Bissige Kapitalismuskritik oder einfach nur ein seichtes Filmchen über das pervertierte Partyleben einer Handvoll aufstrebender Börsenmakler? The Wolf of Wall Street von Starregisseur Martin Scorsese und Ziehsohn Leonardo DiCaprio hat die Kritiker gleichermaßen angewidert und fasziniert. Man könnte auch sagen angeniert. Oder faszewidert. Ab sofort könnt Ihr Euch selbst ein Bild von dem dreistündigen Dauertrip machen.
Wenn Scorsese und DiCaprio eine weitere Zusammenarbeit planen, dann versetzt schon deren Ankündigung Kritiker und Kinofans rund um den Globus in Verzückung. Angesichts der Liste an Meisterwerken, die die Beiden (gemeinsam und jeder für sich) in den letzten Jahren ins Kino gebracht haben, ist das nicht weiter verwunderlich. The Wolf of Wall Street ist bereits die fünfte Kollaboration des Duos und es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass auch diese die Kinokassen sprengen wird.
Der Film basiert auf wahren Begebenheiten und erzählt ein klassisches amerikanisches Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Märchen. Wobei Märchen vielleicht der falsche Ausdruck ist. Schließlich ist mir kein Märchen bekannt, in dem der Held Koks aus dem Hintern einer Prostituierten schnupft. Aber ich bin zugegebenermaßen auch immer flott eingeschlafen, als meine Eltern mir damals die Geschichten der Brüder Grimm vorgelesen haben. Vielleicht habe ich den Teil bei Schneewittchen ja verpasst.
Wie dem auch sei: Jordan Belfort ist ein junger, aufstrebender Broker, der nach dem großen Börsencrash im Oktober 1987 bei null anfängt und sich eine eigene Firma aufbaut. Mit Charme und Überzeugungskraft verramscht er wertlose Aktien an naive Bürger und macht damit schnell unglaublich viel Geld. Natürlich auf Kosten der armen Anleger.
Den Fokus legt der Film dabei weniger auf die komplexen Mechanismen und Abläufe im Finanzmarkt, sondern fast ausschließlich auf die recht simplen Mechanismen und Abläufe bei Poolpartys, Sexorgien und Drogentrips. Wen wundert es, dass Belfort und seine Kollegen angesichts ihres kometenhaften Aufstiegs nicht nur die Bodenhaftung, sondern schnell auch jegliches (moralisches) Bewusstsein verlieren. Aber, und das muss man ihnen lassen, sie wissen ihr Leben zu genießen und es ist durchaus (Achtung, Wortspiel) orgienell, was sie sich einfallen lassen, um ihre Millionen aus dem Fenster zu werfen.
Das zu beobachten, macht sehr lange sehr viel Spaß. Allerdings beginnt die ständige Wiederholung irgendwann zu nerven und plötzlich wünscht man sich, ohne jetzt spießig klingen zu wollen, der Film hätte doch ein bisschen mehr Substanz. Drei Stunden sind halt einfach eine Menge Holz. Dass der Film in der Gesamtbetrachtung trotzdem irgendwie funktioniert, liegt zum einen an den vielen unglaublich kuriosen Szenen und zum anderen an dem großartigen Cast, der wie enthemmt aufspielt und die Grenzen des guten Geschmacks dabei immer wieder wie selbstverständlich pulverisiert. DiCaprio ist große Klasse. Ich liebe den Kerl. Aber auch die anderen Schauspieler wie Jonah Hill oder Matthew McConaughey machen ihre Sache hervorragend.
Unverständlich ist für mich der Einwand einiger Kollegen, dass Scorsese das Thema völlig kritiklos behandeln und damit ein verabscheuungswürdiges Verbrechen über die Maßen glorifizieren würde. Da frage ich mich: Habt ihr den Film überhaupt gesehen? Natürlich üben Macht und Reichtum, gepaart mit ausschweifenden Partys, Drogen und leicht bekleideten Damen einen gewissen Reiz aus. Die meisten Zuschauer werden nach einer Stunde nur zu gut verstehen, was einen Mann wie Belfort antreibt. Aber vor allem gegen Ende hin treibt es Scorsese in manchen Szenen derart auf die Spitze, dass sogar ich manchmal dachte „Okay, reicht“. Und wenn kurz vor Schluss ein völlig verzweifelter Belfort seine Ehefrau in den Magen boxt und auf der Flucht seine Tochter fast umbringt, dann ist jegliche Glorifizierung komplett verpufft und der Zuschauer wieder geerdet. Sind nicht genau das die Stadien, die eine gute Satire durchlaufen muss?
Fazit: The Wolf of Wall Street ist nicht das erhoffte Meisterwerk, aber dennoch verdammt gute Unterhaltung. Ich war, um den Einstieg noch mal aufzugreifen, äußerst faszewidert.
The Wolf of Wall Street-Trailer
Weiterführende Links
- The Wolf of Wall Street: Offizielle Webseite (Deutsch)
- The Wolf of Wall Street: Offizielle Tumblrseite (Deutsch)
Bilder: Universal Pictures
Torsten meint
faszewidert, orgienell… ganz schön originell heute ;) Ich werd mir den Film am Dienstag anschauen, bin schon gespannt.
JUICEDaniel meint
Und, wie fandst du den Film?
Torsten meint
recht gut, wenn auch verdammt lang. Einige Szenen wurden meiner Meinung künstlich in die Länge gezogen, in anderen Abschnitte ging der Film unheimlich voran. Und meine Güte, nicht nur einmal musste ich wegen des Drogenkonsums an Fear and Loathing Las Vegas denken :D
Ich weiß nicht, ob man sich als Normalo wirklich vorstellen kann, wie es ist mit mehreren Millionen auf dem Konto zu leben. Und nein, sicherlich nicht jeder wird so das Geld verprassen wie im Film
JUICEDaniel meint
Hmm… kann man also gesehen haben, muss man aber nicht, oder? (Und auf DVD sollte völlig ausreichen, nehme ich mal an?)
Torsten meint
demnach kannst du quasi bis auf (bildgewaltige) Action/Sci-fi/Naturdokus alle Filme zu Hause schauen, oder? ;)
JUICEDaniel meint
Klar kannst du alle Filme auch zuhause schauen. Aber manche kommen im Kino deutlich besser, z.B. Herr der Ringe. Und bei „The Wolf of Wall Street“ frage ich mich, ob es eher ein Kino-Film oder ein DVD-Film ist. Also ob sich die vielen Kino-Euronen auch tatsächlich lohnen…
Josch meint
Natürlich ist The Wolf of Wall Street kein Herr der Ringe. Ob er trotzdem einen Kinobesuch wert ist, musst du wissen. Ich meine: Er ist es auf jeden Fall. Ich ziehe meine Grenze (ob eher DVD oder doch Kino) aber auch anders.
Karl meint
Ich konnte den Film am Wochenende nun auch sehen und denke das er durchaus bildgewaltig ist und daher auch seine „Kino-Berechtigung“ hat. Natürlich ist es nicht ‚Herr der Ringe‘, aber die ‚bunten, poppigen 80er‘ wurden mMn schon sehr bildgewaltig dargestellt. :)