Seit gestern ist meine Timeline voll von Artikeln über die Krawalle von Köln. Eigentlich erlaubt es mir mein Zeitplan derzeit nicht, darüber zu schreiben. Aber ein paar Gedanken möchte ich dennoch loswerden, bevor in der schnelllebigen Medienwelt die nächste Sau durchs Dorf getrieben wird respektive der nächste Shitstorm ausbricht.
Der Reihe nach:
(1) Zuerst wurde ich durch einen Artikel des Medienbranchendienstes Meedia auf das Thema aufmerksam.
(2) Anschließend las ich die Kommentare darunter und blieb bei folgendem Kommentar hängen:
Der Beitrag über das Versagen von Medien, Politik und Polizei, wo wir erst knapp eine Woche nach den skandalösen Massenjagden auf Frauen durch nordafrikanische Banden zu Silvester in Köln erfahren, zeigt selbst, woran es hierzulande hapert. Das ganze sei „Wasser auf die Mühlen von Pegida & Co.“ und leiste „rechtspopulistischen Kräften im Land Vorschub“, heißt es im Text. Ja, das genau ist die Krux, denn so war offenbar auch die Denke der Kölner Polizei gewesen, als sie das Ganze erst mal zu vertuschen versuchte. Sind halt die falschen Täter diesmal, leider keine Neonazis, sondern Migranten, die ja nur Opfer sein dürfen. Entsprechend auch das Schweigen unserer Berufsfeministen bisher zu Köln, ist es diesmal nicht der böse deutsche Mann, die Frauen quält. Welcher Kontrast dazu das mediale Getöse nach dem Messerangriff auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin („Pegida hat mitgestochen“, so der Tagesspiegel)–es war ja gottseidank ein Rechtsextremer (oder Verfassungsschützer?). Wir leben mittlerweile in einer irren Welt, wo die Medien ihrer Aufgabe einer objektiven und vollständigen Berichterstattung nicht mehr nachkommen, aus lauter Angst, politisch unkorrekt zu sein. Gottseidank gibt es das Internet, dass solche Vertuschungen wie jetzt in Köln nicht mehr aufrechtzuerhalten sind. Es sei denn, Justizminister Maas schafft es, auch dort die Zensur durchzusetzen.
Da frage ich mich:
- Waren es tatsächlich die falschen Täter?
- Dürfen Migranten wirklich nur Opfer sein?
- Hätte die Berichterstattung tatsächlich anders ausgesehen oder andere bzw. anders getaktete Kreise gezogen, wären es Deutsche oder gar Rechtsradikale gewesen?
- Ist der Vorfall denn überhaupt politisch inkorrekt? Wenn ja: Haben Journalisten, Polizisten und Politiker tatsächlich Angst davor, politisch inkorrekt zu sein? Wenn ja: Woher kommt diese Angst? Und vor wem haben sie eigentlich Angst?
(3) Der bei Meedia verlinkte Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers war sehr konfus bzw. diffus oder zumindest unkonkret.
(4) Deutlich konkreter war der ebenfalls verlinkte Artikel Nach sexuellen Übergriffen in Köln: Medienversagen gefährdet den sozialen Frieden von Anabel Schunke. Meedia-Autor Stefan Winterbauer scheint der Artikel gar nicht gefallen zu haben, er verlinkt den Artikel nämlich mit den Worten:
So ungefähr liest es sich u.a. in dem weit ins rechtspopulistische Lager hineinreichenden Blog des ehemaligen WirtschaftsWoche-Chefredakteurs Roland Tichy.
Hört, hört, die Nazi-Keule. Tatsächlich stellt die Autorin in ihrem Artikel einige wichtige Fragen (wenn auch eher rhetorischer Natur):
Unweigerlich wirft das die Frage auf: Wie weit darf mediale Verschwiegenheit aufgrund etwaiger Erwägungen bzgl. des sozialen Friedens in einem Land gehen? Und wird der soziale Friede wirklich dadurch gewahrt, dass man Dinge verschweigt, die früher oder später ohnehin durch Social Media und Co. herauskommen? Macht man letzten Endes damit nicht alles noch viel schlimmer? Zerstört man damit nicht einmal mehr das ohnehin nur noch spärlich vorhandene Vertrauen der Mehrheitsgesellschaft in die Politik und vor allem das Vertrauen gegenüber den Medien?
