Ebenfalls nicht knauserig ist Samsung, wenn viele Kameras auf die Sportler gerichtet sind. So schenkte die Firma allen Athleten bei den Olympischen Spielen in Sotchi ein Smartphone. Außerdem betreibt Samsung einen eigenen Baseballclub, fördert Sportvereine und einzelne Sportler und engagiert sich für Kultur und Bildung.
Späte Verantwortung
Die Marketingkampagnen von Samsung waren sehr erfolgreich. Schlechtes Licht auf das Unternehmen warf aber ein Skandal rund um Mitarbeiter, die an Leukämie erkrankten: Einige hatten ausgesagt, während ihrer Arbeit in Kontakt mit krebserregenden Stoffen gekommen zu sein und stellten Schadensersatzansprüche. Auf Druck von Politikern und der Öffentlichkeit entschuldigte sich Samsung dafür „dem Schmerz und den Schwierigkeiten der Opfer“ nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt zu haben versprach finanzielle Entschädigung zu zahlen. Samsung betonte aber, an der Erkrankung der Mitarbeiter nicht Schuld zu sein.
Marktmacht und Machtmissbrauch
Als ein riesiges Unternehmen ist die Bürde der Verantwortung entsprechend sehr groß. Die Verantwortung gilt nicht nur gegenüber den Mitarbeitern, sondern auch gegenüber den Mitbewerbern. Es ist zwar richtig, dass insbesondere im weltweiten Speicher- und Displaygeschäft ruinöse Preiskriege geführt wurden und eine Zeit lang viele Unternehmen sogar ihre Produkte unterhalb der Herstellungskosten verkauft haben. So ist es kaum verwunderlich, dass Firmen versuchten, die Preise abzusprechen und künstlich oben zu halten. Auch Samsung wurde mehrmals wegen Preisabsprachen zu Millionenstrafe verurteilt. Allerdings ist das kein alleiniges Problem dieser Branche. Auch in anderen Bereichen erfährt man von solch illegalen Praktiken.
Zwar wollte die südkoreanische Regierung Globalplayer im eigenen Land haben, aber inzwischen ist Samsung vielleicht zu mächtig geworden. Die letzte globale Finanzkrise mit dem Fall von Lehman Brothers hat gezeigt, wozu das führen kann, wenn ein sehr großes Unternehmen – so groß, dass es nicht Pleite gehen darf – doch zusammenbricht. Samsung und andere großen Chaebols werden von den Südkoreanern ambivalent betrachtet. Zum einen sind sie stolz, dass sie einen Globalplayer zuhause haben. Der Wunsch von vielen Uni-Absolventen ist auch bei den Chaebols anzufangen. Auf der anderen Seite sehen immer mehr Menschen die Chaebols mit Skepsis, weil sie ihre Marktmacht ausnutzen. Die enge Beziehung zwischen der Regierung mit den Chaebols ist auch den Leuten in Südkorea nicht geheuer. Es ist nur allzu verständlich, wenn Besitzer von Tante-Emma-Läden wütend protestieren, wenn die Frauen der Chaebols unterwegs sind, um die neuen Filialen zu eröffnen.
Der riesige Mischkonzern
Die Produkte von Samsung Electronics sind aufgrund der immensen Marketingbemühungen weltweit bekannt geworden. Häufig wird jedoch Samsung mit Samsung Electronics gleichgesetzt – sogar von einigen Journalisten. Zwar ist Samsung Electronics mit zirka 60 Prozent des Gesamtumsatzes der Samsung-Gruppe für den Konzern sehr wichtig, aber die Samsung-Gruppe besteht nicht nur aus Samsung Electronics. Mindestens zwei Dutzend weitere Tochtergesellschaften gehören zum Konzern.

Zum Beispiel zählt Samsung Heavy Industries zu einem der größten Schiffbauer der Welt. Zugleich stellt die Firma auch Windkraftanlagen her. Samsung Heavy Industries sollte im September 2014 mit dem auf Anlagenbau spezialisierten Samsung Engineering Co. durch einen Aktientausch fusioniert werden. Das Vorhaben platzte jedoch. Nichtdestotrotz sollen beide Unternehmen enger zusammenarbeiten.
