Warum wir uns im Netz zunehmend entblößen…
…und gleichzeitig einen Mangel an Privatsphäre kritisieren.
Was bedeutet es, wenn durch das Internet die private Sphäre vieler Menschen mehr denn je öffentlich wird? Eine wichtige Rolle spielen die Verantwortung der Nutzer zum Umgang mit ihren Daten und die Pflicht der Anbieter zum Schutz der gespeicherten Daten.
„Ähnliche Seiten, die Ihnen auch gefallen könnten…“
So führt uns „das Internet“ als täglicher Begleiter vor Augen, wie Persönliches analysiert und angewendet wird. Den Einzug in unseren alltäglichen Umgang zeigt auch das „googlen“, das selbstverständlich längst Teil unseres „surfens“ und unserer Sprache geworden ist.
Der Leitsatz der Google – Unternehmensphilosophie, „Der Nutzer steht an erster Stelle“, impliziert das Hilfsangebot an den Nutzer bei dessen Entscheidungsprozessen. Dafür werden stets neue Dienste entwickelt, die mithilfe unserer gespeicherten und verknüpften Daten immer präzisere Angebote und Informationen für uns zu generieren. Google weiß sehr genau, welche Werbung unsere Cursor anlockt.
Meint dies das Wohl des Nutzers? Das Kreieren von Bedürfnissen ist ein Merkmal der Konsumgesellschaft. Neu daran ist, dass uns Google & Co. anhand unserer Daten sehr genau über zukünftige Bedürfnisse informiert.
Eine Grundlage dafür ist, dass Nutzerdaten lange gespeichert werden: Google ist nach eigenen Angaben der Meinung, dass „die Anonymisierung der IP-Adressen nach neun Monaten und der Cookies nach achtzehn Monaten“ ein gutes Maß sei. Facebook behält die Daten etwas länger, nämlich unbegrenzt, auch wenn man sich abmeldet, also den Account „löscht“.
„Menschen organisieren sich nach den Kriterien der Nützlichkeit“
Google-Chef Schmidt antwortete kürzlich auf die Frage, ob die Sorge vieler Nutzer um ihre Privatsphäre den Visionen von Google bald Grenzen setzen könnte: „Darüber denken wir nicht nach, wir denken anders. Wir wollen, dass der Konsument unser Produkt mag und nicht Angst vor Missbrauch hat.“
Das ist auch bisher selten der Fall: Nur wenige Nutzer sorgen sich über eine Wissensmaschine die Daten sammelt und voraus „denkt“, da der phänomenale Nutzen überwiegt. Und das ist Googles Kerngeschäft: Es werden Informationen geliefert von denen ich bislang nicht wusste, dass ich sie brauche aber mich meistens freue, wenn sie mir plötzlich zur Verfügung stehen.
Beim Schutz der Privatsphäre weist Schmidt von sich: „Der Nutzer muss entscheiden und das Risiko abwägen, was von ihm im Internet kursiert.“ Trotzdem ist selten erkennbar, welche Daten von uns wo gespeichert werden, und das Datensammelprogramm „Google Analytics“ z.B. entzieht sich gleich jeglichem Anflug von Transparenz.
Wo hört die Privatsphäre auf und wo beginnt die Öffentlichkeit?
Auf Skepsis stößt jedoch, dass „das Internet“ mittlerweile ohne unser Zutun zu uns kommt, z.B. indem das Haus in dem ich wohne aufgenommen und im Netz sichtbar wird. Dies beschreibt eine Abkehr der bislang stillen Vereinbarung: Kostenlose Nutzung von Web-Diensten für die freiwillige Abgabe persönlicher Informationen. Google z.B. filmt aber alle, auch jene, die das Netz gar nicht nutzen.
Wurde der Menschheit die Nützlichkeit dieses Dienstes nicht ausreichend erklärt? Oder zeigt dies auf dass es doch eine Schmerzgrenze bei der Frage unserer digitalen „Öffentlichkeit“ gibt? Den meisten Menschen scheint die virtuelle Welt ferner zu sein als die reale. „Street View“ hebt diese Distanz plötzlich auf und führt vor Augen, wie die Grenzen von „privat“ und „öffentlich“ im Netz verschwimmen und wie hilflos man zunächst ist, soll Privates auch bitte privat bleiben.
Wer kontrolliert die Datensammler?
Mit „Street View“ wurde deutlich, dass für dieses neue Phänomen bislang juristische Mittel fehlen um den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten. Und Google hat das Ziel, alle (sic!) Informationen zu erfassen und bereitzustellen. Wird das Realität, müsste der private Bereich konsequenterweise verschwinden.
