…hat damit zu tun, dass das TV-Programm sich nur noch fernab meiner Realität abspielt. „Frauentausch“, „Richter Alexander Hold“ und „Lenßen und Partner“ sollen das wahre Leben zeigen – frei nach Skript.
Der Spiegel bringt es in dieser Woche ganz gut auf den Punkt. „Echt gelogen“ wird in den Sendungen, die derzeit gefühlte 90 Prozent des TV-Alltags ausmachen. Produktionen von „Deutschland sucht den Superstar“ über „Familien im Brennpunkt“ bis hin zu „Mieten, kaufen, wohnen“ ziehen Millionen (!) vor die Bildschirme, die sich wünschen, dort das wahre Leben zu finden. Echt ist bei dem, was sich „Scripted Reality“ nennt, aber so gut wie gar nichts.
Nicht nur bei „Bauer sucht Frau“ sind die Dialoge vorher ausgemacht, man kann auch davon ausgehen, dass ein Dieter Bohlen sich vor der Sendung in der Kabine ein oder zwei Gedanken zu seinen Sprüchen macht. Soweit so schlimm, wirklich unverschämt wird das ganze aber, wenn wir uns vor Augen führen, dass die Macher der Sendungen sogar gezielt in die Irre führen. „Die Sozialdramen orientieren sich in ihrer gesamten Ästhetik an echten Dokumentationen: Die Kamerabilder sind absichtsvoll verwackelt, vermeintlich echte Namen und Autokennzeichen werden unkenntlich gemacht“, schreibt der „Spiegel“ über Sendungen wie „Verdachtsfälle“ oder „Mitten im Leben“.
Wer ganz aufmerksam hinschaut, kann Wiederholungstäter in den Sendungen erkennen. Denn das Genre hat seinen eigenen Markt für Möchtegernschauspieler erzeugt. So ist etwa Jens Knossalla mittlerweile ein echter Oldie im „Scripted Reality“-Geschäft. Mal ist er bei Richterin „Barbara Salesch“ angeklagt, mal wird er bei „K11 – Kommissare im Einsatz“ verhört. Sogar eine eigene Managerin hat er schon. Mich erschreckt es, in Sozialen Netzwerken oder im Bekanntenkreis zu erfahren, dass es tatsächlich Zuschauer gibt, die glauben, was in „Mietprellern auf der Spur“ geschieht. Vielleicht liegt es daran, dass unsere TV-Augen und -Ohren sich schon so sehr an auswendig gelernte Dialoge, prügelnde Väter und saufende Muttis gewöhnt haben.
Wie schwerwiegend und weitreichend die Niveaulosigkeit ist, zeigt ausgerechnet eine vergleichsweise harmlose und den Anschein der Authentizität erweckende Sendung wie „The Voice of Germany“. Ich gebe zu, dafür habe ich in den letzten Tagen mein Fernseh-Fasten unterbrochen. Denn die Castingshow mit Nena, Xavier Naidoo und The BossHoss wirkt so seltsam anders….Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um zu erkennen, warum das so ist. Dort wird niemand lächerlich gemacht, bloßgestellt oder beleidigt. Dort stehen normale Menschen vor der Kamera, keine Größenwahnsinnigen. Es gibt keine Lebensbeichten, wenige schiefe Töne und keinen Dieter Bohlen. Ob das für den Deutschen Fernsehpreis reicht, weiß ich nicht. Aber ich muss dem Tagesspiegel Recht geben, wenn er feststellt: „Die Macher der Sendung, die Fans und auffallend viele Kritiker sind sich in einem einig: ‘The Voice of Germany’ habe ‘Niveau und Qualität’ ins deutsche Fernsehen zurückgebracht. Das ist verblüffend. Und bezeichnend für die deutsche Fernsehlandschaft: Da werden einmal keine Schwachen fertiggemacht, und schon heißt es, hier herrsche Niveau.“
Zuerst veröffentlicht auf dem Blog Am Tellerrand.
Selectedboy meint
darüber sinnierte ich bereits in einem meiner sehr berühmten Blogposts.
Das Endergebnis kann nur lauten: Ausschalten!