Es ist die größte Demonstration weltweit: One Billion Rising. Überall stehen Menschen auf und fordern ein Ende der Gewalt gegen Frauen. Doch nein, sie schimpfen nicht. Sie tanzen.
Weltweit werden 35 Prozent aller Frauen im Laufe ihres Lebens Opfer von häuslicher oder sexualisierter Gewalt. Das ist jede dritte Frau. Eine Milliarde Töchter, Mütter, Ehefrauen, Partnerinnen, Freundinnen, die während ihres Lebens ein- oder mehrmals vergewaltigt oder geschlagen werden. Nun stehen am 14. Februar weltweit Frauen auf, um Gerechtigkeit und ein Ende der Gewalt zu fordern.
Die Kampagne ging von der Organisation V-day aus, die 1998 von Eve Ensler gegründet wurde. Jedes Jahr am Valentinstag führten Theatergruppen das von Ensler geschriebene Theaterstück „The Vagina Monologues“ auf und setzten sich für die Gleichberechtigung der Frau ein. Um den 15. Jahrestag der V-day-Gruppe gebührend zu zelebrieren, wurde 2012 Kampagne One Billion Rising ins Leben gerufen.
Das Jahr 2012 war ein besonders dunkles Jahr in Bezug auf die Gewalt gegen Frauen: In Pakistan wurde die 15-jährige Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai angeschossen, in Steubenville (Ohio, USA) wurde ein junges Mädchen von einer Gruppe Teenager vergewaltigt und die 23-jährige Inderin Jyoti Singh Pandey wurde von sechs Männern zu Tode gefoltert und vergewaltigt. Vor allem die Gruppenvergewaltigung in Neu-Delhi führte zu einem internationalen Aufschrei.
Zwei Monate später, am 14. Februar 2013, beteiligten sich Männer und Frauen aus 205 Ländern an der ersten Protestaktion namens One Billion Rising, um auf die Situation von einer Milliarde Frauen und Mädchen weltweit hinzuweisen. Eve Ensler bewegte Frauen weltweit dazu ihre Arbeit niederzulegen, auf die Straße zu gehen und… zu tanzen! Die Demonstrationen wurden vor allem über Social Media organisiert, der gemeinsame Tanz zu dem Lied „Break the Chain“ von Tena Clark mithilfe von YouTube-Videos einstudiert. Er wurde zum Zeichen der Solidarität und des Nicht-Akzeptierens der Gewalt. „Das Besondere am Tanzen ist, dass es gleichzeitig feierlich ist und gefährlich, freudig und irritierend. Das macht es zur perfekten weiblichen Protestform“, sagte Ensler gegenüber der Frauenzeitschrift Brigitte.
Auch in Deutschland: One Billion Rising for Justice
In diesem Jahr findet die Aktion wieder in zahlreichen deutschen Städten statt und steht unter dem Motto One Billion Rising for Justice. Gerechtigkeit bedeutet nicht nur die Gewaltverbrechen zu benennen, sondern auch deren Strafverfolgung zu fordern. „Wenn die Verbrechen, die dir angetan wurden, nicht bestraft werden – welchen Schutz hast du dann noch? Die Idee der Kampagne ist, herauszufinden, wie Gerechtigkeit aussieht und wie wir sie erreichen können“, sagte Ensler im Brigitte-Interview. Konkret fordern die Aktivisten, dass der Rechtsanspruch auf Schutz und Unterstützung für Betroffene von häuslicher und sexualisierter Gewalt gesetzlich festgeschrieben wird, die eigenständige Existenz von benachteiligten Gruppen und Überlebenden von Gewalt und Menschenhandel gesichert wird und diskriminierende Darstellung von Frauen und Männern in den Medien unterbunden werden.
Gewalt gegen Frauen ist ein globales Problem und kann sich unterschiedlich äußern: physisch, sexualisiert, psychologisch und wirtschaftlich. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind Frauen zwischen 15 und 44 Jahren mehr von Vergewaltigung und häuslicher Gewalt bedroht als von Krebs, Autounfällen, Krieg und Malaria. Diese Zahlen gelten sowohl für Länder der westlichen Welt wie auch für Entwicklungsländer. In den USA wird ein Drittel der jährlich ermordeten Frauen von Beziehungspartnern getötet. Eine Studie unter Teenagern im Alter von 15 bis 19 Jahren in Kanada fand heraus, dass 54 Prozent der Mädchen sexuelle Nötigung in Beziehungen erfahren hatten. In der Demokratischen Republik Kongo werden durchschnittlich 36 Mädchen und Frauen vergewaltigt – jeden Tag. In Guatemala werden täglich zwei Frauen ermordet.
Und wie sieht es in Deutschland aus? 2012 verzeichnete das Bundeskriminalamt 8.031 Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung1 Das sind 22 Frauen pro Tag oder eine Frau alle 65 Minuten.2
Das ist aus unserer Sicht ein Anlass, sich zu empören! Auch wenn du keine Frau bist oder nicht zu den 35 Prozent gehörst, die Gewalt erfahren: Solidarisiere dich und nimm an einer der zahlreichen Demonstrationen in Deutschland teil. Ich werde mich auch aufmachen und dabei sein, wenn sich eine Milliarde Menschen erhebt. Impressionen davon könnt ihr dann am Freitagabend hier sehen. Schaut vorbei, hier und vor Ort – und empört euch!
Break the Chain von Tena Clark
Update 14:47 Uhr: Erste Bilder von David Vogt
Unser Fotograf David Vogt hat die One Billion Rising for Justice-Aktion in Neuruppin besucht und einige Fotos davon gemacht. Seht selbst:
Update 18:45 Uhr: Weitere Bilder und ein Video von Debora Höly
Auch in Bonn haben sich ungefähr 150 Menschen an der Aktion beteiligt. Auf Facebook lautete die Ansage:
Tanz-Flashmob gegen Gewalt an Frauen: 14. Feb. Bonner Münsterplatz. Ablauf: Treffpunkt: 15:45 auf dem Friedensplatz. Wir ziehen mit Plakaten, Fahnen und Trommeln durch die Stadt, treffen uns 16:30 auf dem Münsterplatz zum Risen!
Ich war für euch vor Ort und habe Fotos und ein Video für euch aufgenommen:
- Da es sich hierbei jedoch lediglich um die verzeichneten Fälle handelt, dürfte die Dunkelziffer höher liegen. ↵
- 99 Prozent der sexuellen Gewalttaten wird von Männern verübt. ↵
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