Samsung Heavy Industries ist zunehmend dem starken Wettbewerb aus China ausgesetzt. China hat im Schiffbau Südkorea bereits überholt. Die südkoreanischen Unternehmen versuchen das verlorene Terrain im Containerschiffsektor durch Verlagerung in anspruchsvolleren Produkten wie LNG-Tanker oder Bohrinselanlagen wieder gutzumachen. Anscheinend erleiden die Schiffbauer in Südkorea das gleiche Schicksal wie die deutschen und japanischen Schiffbauer vor mehreren Jahrzehnten. Viele deutsche Werften mussten wegen starker Konkurrenz aus Asien schließen, fusionieren oder stark schrumpfen. Überlebt haben nur wenige Werften, die auf Nischenprodukte wie U-Boote, Kreuzfahrtschiffe oder Offshore-Windkraftanlagen gesetzt haben.
Überwachungsgeräte und Panzer
Ebenfalls zur Samsung-Gruppe gehört Samsung Techwin. Diese Sparte hat sich auf Überwachungssysteme, optische Geräte, Flugzeugtechnik und für Rüstungsgüter spezialisiert. Bekannte Produkte von dieser Sparte sind zum Beispiel die Panzerhaubitze K9 Thunder und wichtige Komponenten für den teuersten Panzer der Welt, den K2 Blackpanther. Während viele deutsche Politiker Bedenken hatten, Panzer in die Türkei zu exportieren, exportierten die Südkoreaner Panzerhaubitzen in die Türkei. Die Türkei hat auf den Leopard aus Deutschland verzichtet und produziert im eigenen Land eine modifizierte Version von dem K2 Blackpanther auf Lizenz.
Samsung SDI baut Bildschirme und Batterien sowie Akkus. Dieser Sparte wird vor allem deswegen viel Beachtung geschenkt, weil für die zukünftige Elektromobilität der Akku die Kernkomponente darstellt. Nur wenige Hersteller aus Japan und Südkorea sind in diesem Bereich weltweit führend und Samsung SDI ist einer der führenden Akku-Hersteller. Der deutsche Autohersteller BMW bezieht bereits für das Elektroauto BMW i3 sowie für Plug-In Hybrid Sportwagen i8 Akkus von Samsung SDI und letztes Jahr einen weiteren Ausbauplan der Geschäftsbeziehung unterzeichnet.

Zu Samsung C&T zählen zum einen die Bausparte, die sich insbesondere auf den Bau von Hochhäusern spezialisiert hat. Samsung C&T war unter anderem federführend beim Bau des höchsten Gebäudes der Welt, dem Burj Khalifa in Dubai. Die Bausparte von Samsung ist die drittgrößte in Südkorea. Der andere Zweig des Unternehmens ist die Handelssparte. Sie ist die größte in Südkorea.
Zu der Samsung-Gruppe zählt außerdem der in Südkorea führende Lebensversicherer Samsung Life, der Finanzdienstleister Samsung Card und der Freizeitparkbetreiber und Modeanbieter Samsung Everland. Samsung Everland plant einen Börsengang. Dieser Plan gehört zu der großen Umstrukturierung der Samsung-Gruppe, die bekanntlich vor dem Generationswechsel an der Spitze steht. Samsung Everland soll nach der Umstrukturierung eine führende Rolle des Konzerns spielen.
Quo Vadis Samsung
Überhaupt ist die Umstrukturierung des Konzerns im vollen Gange. So wurde Ende 2014 das Veräußerungsvorhaben von Samsung bekannt: vier Unternehmen, darunter Samsung Techwin und Samsung General Chemical, sollen an Hanwha, ebenfalls ein Chaebol in Südkorea, verkauft werden. Auch sollen wegen der stark rückläufigen Zahlen im Smartphone-Absatz die Modellpalette deutlich gestrafft werden. Das Unternehmen versucht außerdem die Technologieführerschaft in Speicherbereich zu behaupten und weiter auszubauen. So soll in den nächsten Jahren 11,6 Mrd. Euro für eine neue Chipfabrik ausgegeben werden. Solche Summen können nur wenige Unternehmen auf der Welt allein finanzieren. Schon etliche Unternehmen haben Konsortien gebildet, um gemeinsam Forschung zu treiben oder verlangen staatliche Subventionen, um solche teure Anlagen errichten zu können.

Das mächtige Unternehmen Samsung hat viele Höhen und Tiefen durchgemacht. Viele Krisen hat Samsung gemeistert: Während der Asienkrise Ende der 1990er Jahre mussten einige Chaebols in Südkorea aufgegeben werden. Der Autobauer Kia wurde von dem Konkurrenten Hyundai geschluckt. Die Elektroniksparten von Hyundai und LG wurden zu Hynix fusioniert und die Autosparte der Daewoo-Gruppe wurde an die amerikanische GM-Gruppe verkauft. Auch Samsung musste seine Autosparte an Renault abgeben.
