Überall bekommen wir Helden serviert. Hier ist jemand der Held des Tages, dort steht in der BILD-Schlagzeile „Held rettet Katze aus Nachbars Garten“. Gefühlt ist jeder, der etwas Besonderes erreicht oder zustande bringt, ein Held. Doch was ist eigentlich ein Held? Und warum kann ich mit dem heutigen Helden-Status überhaupt nichts anfangen? Ein Kommentar.

Quartalsthema „Helden“. Das war für mich zunächst eine Aufgabe. Denn mit dem Begriff „Held“ konnte ich mich bislang nicht wirklich anfreunden. Also wollte ich eine Definition zu „Helden“ finden, um eine gute Basis für meine Überlegungen zu haben. Der Duden definiert auf seiner Homepage, dass ein Held jemand sei, „der sich mit Unerschrockenheit und Mut einer schweren Aufgabe stellt oder eine ungewöhnliche Tat vollbringt, die ihm Bewunderung einträgt“. Dazu führt der Duden noch mythologische und andere Erklärungen an, die eher darauf abzielen, welche besondere Taten ein Held während einer epischen Schlacht oder im Krieg vollbracht hat. Puh – harter Tobak.
Beim Vergleich der Definition mit der in unserer Gesellschaft entstandenen Vorstellung eines „Helden“ kam ich dann doch zu einem überraschenden Urteil. Denn viel Übereinstimmung gibt es – wie schon Heldenforscher Ralf von den Hoff feststellte – nicht. Gerade durch die Medien findet eine inflationäre Verwendung des Wortes „Held“ statt. Im Sportjournalismus ist jeder Gewinner automatisch ein Held, jeder Mensch der etwas einigermaßen Selbstloses leistet, wird ebenso in die Kategorie „Held“ eingeordnet. Wenn ich die als Helden deklarierten Personen mit der Duden-Definition vergleiche, stelle ich fest: Die Definition trifft auf unser heutiges Verständnis zu gefühlt 90 Prozent einfach nicht zu.
Und genau das ist es, warum ich mich bislang noch nie mit dem Heldenstatus anfreunden konnte. Meine Vorstellung ging schon immer eher in die Duden-Richtung. Helden waren für mich Martin Luther oder die Geschwister Scholl. Menschen, die den Mut hatten, ihr eigenes Leben für das Wohl der Menschheit aufs Spiel zu setzen. Leute die – um es mal salopp zu formulieren – echte Eier in der Hose hatten.
In diesem Sommer wurde die Deutsche Fußball-Nationalmannschaft in Brasilien Weltmeister. Nach diesem Triumph waren alle Mitglieder der Mannschaft sofort Helden – zumindest in den Medien. Okay, ungewöhnlich war ihre Tat schon. Nach 24 Jahren hat es eine deutsche Mannschaft mal wieder geschafft, diesen im Fußball größten Titel zu gewinnen. Aber sind die Fußballer deswegen Helden? Für mich nicht. Wenn elf Berufsfußballer (oder mehr) für ihr Land spielen, als Team sehr gut funktionieren, ihr Potenzial abrufen und dann am Ende Weltmeister werden, ist das keine Helden-Tat – sondern ihr Job!
Natürlich habe ich mich als eingefleischter Fußball-Fan unglaublich darüber gefreut. Natürlich habe ich gejubelt, als Mario Götze in der Nachspielzeit das entscheidende Tor erzielte. Und natürlich bewundere ich die Mannschaft für diesen Erfolg. Aber wie gesagt: Helden sind sie für mich nicht, denn es war trotz allem nicht mehr als die Durchführung einer ihnen zuvor gestellten Aufgabe.
Denn wenn unsere WM-Champions Helden sind, dann gibt es noch viel mehr Helden. Dann kann fast jede Person, die ihren Job sehr gut macht, als Held gepriesen werden. Ich bewundere Krankenpfleger, Feuerwehrleute, freiwillige Helfer und Personen, die sich vollkommen für eine Sache aufopfern. Aber sind sie deswegen gleich Helden? Sie haben sich ihre Aufgabe ausgesucht – und entsprechend sollte diese Aufgabe auch mit voller Inbrunst und Überzeugung ausgeführt werden. Das erwartet jeder Chef von seinen Angestellten. Und das hat dann wieder wenig mit der Helden-Definition zu tun. Denn so anstrengend die Arbeit eines Krankenpflegers ist, so selbstverständlich ist es für uns, dass diese Arbeit durchgeführt wird – auch wenn ich wie bereits erwähnt den allergrößten Respekt davor habe.
Für die Medien und auch generell für die Werbeindustrie ist ein Held aber natürlich ein gefundenes Fressen. Wir neigen doch alle dazu, zu jemandem aufschauen zu wollen. Mit einem „Helden“ kann man Aufmerksamkeit generieren und Dinge verkaufen. Aber vermutlich genau deswegen wird der Heldenstatus inflationär verwendet und gerne konstruiert. Unter dem Strich ist die heutige Verwendung dieses Status ein unnötiges „Großmachen“ gewisser Personen. Ist Mario Götze wirklich eher ein Held als die Krankenpflegerin eines Hospizes, für die sich natürlich keiner interessiert?
Vorbilder sind wichtig, keine Frage. Personen, an denen man sich hochziehen und orientieren kann oder die besonders motivierend wirken, können uns helfen. Aber ein Held ist mehr als nur das – und steht deshalb noch darüber. Ein Held hat einen Einfluss auf eine ganze Generation. Auf die ganze Geschichte. Deswegen werden Helden häufig auch erst nach ihrem Wirken zu Helden – wenn das ganze Ausmaß überhaupt eingeschätzt werden kann.
Ich für mich habe festgestellt: Ja, es gibt Helden. Ja, ich glaube an eine gewisse Heldenkultur. Auch aus historischem Kontext denke ich, dass es Helden braucht. Wenn man einen Blick auf die Vergangenheit wirft, sind es Helden, die heute noch sehr motivierend sind und Menschen antreiben. Egal ob Martin Luther, Martin Luther King oder andere. Aber die Verwendung in unserer Gesellschaft und vor allem in den Medien ist aus meiner Sicht einfach falsch. Und genau das sollten wir überdenken. Denn so wie der Begriff derzeit verwendet wird, geht die eigentliche Definition eines Helden verloren. Und es findet eine falsche Einschätzung statt, nach der wir meiner Meinung nach keine Helden brauchen. Was natürlich nicht heißt, dass sich niemand mehr bei mir um den Titel „Held des Tages“ bewerben darf. Der läuft nämlich außer Konkurrenz – versteht sich ja von selbst, oder?
Du sprichst mir aus der Seele. Genau so ist es.
Gartenhelden, Lieferhelden, Putzhelden.. das kann ich nicht mehr hören. Echt schlimm, wie die Bedeutung des Heroen durch die inflationäre Verwendung für die hinterletzten Weichpflaumentätigkeiten zusammenschnurrt auf Wackelpuddingnivau.
Wer braucht da noch echte Helden, wenn schon jeder Pizzabote einer ist.