Um dieser Sorge vorzubeugen steht in den AGBs der Anbieter, was mit meinen Daten – einmal eingegeben – passiert. Die Transparenz bleibt jedoch Theorie: Kaum jemand liest die Bedingungen und deshalb können nur wenige Menschen entscheiden, wen sie an ihrer Privatsphäre teilhaben lassen und wen nicht. Aber wer sollte auch durch Facebooks umfassende AGBs durchsteigen?
Ein größeres Problem ist langfristig jedoch, dass Google und Facebook die Nutzer in Abhängigkeiten führen, da die Marktmacht der Internet-Riesen eine Alternativlosigkeit suggeriert. Wer heutzutage nicht bei Facebook mitpostet, verpasst scheinbar Wichtiges aus dem Leben seiner „Freunde“, und der Erfolg Googles baut mit auf dem Irrtum auf, dass relevante News nur dort zu finden sind.
Mindestens haltbar bis…
Nutzer- und Bewegungsprofile werden ermöglicht, indem Daten lange Zeit gespeichert werden. Ein Weg dem Einhalt zu gebieten ist der Vorstoß, ein „Verfallsdatum“ für Daten einzuführen. Jeder soll selbst entscheiden dürfen, was wie lange im Netz kursiert.
Das klingt vernünftig, doch ähnliche Problemstellungen (z.B. von der Leyens „Stopp“ – Schild) machten deutlich: das ist wohlgemeint, rechtlich als auch technisch jedoch nicht umsetzbar. Die Daten können verändert durch Dritte weiterhin im Web verbreitet werden, und da das Web nun mal World Wide ist, ist eine weltweit einheitliche Regelung schlichte Utopie.
Deshalb bleibt der einzig wirksame Datenschutz weiterhin „Eigenverantwortung“: „Wer sich keine Gardinen kauft, weil er das spießig findet, kann nicht vom Staat verlangen, dass dieser ihn vor Gaffern schützt.“
„Ich bin zu bequem über die Folgen meiner Nacktheit nachzudenken“
Ja, es ist mühselig eine andere Suchmaschine als Google zu nutzen. Aber ein bloßes Hoffen darauf, dass mit meinen Daten kein Unfug passiert während wir weiter unsere Daten preisgeben, führt nirgendwohin. Mir hat die Debatte um den Schutz bzw. einen möglichen Missbrauch meiner Daten schwer zu denken gegeben und ich habe als ersten Schritt „Ghostery“ und „NoScript“ installiert.
Was keine Konsequenz daraus ist, womit ich aber den Datensammlern ein Schnippchen schlage: In meiner Freiheit der Wahl der Kommunikationsmittel greife ich gern auf Papier und Tinte zurück. Dabei sind mir zwei Dinge sicher: jedermann bekommt gern Briefe, und meine „Daten“ liest ausschließlich der Empfänger! Warum also nicht in den kommenden Tagen guten Freunden eine Freude machen und anstatt einer E-Post einen Brief schreiben?
Eins verstehe ich nicht: wieso ist es mühevoll, eine andere Suchmaschine als google zu benutzen? Mein Computer kennt gar kein google., er kennt xquick und bing, das reichte bisher immer. Ich löse auch nicht jeden Gutschein ein, den mir irgendwer beilegt. Und Facebook ist absolut „out“. Da ist schbon viel getan.
Kurze Rückfrage: Wieso ist Facebook absolut „out“?
(Ich selbst übrigens verzichte auch auf Google und nutze meist de.search.yahoo.com)
Klar gibt es viele „reflektierte“ Internetnutzer, allen voran Mr JUICEDaniel! Jedoch gibt es m.E. wenige, die andere Suchmaschinen als gugl nutzen. Und wenn du dir die Nutzerzahlen (Marktanteil) Gugls anschaust, dann spricht das wohl für sich. Ergo war mein Statement eher allg. Natur! Re fb: Ich würde sagen, dass fb ein äußerst beschränktes Mittel ist. Aber über 500 Milionen aktive (!) Nutzer sprechen eben auch Bände.
Danke @ Ostsachse! Ich habe deshalb nachgefragt, weil ich selbst – aus Überzeugung – kein Facebook (mehr) benutze. Siehe Facebook unser Schicksal
Deinen Kommentar finde ich sehr interessant. Hast du Lust auf einen kurzen Gastbeitrag auf JUICEDblog, der diese Facetten nochmal ein klein wenig ausformulierter wiedergibt? Dann melde dich doch bei uns per Kontaktformular.