Das vieldiskutierte Prostitutionsgesetz von 2002 soll noch in diesem Jahr überarbeitet werden. Für einen neuen Gesetzesentwurf interessiert Bundesministerin Manuela Schwesig allerdings nur die Expertenmeinung von Prostitutionsbefürwortern.
Nachdem Deutschland im April 2013 europaweit dafür gerügt wurde, die EU-Richtlinie 2011/36/EU nicht umgesetzt zu haben und Alice Schwarzer im Oktober 2013 ihren Appell gegen Prostitution startete (der von zahlreichen Prominenten unterschrieben wurde und ein Verbot des Kaufs sexueller Dienstleistungen fordert), ist eine Überarbeitung des Prostitutionsgesetzes von 2002 unumgänglich geworden.
In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die große Koalition dazu verpflichtet, das Gesetz zu überarbeiten. Darin heißt es, man werde das „Prostitutionsgesetz im Hinblick auf die Regulierung der Prostitution umfassend überarbeiten und ordnungsbehördliche Kontrollmöglichkeiten gesetzlich verbessern.“
Am 12. Juni 2014 lud Bundesministerin Manuela Schwesig daher eine Expertengruppe in das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ein. An der Anhörung zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes war alles vertreten. Fast alles. Es wurden 34 Vertreter der Länder, von Fachverbänden über Vertreter von Polizei und Sexarbeitern bis hin zu Unternehmen der Erotikbranche gehört. Unter ihnen beispielsweise auch der Unternehmerverband Erotik Gewerbe Deutschland e.V. (er vertritt die Interessen von Unternehmen, die erotische Dienstleistungen anbieten) oder der Sozialdienst katholischer Frauen Gesamtverein e.V. (der sich erst kürzlich ausdrücklich gegen ein Prostitutionsverbot ausgesprochen hat).
Nicht dabei: Fachberatungsstellen, die der Prostitution kritisch gegenüber stehen. Prostitutionskritiker wie Cathrin Schauer (Karo e.V.), Sr. Dr. Lea Ackermann (Solwodi) oder Sabine Constabel (Café La Strada), die bei Anhörungen dieser Art in der Vergangenheit stets als Expertinnen eingeladen waren, wurden dieses Mal nicht nach ihrer Meinung und Erfahrung gefragt. „Wir sind sehr entsetzt darüber gewesen, dass es keine Expertenrunden gab, in denen Personen anwesend waren, die eine ganz andere Meinung zum Thema Prostitution haben“, sagt Cathrin Schauer, Geschäftsführerin von Karo e.V., gegenüber JUICED. „Man könnte davon ausgehen, dass eine ganz bestimmte Strategie dahinter steckt, wenn die Leute, die sonst gegen Prostitution auftreten, bei diesen Anhörungen nicht beteiligt sind und nicht mehr gefragt werden. Subjektiv könnte man davon ausgehen, dass sie gar nicht gehört werden sollen. Das ist aber eine rein subjektive Einschätzung.“
Das Bundesministerium begründet die Auswahl der Experten folgendermaßen: „Bei dieser Anhörung ging es nicht um eine allgemeine Diskussion zum Thema Prostitution, sondern darum, von Fachkreisen konkrete Hinweise und Vorschläge für das zu erarbeitende Gesetz zu erhalten.“ Diese erhoffte die Ministerin sich offensichtlich von Prostitutionsbefürwortern.
Wie genau das Gesetz überarbeitet werden soll, wird derzeit diskutiert. Streitpunkte sind ein Mindestalter von 21 Jahren, eine Anmeldepflicht für Prostitutionsstätten sowie verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen.
Cathrin Schauer von Karo e.V. hielte die Umsetzung des schwedischen Modells für das Ideal, geht jedoch davon aus, dass dessen Umsetzung in Deutschland nicht möglich sein wird. Deswegen wären ihrer Meinung nach mindestens die Anhebung des Mindestalters, verpflichtende Gesundheitsuntersuchungen, ein Bleiberecht und Schutz vor Abschiebung für aussagewillige Opfer von Menschenhandel, flächendeckende Aufklärungskampagnen über die Folgen von Prostitution sowie Finanzierung von Beratungsstellen, die Ausstiegsberatung leisten, notwendig. „Fakt ist, dass dieses Gesetz ganz dringend überarbeitet werden muss“, sagt Schauer. Fakt ist auch, dass ihre Meinung dazu diesmal nicht gehört wurde.
Abolition 2014 meint
Liebe Juiced-Redaktion,
herzlichen Dank, dass sie über dieses Thema berichten und ein Auge darauf haben. Kritische Medien gibt es zu hierzu leider viel zu wenige.
Hier auch unsere Pressemeldung zur Anhörung für Interessierte zur Vertiefung:
http://abolition2014.blogspot.de/2014/07/einseitige-anhorung-im.html
Beste Grüße
Manuela Schon / Abolition 2014
David Decker meint
Frau Schwesig ist eine klassische Fehlbesetzung als Ministerin, da sie sehr einseitig agiert – und damit eine Menge Leute vor den Kopf stößt. Eine nachhaltige Politik sieht ganz anders aus!
Das obige Beispiel reiht sich ja nur ein in mehrere solche Sachen, wie etwa die komplette Streichung des Bundes-Engagements gegen Linksextremismus. Das verstößt aus meiner Sicht sogar gegen die Grundordnung der BRD, weil Extremismusbekämpfung und dessen Vorverlagerung (d.h. ehe konkrete Taten passieren), ein wichtiger Teil der Staatstabilität der letzten Jahrzehnte sind.
Die langfristigen Folgen dieser völlig verfehlten Politik kann man derzeit höchstens erahnen — mir schwant jedoch nichts Gutes dabei…