Wieso Product Placement möglicherweise zu sehr verharmlost wird
Ursprünglich wollte ich über dieses Thema gar nicht mehr bloggen, nachdem ich es aus Zeitmangel lediglich verlinkt hatte. Doch nachdem ich festgestellt habe, dass selbst manche Journalisten noch nichts davon wissen, halte ich es für notwendig, ausdrücklich auf Product Placement im Fernsehen hinzuweisen.
Seit dem 1. April (nein, kein Aprilscherz!) ist es rechtlich erlaubt, Produkte im Fernsehen zu platzieren. Bei den privaten Sendern heißt das „Produktplatzierungen“, bei den öffentlich-rechtlichen Sendern „Produktionshilfen“ und bei mir „(bezahlte) Schleichwerbung“.
Schon im Januar 2010 haben sich die privaten und öffentlich-rechtlichen Sender darauf einigen können, nur die Umsetzung war unklar. Mittlerweile ist auch das Problem gelöst und die Sender einigten sich auf ein „‚P‘ in einer Ecke des TV-Bildschirms sowie dem ergänzenden Satz ‚unterstützt durch Produktplatzierung‘ (Privat-TV)“, so der Titelschutz Anzeiger.
Wie sie das P anzeigen, ist den Sendern selbst überlassen: Farbe und Größe sind frei wählbar, um zum „Corporate Design“ zu passen. Hinzu kommen entsprechende Hinweise „vor und nach einer Sendung sowie nach einer Werbeunterbrechung“, die von der gesetzlich definierten Kennzeichnungspflicht von Produktplatzierungen vorgesehen sind.
„Mit dem neuen Rundfunkstaatsvertrag und den darin enthaltenen Regelungen wird die Trennlinie zwischen erlaubtem Product Placement und nach wie vor verbotener Schleichwerbung sauber gezogen“, schreibt der Branchendienst für die deutsche Medienwirtschaft DWDL.de. Diese Regelungen basieren auf der Fernsehrichtlinie der EU von 2007.
Doch nach wie vor gibt es sinnvolle Einschränkungen, die jedoch sehr unpräzise formuliert sind:
Einzelne Produkte dürfen in vornehmlich unterhaltenden und fiktionalen Programmen platziert werden, sofern dies „redaktionell gerechtfertigt“ ist. Nach wie vor verboten sind Produktplatzierungen in Nachrichtensendungen, informierenden Magazinen und Kinderprogrammen. Bei der Darstellung darf dem Produkt „keine auffällige Stellung im Sendungsverlauf eingeräumt“ werden (…).
Auch DWDL sieht das als „Anlass zu so mancher Auseinandersetzung zwischen Redaktionen und Medienwächtern“. Wichtig sei hierbei, dass die Regelung nur auf Güter zutreffe, die im freien Handel erhältlich sind. „Ein Rettungswagen einer Hilfsorganisation oder ein Panzer der Bundeswehr sind hiervon nicht betroffen.“
Ganz ehrlich? Ich hätte nicht unbedingt erwartet, dass eine Hilfsorganisation Rettungswagen anpreisen möchte oder die Bundeswehr ab sofort Panzer verkaufen will. Interessant wäre es auf alle Fälle, ich stelle mir gerade spektakuläre Aufnahmen vor.
Was aber, wenn internationale Filme wie etwa James Bond gezeigt werden? Dann soll der Sender den jeweiligen Verkäufer „in vertraglicher oder sonstiger Weise zur Vorlage einer Erklärung“ fragen, ob die Sendung Product Placement enthält. Diese als „zumutbarer Aufwand“ bezeichnete Regelung dürfte so manchen Sendern einiges an zusätzlicher Arbeit aufhalsen, deutsche Bürokratie lässt grüßen. Immerhin sind Filme vor dem 19. Dezember 2009 gnädigerweise davon ausgenommen.
Die neue Regelung ist eine hervorragende Einnahmequelle für legale Schleichwerbung. DWDL jedoch spricht von sehr niedrigen Prognosen:
Die Erwartungen der Sender an die neue Werbemöglichkeit sind verhalten. Allenthalben erwartet man, dass Product Placement langfristig einen Anteil von ein bis zwei Prozent am Werbeumsatz ausmacht. Man hofft, dass es sich dabei um zusätzliche Gelder handelt und nicht umgeschichtet wird.
Doch vielleicht sind die Zahlen bewusst niedrig gewählt, damit die Aufmerksamkeit und Kritik der Journalisten, Blogger und allgemeinen Bevölkerung möglichst gering bleibt. Bisher jedenfalls hat es hervorragend funktioniert.
Nur zehn Tage nach der Freigabe dieser Werbeform zum 1. April berichtete das Medien-Portal meedia.de über den ersten „größeren Einsatz eines Product Placements“. Die Süßigkeiten-Marke m&ms hatte das Product Placement für die ProSieben-Show „Schlag den Raab“ gebucht. Darin stellte m&ms im Spiel 6 das Spielgerät in Form eines „m-Balls“ in Form einer Erdnuss. Die Werbeform habe aber nicht so richtig überzeugen können: „Moderator Matthias Opdenhövel erklärte die Aktion mit keinem Wort, das Spiel war ein völlig normales Fußballspiel und der Marke m&ms brachte die Aktion sicher kaum etwas“, schreibt meedia.de.