Gestern hatte der Artikel noch knapp über 9.000 Likes auf Facebook, heute sind es schon über 13.000. Anscheinend spricht er einigen aus der Seele. Und ich vermute mal nicht nur „besorgten Bürgern“ und Rechtsradikalen, sondern auch einigen Frauen.
(5) Mit einem JUICED-Autoren maile ich über die Geschehnisse. Ich schreibe ihm:
Es gibt auf allen Seiten, überall, schwarze Schafe, Gewalt, Hass, Enttäuschung, Täuschung(sversuche). Das gilt nun mal für alle Menschen, leider. Und die Aufgabe der Medien sollte es sein, fair und neutral über beide Seiten zu berichten, auch wenn’s unangenehm ist. Wichtig ist halt, dass man nicht versucht, seine eigene Agenda mit Gewalt durchzudrücken, sondern wirklich nach der Wahrheit sucht. Die Aufgabe der Medien sollte es nicht sein, Stimmung zu machen (weder für die eine noch die andere Seite), sondern unabhängig und neutral zu sein. Gleichzeitig tragen Medien mit einer ausgewogenen und nüchternen Berichterstattung dazu bei, dass (aufgebrachte/negative) Stimmung vermieden wird. Das wäre wichtig.
Ich habe jetzt zu wenige Infos über „die Krawalle von Köln“, sodass ich mir dazu kein Urteil erlauben kann. Aber ich finde, dass man anhand des Artikels und der Kommentare doch merkt, dass es vielleicht nicht ganz so einfach (schwarz-weiß) ist, wie wir das gerne hätten…
Er stimmte meiner Aussage zu und ergänzte sie mit einem Zitat aus einem n-tv-Artikel, das wir beide sehr gut fanden:
Die Täter, ob in Köln oder anderswo, müssen mit aller Härte bestraft werden. Ob sie deutscher oder arabischer Herkunft sind, darf dabei keine Rolle spielen. Am Ende zählt die Tat und nicht die Herkunft. Schade ist, dass das in einem Land wie Deutschland nicht selbstverständlich ist.
(6) Dann, am späteren Abend, folgte die Eilmeldung von Tagesschau.de mit einem Statement von Bundesinnenminister Thomas de Maizière:
Bundesinnenminister de Maizière hat die Ereignisse der Kölner Silvesternacht als „abscheulich“ bezeichnet. Er kritisierte im Interview mit den tagesthemen aber auch die Arbeit der Kölner Polizei. Ein Generalverdacht gegen Flüchtlinge sei genauso falsch wie Tabus bei der Aufarbeitung.
Spätestens da war mir klar, dass dieser Vorfall nicht mehr so schnell von der medialen Bildfläche verschwinden wird. Ich denke über Meedia-Autor Stefan Winterbauers ersten Absatz nach, der für mich ein Schlüsselabsatz ist:
Der Vorfall in Köln (und ein ähnlicher auf der Reeperbahn in Hamburg, ebenfalls in der Silvesternacht) ist dazu geeignet, die Gesellschaft nachhaltig zu spalten. Dass Polizei, Opfer und Augenzeugen übereinstimmend berichten, dass der Großteil der wild gewordenen Männer-Meute aus dem arabischen/nordafrikanischen Raum stammt, ist Wasser auf die Mühlen von Pegida & Co. Wenn ein Ereignis geeignet ist, den rechtspopulistischen Kräften im Land Vorschub zu leisten, dann dieses.
Wasser auf die Mühlen von Pegida & Co. – an dieser Aussage haben sich die meisten Kommentatoren gestört und den Autor dafür heftig kritisiert. Und genau hier wird es kompliziert… leider. Wichtig ist zunächst einmal dieser Abschnitt von de Maizière, der Grundlage für alle weiteren Gedanken sein sollte:
Angesprochen auf die Sorge, dass die Vorfälle die deutsche Willkommenskultur gefährden und Rechtspopulisten stärken könnten, sagte de Maizière, es dürfe keinen Generalverdacht gegen Flüchtlinge geben. Umgekehrt dürfe es keine Tabus geben, wenn bei Straftaten einiges dafür spreche, dass die Täter Nordafrikaner waren.
