Musik und Revolution passen ja fast so gut zusammen wie Bier und Fußball. Jede Generation, jede Bewegung hat einen passenden Song oder zumindest eine Musikrichtung oder Band, auf die sich alle einigen können. Das liegt praktisch auf der Hand. In der Musik selbst gibt es jedoch auch einige Entwicklungen, die einer Revolte gleichen. Ein aktuelles, brisantes Thema ist tatsächlich die Machart der Musik.
„Shout out to all the bands still playing actual instruments at this festival“, schrie Win Butler, Frontsänger der kanadischen Rockband Arcade Fire, zuletzt beim Coachella-Festival in Kalifornien dem Publikum entgegen. Eine klare Haltung gegenüber Künstlern wie David Guetta, Justice oder Calvin Harris1 – die ihre Musik live nur mit Computern darbieten .
Aber es ist in der Tat ein extremer Wandel zu beobachten. Woodstock-Legende und Gitarren-Ikone Jimi Hendrix würde sich wahrscheinlich im Grab umdrehen, wenn er sähe, auf welche Art die Musik auf den heutigen Festivals zum Teil dargeboten wird. Mehr als ein Laptop oder ein DJ-Pult gibt es manchmal gar nicht mehr – die größten Festivals bieten mittlerweile sogar komplette Electro-Bühnen an, auf denen Gitarren, Bass und Schlagzeug nichts mehr zu suchen haben.
Doch eben diese alte Schule versuchen manche Künstler immer wieder zu verteidigen. Zuletzt geschehen am zweiten April-Wochenende in Gestalt von Win Butler. Die Frage aber ist: Warum so sehr an alte Tradition klammern, warum den Fortschritt nicht akzeptieren und mit solchen Aussagen gar verurteilen?
Im Grunde stehe ich ja total hinter der Aussage von Win Butler. Was gibt es denn besseres, als wenn eine Band auf der Bühne steht und mit ihren Instrumenten einen Bombensound daher zaubert. Der Klang einer verzerrten Gitarre ist immer noch unschlagbar. Aber man sollte auch nicht die Augen vor den Veränderungen, die allgegenwärtig sind, verschließen.
Es ist so wie mit allem. Mit den technischen Entwicklungen der Zeit steigen auch die Möglichkeiten. Musste Musik vor 40, 50 Jahren noch auf Band aufgenommen werden, kann heute sogar schon mit dem iPhone ein einigermaßen ordentlicher Song aufgenommen werden. Es ist kein Hexenwerk mehr.
Und so ist das auch mit der Art, wie Musik gemacht und dann eben auch dargeboten werden kann. Auf jedem Mac-Computer, der ausgeliefert wird, ist das Programm „Garage Band“ vorinstalliert, mit dem heutzutage jeder zum Musiker werden kann. Sogar allein mit dem Tasten-Keyboard des Computers! Verrückt, oder?
Und das, was dabei herauskommt, ist keinesfalls minderwertig. Musik, die am Computer letztlich umgesetzt wird, entsteht ja erst im Kopf und wird durch einen Menschen gemacht. Ob das dann nun mit den traditionellen, „echten“ Instrumenten passiert oder eben elektronisch gemacht wird – who cares? Ein tolles Beispiel ist da ein Video des französischen Künstlers „Stromae“, das ich vor Jahren mal auf YouTube gefunden habe. Stromae erstellt in diesem Video mitten in einem Fußball-Stadion in Frankreich ein Lied – nur mit einem Computer. Wahnsinn. Seht selbst:
So ist das heute. Unglaublich viele Künstler, die sehr erfolgreich und regelmäßig auf Festivals die ganz großen Acts sind, haben nur noch ihren Computer. Dazu gehören Avicii, David Guetta, Tiesto, Justice, Totally Enormous Extinct Dinosaurs – ach, ich könnte die Reihe ewig fortsetzen. Klar sind das nicht mehr die klassischen Rockbands, diese coolen Kerle, die vor Männlichkeit nur so strotzen. Ich meine, wie mickrig wirkt denn bitte ein iPad gegen eine Gitarre um den Hals? Aber sie machen genauso Musik, die gut ist, die vom Künstler ausgedacht ist – und vor allem: die Menschen erreicht!
Denn das ist es ja, worauf es ankommt. Kunst und Musik sollen Menschen erreichen und berühren. Ob die Musik analog oder digital ist, spielt dann keine Rolle. Sorry, Win. Ich als großer Arcade Fire-Fan muss dir da leider mal widersprechen. Musik ist heute so vielseitig und der digitale Wandel hat für so viel gute Musik gesorgt. Auch die Liveshows haben darunter sicher nicht gelitten. Und ich bin mir sicher: Die Instrumente werden auf den Bühnen eher weniger als mehr werden.
- der am gleichen Tag wie Arcade Fire auf dem Coachella aufgetreten ist ↵
Mirco meint
Interessanter Artikel!
Musik sollte keine Grenzen kennen und jeder Künstler sollte selber bestimmen können, welche Werkzeuge er dafür nutzt. Interessant ist dabei, welche Entwicklung die Musikproduktion in den letzten Jahrzehnten gemacht hat. Ich erinnere mich noch an Chris Hülsbecks „Shades“ auf C64
http://www.youtube.com/watch?v=H6tM6ExD06g
Dazu hat er freundlicherweise auch einen Editor geliefert, damit die Besitzer eines C64 ebenfalls solche Songs komponieren konnte. Zugegeben, es war damals wirklich nicht einfach, denn damals musste man anstatt Noten Hexadezimalzahlen eingeben, für Instrumentauswahl standen verschiedene Zahlenkombinationen zur Verfügung. Es ist heute wirklich Vieles einfacher geworden.
Oder man schaue sich dieses Video an, wie eine Live-Aufnahme von Vangelis ohne Computerunterstützung aussehen könnte:
http://www.youtube.com/watch?v=6DRRi7zK5RM