Ob Erfolg oder nicht: Die Aktion zeigt das Interesse und die schnelle Umsetzung von Product Placement, das wir in Zukunft sicher noch öfter zu Gesicht bekommen werden. Je mehr Erfahrung die Kunden und Sender damit haben, desto besser dürfte die legale Form der Schleichwerbung dann auch werden. Es ist nur eine Frage der Zeit.
Wie seht ihr das? Alles völlig in Ordnung und total harmlos oder eine riesige Gefahr für unaufmerksame Zuschauer, die Product Placement nicht sofort erkennen und diese Form der Werbung nicht differenziert genug wahrnehmen?
Ich versteh momentan nicht so recht, was an product placement nun geändert wurde… oO
In Spielfilmen und Serien gibt es das doch schon seit langem. Wie viele Serienpolizisten tippen denn ihre Berichte in Sony Vaio Laptops, oder trinken Coke oder Pepsi auf ihren Streifzügen?
Ist nicht sogar das Gespräch von John Travolta über den Viertelpfünder mit Käse bei McDonalds in Frankreich schon Product Placement, oder Schleichwerbung?
Ich versteh den Sinn und den Unterschied zu vorher mit dieser neuen Gesetzgebung nicht. Oo
Argh, seit wann kann man Comments nicht mehr bearbeiten?
PS: Das Gespräch mit J.Travolta stammt aus Pulp Fiction, wollte ich nur nochmal angemerkt haben, falls es jemand nicht weiss….
#1: Du beziehst dich auf AUSLÄNDISCHE (Kino-)Filme. Ja, da war das vorher schon möglich. Nicht aber für DEUTSCHE FERNSEH-Filme/-Sendungen/-Produktionen innerhalb Deutschlands.
Nun ist es aber auch (manche sagen „endlich“) möglich, in Deutschland ganz legal Werbung in deutschen Filmen zu platzieren, ohne dass es große Skandale gibt, wie einst bei Marienhof: http://de.wikipedia.org/wiki/Marienhof#Schleichwerbungsvorwurf (ist wirklich spannend, lesenwert!)
Nachteil: Nun müssen auch ausländische Produktplatzierungen vorher nachgefragt werden, was eben für zusätzliche Bürokratie sorgt (wo es vorher gar nicht nötig war).
#2: Seit das WordPress-Plugin „WP Ajax Edit Comments“ spinnt: https://juiced.de/argh-wordpress-2-9-und-wp-ajax-edit-comments/3838/ (23. Dezember 2009 – also schon ne gaaaanze Weile ;) )
Meiner Meinung nach ist Werbung im Allgemeinen einfach nur nervig. Ich hasse nichts mehr, als wenn man mich für dumm verkaufen will. Und nichts anderes tut Werbung („kauf Persil, nichts wäscht weißer“, oder „gegen den ständigen Harndrang kann man doch was tun.“) Ein mündiger Konsument will nicht überzeugt werden, sondern sich informieren und sich dann bewusst für ein bestimmtes Produkt entscheiden. Werbung ist aus meiner Sicht nur in einem Punkt sinnvoll: Um mir zu erzählen, dass dieses oder jenes Produkt existiert.
Leider zielt Werbung in der Regel aber darauf ab, mich mit ihrer Häufigkeit zu erschlagen. Solange James Bond mit seinem Aston Martin rumfährt, ist mir das egal. Wenn John Travolta von Cheesburger bei McD erzählt, juckt mich das ebenso wenig. In Maßen sind das doch Elemente unserer Kultur. Wenn es aber nicht mehr authentisch ist, dann wirds nervig („Oh jetzt wäre eine eiskalte Pepsi und dann ein Pizza von Dr Oetker toll“) Mal sehen, wie sich das neue Gesetz in Zukunft auswirkt…
Folgendes Zitat würde ich noch um einen weiteren Punkt ergänzen:
Werbung ist auch dafür sinnvoll, um Journalismus zu finanzieren. Ohne Werbung gäbe es einige Zeitungen etc. nicht, was für die Medienvielfalt und damit einhergehend auch Meinungsvielfalt sehr schade wäre. Werbung an sich ist pauschal somit erst einmal nicht schlecht, es kommt eben darauf an, wie man damit umgeht. „Man“ als Werbetreibender, und „man“ als Konsument. Und da fängt es dann richtig an…
Dem kann ich mich nur anschließen: Spiele wie „m-Balls“ will ich nicht sehen, sowas ist einfach nur nervig. Mal sehen, was da noch so alles auf uns zukommt (denn das mit m&ms war ja erst der Anfang).
@Josch: Als Konsument will ich gerade überzeugt werden – ich will nur nicht überredet werden. Ich will wissen welche Vorzüge welches Produkt hat, um mich dann entscheiden zu können.
Wenn etwas nervig ist, stößt es auf Ablehnung und damit auf Minuspunkte für das Produkt – sowas wird gegistritert (von den Werbefachleuten) und daraufhin abgesetzt. Daher wird langfristig nichts gezeigt werden was für die Masse der Bevölkerung nervig ist.
Ich finde auch, dass Productplacement – zumindest in Filmen – doch völlig gang und gebe ist. Mal sehen, was jetzt auch im Fernsehen alles kommt. Wobei… ich schaue ja gar kein fern – also werde ich’s wohl eher nicht mitbekommen ;-).