(7) Teresa Buecker, Autorin beim Frauenportal Edition F, stört die Richtung, die diese Debatte nimmt, und die gespielte Überraschung über die Vorfälle, die sich in etwa so lese:
Sexualisierte Gewalt? In Deutschland? In diesem Ausmaß? Und das an Silvester? Das kann nicht sein.
Sie schließt ab mit der Frage:
Ob also vermehrte Zuwanderung das Risiko für Frauen, Gewalt zu erleben erhöht, kann bislang niemand belastbar sagen. Fakt ist, dass Abwertung und Gewalt davon unabhängig für Mädchen und Frauen in Deutschland ein Problem bleibt.
Schaffen wir das, dass es irgendwann anders ist?
(8) Und dann lese ich den Artikel „Ich habe noch nie so viele heulende Frauen gesehen“ auf Süddeutsche.de, in dem die 31-jährige Steffi von den Geschehnissen vor Ort berichtet. Darin erzählt sie:
In dieser Situation fiel mir zum ersten Mal auf, dass alles voll war mit arabisch oder nordafrikanisch aussehenden Männern. Man muss vorsichtig sein, wenn man so etwas sagt, aber es ist mir wirklich aufgefallen. Und ich komme aus der sozialen Arbeit, ich habe Freunde aus allen möglichen Kulturkreisen. Ich stand da und habe kein Wort verstanden von dem, was um mich herum geredet wurde. Immer wieder wurden anzügliche Bemerkungen gemacht. Die Beschimpfungen habe ich dann doch verstanden. Im Laufe der Nacht wurde mir mehrmals ‚Schlampe‘ an den Kopf geworfen, ‚Fotze‘ und ‚dumme Hure‘.
Man merkt Steffi an, dass sie das nicht sagen will. Sie wünscht sich, es wäre anders. Und sie weiß, dass man es nicht verallgemeinern kann oder darf. Dennoch ist sie geschockt:
Es ist fünf Tage her und ich bin immer noch schockiert. Ich habe einige Jahre in Berlin-Moabit gewohnt – einem sozialen Brennpunkt. Aber sowas habe ich dort nie erlebt. Auch in Köln, wo ich seit März vergangenen Jahres lebe, habe ich bis vor Kurzem überhaupt keine schlechten Erfahrungen gemacht.
Was bleibt, ist unter anderem diese Frage:
Ich mache den Polizisten vor Ort keine Vorwürfe. Ich verstehe nur nicht, warum das alles erst jetzt durchsickert.
(9) Warum ich diesen Artikel veröffentliche? Hier kann ich Anabel Schunke nur allzu gut verstehen:
[Update] (10) Schließen möchte ich mit einem Auszug aus der E-Mail-Antwort des JUICED-Autors, dessen Meinung ich uneingeschränkt teile:Ich für meinen Teil werde weiter an dem Fall in Köln dranbleiben, denn nicht zuletzt ist der Umgang der Medien mit diesem Thema auch ein Schlag ins Gesicht für jedes Opfer dieses Übergriffes.
Ich hoffe, dass die Kriminellen in Köln gefasst werden, genauso wie die Brandstifter oder Schützen auf Asylbewerberheime. Nein, ich denke auch nicht binär. Die Welt besteht nicht aus Schubladen. Die Welt ist kompliziert und Ordnung schaffen wir nicht dadurch, dass wir versuchen, in dem wir Menschen in Kategorien zu klassifizieren und in Schubladen zu stecken, denn jeder Mensch ist anders und einzigartig.
[Update 2, 19:50 Uhr]
(11) Die Autorin Lena Baseler bläst auf HuffingtonPost.de ins gleiche Horn wie Meedia-Autor Stefan Winterbauer:
Und schon haben die Rechten wieder eine perfekte Schlagzeile: Belästigung in diesem Ausmaße und dann sollen es mutmaßlich auch noch Ausländer gewesen sein. „Das kann doch dann nur etwas mit den Flüchtlingen zu tun haben“, wird da mit schelmischem Grinsen in Nebensätzen artikuliert.