Wegen Steuerhinterziehung wurde Lee Kun-hee sogar zu drei Jahren Haft auf Bewährung und 69 Millionen Euro Strafe verurteilt. Nach einigen Monaten wurde er von dem damaligen Präsident Lee Myung-bak begnadigt, da man Lee Kee-hun als Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees für die Vergabe der Olympischen Winterspiele 2018 nach Pyeongchang benötigte. Im Mai 2014 erlitt der 72-jährige einen Herzinfarkt und lag zwei Wochen lang im Koma, eher er wieder zu Bewusstsein kam und seitdem im Krankenhaus liegt.
3 Sterne für Samsung
Mutige und konsequente Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt vom Unternehmenslenker, loyale und fleißige Mitarbeiter aus vielen Ländern der Welt und der Zusammenhalt des Lee-Clans haben das einst kleine Handelsunternehmen zu einem global agierenden Unternehmen mit 420.000 Mitarbeitern werden lassen. Samsungs Anteil an Gesamtbruttoinlandsprodukt beträgt zirka ein Viertel des Landes, der Exportanteil fast ein Drittel des Landes. Das kleine Land hat sich unfreiwillig stark in eine wirtschaftliche Abhängigkeit von einer einzigen Unternehmensgruppe begeben – genauer: in die Abhängigkeit vom Smartphone-Absatz eines einzigen Unternehmens! Überhaupt kritisieren Experten die starke Exportabhängigkeit von Südkorea.6.
Die Zukunft von Samsung ist sicher ungewiss. Samsungs wichtigstes Zugpferd Samsung Electronics konnte mit RAM, LCD-Display und zuletzt mit Smartphones viel Geld verdienen. Jetzt muss Samsung Electronics neue Maßstäbe setzen wie einst Sony und Apple. Der langjährige Konzernlenker Lee Kun-hee wird das nicht mehr tun. Er hat längst die Aufgaben an seinen Sohn Lee Jae-yong und die beiden Töchter Lee Yoon-hyung und Lee Boo-Jin verteilt.
Der Gründer von Samsung Lee Byung-chull hat den Firmennamen auch deswegen so gewählt, weil die Zahl „Drei“ in Korea einer positiven Bedeutung beigemessen wird. Er wählte seinen dritten Sohn Kun-hee zum Nachfolger, obwohl gemäß der Tradition in Korea der älteste Sohn das Erbe des Vaters antreten sollte. Nun stehen drei Kinder in der dritten Generation an, um Samsung für seine nächsten Herausforderungen zu wappnen.
- Zweitgrößter Chipproduzent hinter Intel (Samsung Electronics)
- Größte Lebensversicherung in Südkorea (Samsung Life Insurance)
- Schiffbauer, weltweit Nr. 3 (Samsung Heavy Industries)
- Bauunternehmen, federführende für Burj Khalifa (Samsung C&T Cooperations)
- Bildschirm, Batterie und Akku (Samsung SDI)
- Überwachungssysteme, Luftfahrttechnik, Optikindustrie, Militärtechnik (Samsung Techwin)
- Freizeitparks Mode, Golfclubs (Samsung Everland)
- Luxushotelkette (Shilla Hotel)
Samsung unterstützt jährlich mit zirka 100 Mio. Dollar das Krankenhaus mit angeschlossenem Krebszentrum Samsung Medical Center (SMC), das hilfsbedürftige Menschen behandelt.
- Myung-oak Kim, Sam Jaffe, The New Korea: An Inside Look at South Korea’s Economic Rise, Amacom Book 2010 ↵
- Lee Young-hwan, Beyond the Korea Discount: Seeking the harmony between material affluence and spiritual maturity, Young-hwan Lee 2014 ↵
- Eun Y. Kim Ph.D., Edward C. Valdez, Samsung 3.0: Talent, Technology and Timing, CEO International 2013 ↵
- Kang Joon-kyu, A Study of the DRAM industry, Master of Science in Management Studies, MIT 2010 ↵
- Sea-Jin Chang, Sony vs. Samsung: The Inside Story of the Electronics Giants‘ Battle for Global Supremacy, Wiley 2008 ↵
- Andrew Salman, Modern Korea: All That Matters, Hodder & Stoughton 2014 ↵
Leser-Interaktionen