Er kennt die Frauen, die anschaffen gehen und weiß, dass sie oft voller Angst an der Straße stehen während sie auf Kunden warten. Er weiß, dass diese Frauen oft keine Alternative haben und dass sie manchmal mit ihrem Leben bezahlen. Gerhard Schönborn arbeitet seit zehn Jahren am Straßenstrich Kurfürstenstraße.
„Erst letzte Woche wurde hier eine Frau gefunden, die lebensgefährlich zusammengeschlagen wurde“, erzählt Streetworker Gerhard Schönborn. Er leitet ein kleines Café direkt an der Kurfürstenstraße in Berlin und geht regelmäßig auf die Frauen am Straßenstrich zu. In seiner freundschaftlichen Art kommt er schnell mit ihnen ins Gespräch, bietet ihnen etwas Warmes zu trinken an oder hört einfach nur zu. Wenn sie möchten, können sie sich im Café ausruhen, kostenlos etwas trinken oder Spiele spielen. All das ist eine willkommene Abwechslung für die Frauen, eine kleine Oase in einem Milieu, das von Gewalt geprägt ist.
„Die alltägliche Gewalt, die hier 24 Stunden am Tag vorherrschend ist, ist eine ständige Herausforderung“, erzählt Schönborn. „Wenn wir hier drinnen sitzen, gemeinsam spielen und scherzen, und die Frau dann raus geht und in ein Auto einsteigt, dann tut das weh.“ Er und die anderen Mitarbeiter des Cafés investieren viel in die Beziehungen zu den Frauen, bauen Freundschaften auf. „Wenn dann eine Frau an einer Überdosis stirbt oder auf der Straße zusammengeschlagen wird, dann nimmt mich das schon sehr mit“, sagt Schönborn. „Aber es muss mir auch wehtun, denn sonst wäre es nur ein Job. Wenn mir die andere Person wirklich wichtig ist, dann schmerzt mich sowas auch. Damit muss ich dann leben.“
Trotzdem lassen ihn die Probleme, die die Frauen von der Straße mit ins Café bringen, nicht hoffnungslos zurück. „Für jede einzelne Frau habe ich Hoffnung und gebe sie nicht auf. Die anderen Mitarbeiter und ich können das ganze Elend ein bisschen verändern und wir können für die Frauen da sein.“ Sein größter Wunsch wäre, dass in der Gesellschaft ein Umdenken stattfindet. „Mir ist es ein Bedürfnis, dass Männer die Augen öffnen. Sie müssen sich bewusst machen, dass es frauenverachtend ist, was sie da treiben.“
Deswegen redet er von dem, was er erlebt. Von der Gewalt auf dem Straßenstrich, von der Rücksichtslosigkeit der Freier und von dem Wert der Frauen, die oft am Rande der Gesellschaft stehen.
Isabelle Dreher meint
Hallo,
ich finde es gut, dass immer mehr recherchiert und an die Öffentlichkeit dringt, unter welchem Druck Frauen (und auch minderjährige Mädchen) stehen, die sich prostituieren.