Weiter schreibt sie, dass es aber nicht um die Täter gehe, sondern um die Frauen:
Die Frauen, die bedrängt, belästigt, angefasst und ausgeraubt wurden. Die Frauen, die jetzt mit den psychischen Folgen eines solchen Übergriffs fertig werden müssen. Da ist die Herkunft der Täter egal.
Stimmt – fast. Aus meiner Sicht geht es nämlich um beide Seiten. Schließlich kann man nicht einfach eine Hälfte ausblenden und ignorieren, oder? So lange man daraus nicht die Schlussfolgerung zieht, dass zwischen den Opfer- und Tätergruppen generell(!) ein zwingender(!) Zusammenhang besteht, sollte man über beide Seiten sprechen dürfen. Nur so können wir daraus lernen.
Übergriff ist Übergriff, Aussehen und Nationalität des Täters egal, es ist in jedem Falle widerwärtig und ekelhaft und muss strafrechtlich verfolgt werden. Dennoch scheint im Gros die Dramatik um die Täter interessanter und ausschlachtenswerter, als eine fundierte Berichterstattung bei der es einmal mehr um die Opfer geht.
Liebe Frau Baseler, vielleicht liegt das daran, dass wir so etwas in diesem Ausmaße vorher noch nie gehört/gelesen/gesehen/erlebt haben?
(12) Das sieht auch die Feministin Anne Wizorek (#Aufschrei) so:
Dass Frauen im öffentlichen Raum sexuell belästigt werden, ist nicht neu. Aber die Massivität, in der das offenbar in Köln geschehen ist, die ist neu.
Dann weist sie auf einen wichtigen Unterschied hin:
Der Unterschied besteht darin, dass die Vorfälle nun instrumentalisiert werden – gerade auch von Leuten, die solche Vorfälle während der Aufschrei-Debatte noch verharmlosten. Rechtskonservative, und leider auch einige Feministinnen, nutzen die Geschehnisse in Köln nun für rassistische Hetze.
(13) Wer noch mehr lesen möchte, darf sich gerne Köln von Enno Park und das Interview „Politisch korrekte Ausflüchte erregen den Volkszorn“ auf Welt.de durchlesen. Aber Vorsicht: Es könnten weitere Fragen aufgeworfen werden, auf die es vorerst keine eindeutigen Antworten gibt. Folgende Aussage des Kriminologen Christian Pfeiffer lässt jedenfalls hoffen:
Pfeiffer: (…) Integration von Menschen, auch aus Ländern, in denen die Machokultur noch weitverbreitet ist, kann gelingen, wenn man sich Zeit nimmt, wenn die Bildungsintegration voranschreitet und wenn sich innerfamiliär die Dinge langsam an die deutschen Maßstäbe anpassen.
(…)
Die Welt: Jetzt handelt es sich bei den von Ihnen beschriebenen Beispielen erfolgreicher Integration vermutlich vorwiegend um in Deutschland Geborene.
Pfeiffer: Richtig, nicht um junge Männer, die in ihrer Kultur dominanter Männlichkeit aufgewachsen und dann nach Deutschland geflohen sind. Das ist eine echte Herausforderung. Aber auch etwas, was wir bewältigen können. Wir müssen dazu aber erst mal das Problem benennen.
[Update 3, 11.01.2016]
6. Januar 2015
Kurz nach meinem letzten Update las ich erstmals von Vergleichen mit dem Oktoberfest. Instinktiv fand ich den Vergleich nicht nur falsch und unpassend, sondern vor allem unangebracht. Wäre ich eine der Opfer und würde plötzlich diesen geschmacklosen und undurchdachten Relativierungsversuch mit dem Oktoberfest-Vergleich lesen, wäre ich vermutlich entsetzt. Bei der FAZ gibt es auch den entsprechenden Artikel, der sich sogar auf diesen Vergleich einlässt und aufzeigt, wie schlecht dieser Vergleich im Grunde ist:
Es gibt dort [auf dem Oktoberfest, Anm.] einfach keine Szenen wie in Köln. Wer so etwas behauptet, hat entweder keine Ahnung, oder lügt absichtlich. (…) Und der Twittermob mit den falschen Zahlen muss sich fragen lassen, ob die Unterstellungen ein besserer Rassismus sind, weil er von denen vorgetragen wird, denen das Kölner Debakel für die Willkommenskultur nicht in ihre politische Doktrin passt, in der die Schurken idealerweise weisse, heterosexuelle Männer sein müssen.
