Nur 304 Seiten trennen dich vom Erfolg. Vom Reichtum. Von der letzten Seite des Buchs „Reich kann jeder“. In diesem Buch schildern Anne Nürnberger und Jan Rentzow in kurzweilig-moderner Sprache1, ihren Selbstversuch, (erfolg)reich zu werden. Oder auch nicht. Wer weiß das schon.
Das Buch wird ein Bestseller, ganz bestimmt. Muss es. Wird es. Irgendwie. Denn jeder will wissen, wie man reich wird. Wie man Erfolg hat. Wie man Millionär wird. Jeder. Und die Autoren haben es für uns ausprobiert. Damit wir wissen, wie es geht.
Sie sind an den Starnberger See gefahren, waren auf Sylt, in Monaco, Saint-Tropez, London und beinahe auch in Dubai. Sie haben mit Moritz Freiherr Knigge gesprochen, mit TV-Coach Norbert Vojta, mit Smalltalk-Experte Alexander von Schönburg, mit Stil-Ikone Laura Reinking und sogar mit dem „berühmtesten Playboy der Welt“, dem „Vorbild“ Gunter Sachs. Von ihrer Begegnung mit Sachs, die Rentzow seitenlang groß ankündigt, erzählt er dann leider nichts. Gar nichts. Frust pur.
Dafür lesen wir von jeder Menge merkwürdiger Ideen, mit denen sich vielleicht Geld verdienen lässt. Vielleicht. Oder auch nicht. T-Shirts im Internet zum Beispiel. Oder Reste der Berliner Mauer. Oder sein Haus. Oder Kind. Wer hat.
Alternativ kann man sich den Urlaub mit peinlichen Schilderspielchen am Strand verdienen. „Tragen: 50 Euro, Streicheln: 100 Euro“, bietet sich die Frau den reichen Urlaubern an, Rentzow im Schlepptau. Eine Art Mutprobe, die prächtig funktioniert. Heiraten ist im Übrigen auch eine gewinnträchtige Option. 278,30 Euro trächtig, um genau zu sein. Na, Lust?
Irgendwann denkt Rentzow über Moral2 nach. Und das, nachdem er unzählige aufgeblähte E-Mails verfasst und Telefonate geführt hatte, die mit der Wahrheit oft wenig bis nichts gemein hatten. Reichlich spät. Das Rumgelüge wird zum Spiel, ihm macht’s Spaß, ihr nicht.
„Ja, es ist perfide, wenn man Menschen, die einen anlügen, gut findet, weil man weiß, dass sie andere auch anlügen und lügen schon ein Wert ist. Und dass der gewinnt, der am besten lügt, am dreistesten, am schönsten“, reüssiert Rentzow. „Ich werde gerne belogen, wenn das am Ende nützlich ist, wir haben das ja auch gemacht, hin und wieder, ein klitzeklein wenig.“ Was will der Autor uns damit sagen?
Am Ende erfahren wir dann – surprise, surprise –, dass Reichtum äußerst banal und vollkommen umsonst sein kann. Etwa im See auf dem Rücken zu schwimmen und in den roten Himmel gucken, „wie er immer mehr an Farbe verliert. Das ist auch Reichtum“, erkennt Rentzow. „Das Alleinesein, die Ruhe. Weg sein, raus.“ Aus.
Und die Moral von der Geschicht? Nur 304 Seiten trennen dich vom Erfolg. Vom Erfolg, einmal mehr ein dickes Buch mit dünnem Inhalt durchgehalten zu haben. Alles nur Lüge? Wer weiß das schon.
Anne Nürnberger, Jan Rentzow, „Reich kann jeder – Unser Millionen-Abenteuer“, Piper Verlag, Dezember 2011, 304 Seiten, 9,99 Euro, ISBN: 978-3492274098
- Erkennbar an der Aneinanderreihung zahlreicher kurzer Sätze, die in aus ein bis drei Wörtern bestehenden Satzwiederholungen am Ende der Absätze ihren vorläufigen Höhepunkt finden und mit dem dadurch hervorgerufenen hohen Lesetempo aller Wahrscheinlichkeit nach über die nicht vorhandene Tiefe der Story hinweglesen lassen sollen. Punkt. ↵
- Nachdem Rentzow merkt, dass seine gebleichten Zähne vorne wieder nachdunkeln und er sich daher von seiner Zahnärztin betrogen fühlt, sinniert er plötzlich über den Ernst des Lebens. „Was ist Moral, frage ich mich seitdem öfter und fletsche meine Zähne vor dem Spiegel, ich trinke jetzt keinen Kaffee mehr und esse nur noch weiße Sachen, aber das nützt nichts, und ich schreibe der Zahnärztin einen Brief, dass ich die 500 Euro nicht bezahlen will, den ich dann aber Zähne fletschend nicht abschicke.“ Das ist so ziemlich der einzige gelungene – im Sinne von vorhandene – Wortwitz im gesamten Buch. Als Antwort auf die Frage was Moral ist jedoch ziemlich dünn, dieser Kaffee. ↵
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