Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel kochen immer wieder hoch. Während die Welt auf den großen Knall wartet, haben sich die Koreaner mit der Situation arrangiert. JUICED hat drei von ihnen besucht. Alle sind mit dem Konflikt aufgewachsen: Drei Ausschnitte aus drei koreanischen Leben.
Der Fischer
Der 58-jährige Lee Yong-san ist Fischer auf der Insel Baengnyeong ganz im Westen Südkoreas. Nur rund 15 Kilometer liegt die Insel vom nordkoreanischen Festland entfernt. „Früher konnte ich wesentlich weiter auf die See raus fahren, als das heute geht. Ich bin mit dem Boot fünf Minuten in Richtung Nordkorea gefahren. Heute traue ich mich das nicht mehr.“ Am 12. März 2013 hat der nordkoreanische Führer Kim Jong-un den Landstrich gegenüber der kleinen Insel besucht. Dort instruierte er seine Militärs die Insel ins Visier zu nehmen.
Bei den Bewohnern von Baengnyeong rief die Anordnung Erinnerungen an den Beschuss der Insel Yeonpyeong im Herbst 2010 hoch. „Meine Kinder wollen, dass ich die Insel verlasse“, sagt Lee. Sie selbst sind längst weggezogen. Wohnen in Incheon, der Hafenstadt neben der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Der Vater wohnt nach wie vor auf der 5000 Einwohner zählenden Insel. Er will nicht gehen. Das Eiland ist seine Heimat. Hier ist er geboren, aufgewachsen und hier hat er sein ganzes Leben lang gearbeitet. „Für die Leute hier ist das Leben schwer“, sagt Lee mit einem traurigen Gesichtsausdruck. „Aber wenn jeder die Insel verlässt, was wird dann aus meiner Heimat?“
Der Pfarrer
„Das war der Moment an dem ich dachte, ich muss sterben“, sagt Woo Gwang-joo betroffen. Er spricht vom 23. November 2010. Kurz nach halb drei hörte Woo eine Explosion. Er ging auf seine Terrasse raus, sah Qualm über dem Rathaus aufsteigen. „Angst habe ich keine gehabt. Da noch nicht“, sagt er. An dem Tag hat Nordkorea die kleine Insel Yeonpyeong, eine Nachbarinsel von Baengnyeong, angegriffen. Dort hat Woo gelebt, bis er in die südkoreanische Hauptstadt Seoul gezogen ist. Er glaube nicht, dass es zu einem Krieg komme. Doch die Erfahrungen von vor zweieinhalb Jahren lassen den 46-Jährigen nicht los.
In Seoul hat er sich informiert. Er weiß, wo er im Ernstfall hin gehen würde. „Entweder in den Keller oder hier um die Ecke in die U-Bahnstation“, sagt er. Der Apartmentkomplex, in dem er mit seiner Familie lebt, ist nur fünf Minuten Fußweg von einer Station entfernt. Fast alle U-Bahnstationen in Südkorea sind mit Hinweisschildern als Bunker gekennzeichnet. Sie gehen tief in die Erde. Hunderte, für den Ernstfall.
Der Hubschrauberpilot
Kang Young-jin war Hubschrauberpilot. Fast ein Dutzend Jahre hat er in der südkoreanischen Luftwaffe gedient. Von 1989 bis 2001. Fotos aus seiner Zeit bei den Streitkräften hängen in seinem kleinen Büro im Süden Seouls an der Wand. Stolz ist er darauf. Und auf seine Autowerkstatt.
Kang glaubt nicht daran, dass es zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Nordkorea kommt. Mit dieser Meinung steht er stellvertretend für viele seiner Landsleute. Ein größerer Zwischenfall mit Nordkorea wäre für Südkorea verheerend. Kleine Unternehmen wie die Autowerkstatt von Kang sind es, die die neue Regierung unter Präsidentin Park Geun-hye unterstützen möchte. Die kleinen Unternehmen und den Mittelstand würde ein Krieg aber am schlimmsten Treffen.
Um sein Unternehmen hat Kang dann auch ein bisschen Sorge. Um sich selbst nicht. „Ich habe zu Hause eine Kiste, da sind alle wichtigen Dinge drin“, sagt er. „Ich will keinen Krieg, aber ich bin vorbereitet.“
Dieser Beitrag ist eine Ergänzung zum Artikel „Die Verrückten mit der Druckerpresse“ von Malte E. Kollenberg in der Erstausgabe des Printmagazins SH!FT.
Mirco meint
Hallo Herr Kollenberg,
schöner Beitrag! Leider findet man in den westlichen Medien allzu wenig über die Probleme auf der koreanischen Halbinsel. Ja, die Medien haben über die Artilleriebeschüsse auf die süd-koreanische Insel berichtet und auch über die Versenkung einer Korvette Chonan. Aber dass Menschen dabei umgekommen sind, diese Menschen Familie und Freunde haben, die um die Opfer trauern und viele Menschen beängstigt sind und immer noch unter Angst leben, darüber wird ja kaum berichtet.
Apropos Einzelschicksale: Ich habe vor einigen Tagen einen Bericht über einen nordkoreanischen Flüchtling gelesen. Er beklagte sich über das südkoreanische Desinteresse bzw. über die Vorurteile auf die Nordkoreaner. Ich habe dann etwas darüber gegrübelt, warum in Südkorea keine Dramen gibt (und es gibt ja wer weiß wie viele Dramen dort), die das Thema nordkoreanische Flüchtlinge beinhaltet. Stoff für Drehbücher hätten sie ja genügend. Vielleicht würden diese Dramen den Südkoreanern beim Verstehen ihrer Landsleute aus dem Norden helfen – nicht dass alle Nordkoreaner so sind wie die nord-koreanische Führung, sondern die meisten so sind, wie Du und ich.
Malte Kollenberg meint
Hallo Mirco,
so ist es. In Südkorea ist das Interesse am Norden eher gering. Die miesen Dinge, die dort passieren sind erstens sehr weit weg von der südkoreanischen Realität und zweitens hat man in Südkorea genug damit zu tun, dass eigene Leben auf die Reihe zu bekommen.
Falls es dich interessiert, hier ein paar Links zu Geschichten, die ich rund um das Thema gemacht habe:
http://www.voanews.com/content/north-south-korea-threats-island/1637480.html
http://www.taz.de/!84501/
http://www.welt.de/politik/ausland/article115244827/Nordkorea-ist-wie-ein-Hund-der-bellt-und-beisst.html