8. Januar 2015
Die Meldung des Tages war an diesem Freitag sicher, dass Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers gehen musste. Aus meiner Sicht war das eine vorhersehbare Entscheidung, auch wenn er nur das Bauernopfer im systematischen Versagen ist.
Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, die Öffentlichkeit nach den Übergriffen nicht rechtzeitig informiert zu haben und Informationen unter anderem über die Herkunft der Verdächtigen zurückgehalten zu haben. Bis zuletzt hatte er sich gegen seinen Rücktritt gewehrt und den Vorwurf der Vertuschung zurückgewiesen.
(…)
Reker (Kölns Oberbürgermeisterin, Anm.) hatte am vergangenen Montag, drei Tage nach den Ausschreitungen, vor Journalisten gesagt, die Behörden hätten keine Hinweise darauf, dass es sich bei den Beteiligten um Flüchtlinge handele. Die Bundespolizei gab dagegen heute bekannt, dass von den bislang 32 namentlich bekannten Tatverdächtigen, 22 den Status als Asylbewerber hätten.
Was mich an dieser Stelle interessieren würde, ist die offizielle bzw. (durch wen?) angeordnete Informationspolitik seitens der Polizei in solchen Fällen.
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Mittlerweile gibt es ein paar mehr Fakten, die sogar in der New York Times (NYT) ein Thema waren. Für alle, die es also noch nicht mitbekommen haben, hier der Vollständigkeit halber nochmal:
By the end of this week the police had received 170 complaints, including 120 related to sexual assault. (…) The police have since identified 31 suspects. They are a multinational lot, including Germans, a Serb and even one American. But 18 of them are asylum seekers from the Middle East and North Africa.
This latest news is merely fuel for what many Germans already suspected, and witness accounts had already indicated: that the crowd was composed largely of men of North African and Middle Eastern descent, and that they were among the one million refugees that Germany has accepted over the last year.
Die deutsche NYT-Autorin Anna Sauerbrey stellt in dem Artikel einige wichtige Fragen:
The attacks — along with similar incidents in Hamburg — come at a critical time for Germany, and they raise tough questions about where Germany is headed: not just whether it will remain open to more refugees, but whether it can peacefully integrate those already here.
Interessant ist auch die Aussage von Bundesjustizminister Heiko Maas. Er „said on Tuesday that “organized crime” was behind the attacks, though no evidence exists for such a connection (he has since threatened to deport foreigners found guilty in the attacks).“ Auf Deutsch (Focus Online):
Auch Maas verlangte ein konsequentes Durchgreifen. „Das ist offenbar eine völlig neue Dimension organisierter Kriminalität“, sagte er.
Stern.de veröffentlichte am gleichen Tag (Dienstag, den 5. Januar) noch eine Gegenstimme:
Nach Angaben der Deutschen Polizeigewerkschaft sind die Kölner Vorfälle kein Einzelfall. Auch aus Stuttgart und Hamburg seien derartige Phänomene bekannt, sagte der Gewerkschaftschef Rainer Wendt dem NDR. Seiner Einschätzung nach handelt es sich nicht um organisierte Kriminalität, sondern um „eine Absprache der Täter, die die Masse der Menschen nutzen, die Dunkelheit und den Überraschungseffekt, um nach vollzogener Tat wieder unerkannt zu entkommen“.
Gestern machte dann das Interview mit Heiko Maas in der Bild am Sonntag die Runde. Seine Aussage „Niemand kann mir erzählen, dass das nicht abgestimmt oder vorbereitet wurde“ ist in meinen Augen eine eher schwache Begründung für seine Schlussfolgerung. Aber:
Wie die „Bild am Sonntag“ unter Berufung auf vertrauliche Polizeiangaben berichtet, riefen nordafrikanische Gruppen offenbar über soziale Netzwerke Landsleute dazu auf, in der Silvesternacht nach Köln zu kommen. Demnach wurden Nordafrikaner aus Köln und Umgebung, aber auch aus Nachbarländern aufgefordert, zum Kölner Hauptbahnhof zu fahren.
Einmal mehr: Die Wahrheitsfindung und die Interpretation der Wahrheit wird uns alles andere als leicht gemacht. Sauerbreys kluge Schlussfolgerung:
Integration will fail if Germany cannot resolve the tension between its secular, liberal laws and culture and the patriarchal and religiously conservative worldviews that some refugees bring with them. We cannot avoid that question out of fear of feeding the far right. But integration will also fail if a full generation of refugees is demonized on arrival.
… gefolgt von sechs weiteren uneingeschränkt lesenswerten Absätzen mit weiteren wichtigen Fragen. Lesen!
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Die ARD-Journalistin Anja Reschke hat einen lesenswerten Kommentar zu den Übergriffen in Köln veröffentlicht:
Die Übergriffe von Köln waren furchtbar, vor allem für die betroffenen Frauen. Aber sie waren auch ein Weckruf. Sie haben gezeigt, dass die Sache mit der Integration verdammt hart wird. Für uns alle. Vielleicht haben wir uns das zu schön geredet. Aber knicken wir jetzt ein?
(…)
Köln stellt uns auf eine harte Probe. Aber wir dürfen uns jetzt nicht unseren Ängsten hingeben. Wenn wir jetzt alle Flüchtlinge in Sippenhaft nehmen, wenn wir Zäune um unsere Häuser und unser Land ziehen, wenn wir den Rechtsruck mitmachen, den einige unsere Nachbarländer schon vollzogen haben, dann geben wir all das auf, was wir erreicht haben.
Tut euch einen Gefallen und lest den gesamten Kommentar.
9. Januar 2015
Wie denken eigentlich die Flüchtlinge über das, was in Köln passiert ist? Dieser sehr wichtigen Frage sind die Krautreporter nachgegangen und haben einige Flüchtlinge gefragt und ihre Antworten aus dem Arabischen übersetzt. Lesenswert!
Und wie denken ausländische Medien über das, was in Köln passiert ist? New York Times-Kolumnist Ross Douthat hat in seinem Artikel Germany on the Brink eine klare Meinung. Unabhängig davon, ob man sie teilt oder nicht, halte ich diesen Absatz für bedenkenswert:
But if you add a million (or millions) of people, most of them young men, in one short period, you get a very different kind of shift.
In the German case the important number here isn’t the country’s total population, currently 82 million. It’s the twentysomething population, which was less than 10 million in 2013 (and of course already included many immigrants). In that cohort and every cohort afterward, the current influx could have a transformative effect.
10. Januar 2015
Zwei Beiträge, die herausfordern oder gar ärgern können:
- Wahrheit ist ein zartes Gut (Spiegel Online-Kolumne von Spiegel-Autor Georg Diez)
- Wären sie nur nicht so dumm (FAZ-Korrespondent Antonia Baum)
[Update 4, 12.01.2015]
Die Folge ist eine Lagerbildung, die in ihrer Radikalität neu ist. (…) Die Frage ist nicht mehr: Wie lauten deine Argumente?, sondern: Bist du auf meiner Seite oder der anderen? Was oft genug bedeutet: Bist du für Flüchtlinge oder gegen sie?
Wie absurd diese Frage und auch jede Antwort darauf ist, geht inzwischen unter im allgemeinen Wechselspiel zwischen übertriebener Provokation und ebensolcher Empörung.
Das schreibt der Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt in seinem Kommentar Die gespaltene Nation. Diesen Eindruck teile ich – leider. Weiter schreibt er:
Ein richtiger und gerade deshalb – weil nicht stimmig zum sonstigen Bild – als falsch empfundener Zwischenton kann dazu führen, in einem der beiden Lager verortet, oder besser: eingesperrt zu werden. Wer das nicht will, hält sich lieber zurück – eine Deformation der öffentlichen Meinungsbildung, die in ihrer Wirkung giftig ist.
mardi_gras meint
Ich habe weder in den Artikeln des Kölner Stadtanzeigers (der Link zum Artikel funktioniert übrigens nicht), noch auf twitter weder etwas „konfuses bzw. diffuses“ gelesen. Ich habe auch nirgendwo *nicht* gelesen, dass es sich um „nordafrikanische“ bzw. „arabische“ Täter handeln soll. Die besondere Fokussierung auf die Täter dreht die Debatte nur zu einem anderen Aspekt: sexuelle Belästigung ist in erster Linie etwas, dass durch Migranten oder Flüchtlinge verübt wird. Ergänzen möchte ich noch diese Artikel von Antje Schrupp und Teresa Bücker.
https://www.fischundfleisch.com/anje-schrupp/die-gewalt-von-koeln-und-was-jetzt-zu-tun-ist-14437
https://editionf.com/sexualisierte-gewalt-koeln-silvester-kommentar
Daniel Höly meint
Danke für deinen Kommentar, mardi_gras.
Den fehlerhaften Link zum Kölner Stadt-Anzeiger habe ich soeben gefixt.
Den Artikel von Teresa Bücker habe ich bereits verlinkt und zitiert, siehe Punkt 7.
Der Zusammenhang, dass sexuelle Belästigung in erster Linie durch Migranten oder Flüchtlinge verübt wird, ist natürlich falsch. Gerade in Deutschland. (JUICED-Leser wissen das bereits, siehe: https://juiced.de/19373/weil-sie-ein-maedchen-ist/ und https://juiced.de/18786/one-billion-rising-eine-milliarde-empoert-sich-und-du/ ) Allerdings habe ich in der aktuellen Debatte nicht wahrgenommen, dass sie sich primär um diesen (falschen) Zusammenhang dreht. Einige Fragen habe ich ja bereits aufgeführt, darunter vor allem die Frage, warum das alles erst jetzt durchsickert. Und dazu gibt es nun erste Artikel, die versuchen, diese Frage zu beantworten, darunter etwa http://meedia.de/2016/01/06/koeln-und-die-verzoegerte-ueberregionale-berichterstattung-der-fehler-im-system/
Mirco meint
Was am Kölner Bahnhof in der Silvesternacht passiert ist, ist einfach abscheulich. Die Täter müssen verhaftet und verurteilt werden.
Wir leben in einem Rechtsstaat und solche Dinge dürfen wir nicht tolerieren. Es darf allerdings keine Rolle spielen, von wem die Straftaten begangen wurden. Auch darf es keine Toleranz gegenüber den Straftätern geben, die Unterkünfte der Flüchtlinge in Brand gesteckt haben oder sogar darauf geschossen haben.
Die Beispiele in den vergangenen Monaten zeigen jedoch eines: Es gibt nicht die Guten und nicht die Bösen. Menschen sind nicht per se böse, weil sie aus einer bestimmten Region stammen, weil sie woanders aufgewachsen sind, eine andere Religion haben oder weil sie einfach andere Hautfarbe haben als die anderen. Migranten sind keine Engel und das sind Deutsche auch nicht. Wir sind alle Menschen.
Es ist noch zu früh um Urteile zu fällen und nach Ursachen zu suchen. Aber nach Aussagen der Opfer waren die Täter arabischer oder nordafrikanischer Herkunft. Mir geht dabei eine Sache durch den Kopf. Ich bin zwar kein Nahost-Experte oder Experte der arabischen Kultur, aber warum haben gerade diese Menschen solche Taten begangen. Gibt es dort nicht auch Gesetze, die so etwas verbieten? Auch religiöse Regeln verbieten doch so etwas.
War etwa die Mischung aus Alkohol (dürfen Muslime überhaupt alkoholische Getränke zu sich nehmen?) und Gruppendynamik der jungen Männer Schuld? Interessant ist es auch dass ähnliche (aber leider noch viel brutalere Fälle) in Indien gab. Man erfährt hier, dass dort Frauen zu Tode vergewaltigt wurden. Zwar wurden die Täter hart (teilweise mit Todesstrafe) bestraft, aber diese Schandtaten hören einfach nicht auf. Ist das ein Problem der fehlenden Aufklärung und Bildung? Fehlt es in den nicht so weit entwickelten Regionen der Welt nicht nur an Bildung, sondern auch an moralischen Werten?
Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch eine Sache loswerden. Ich verstehe zwar die Aufregung um die abscheulichen Taten in Köln, aber ich verstehe die sehr hohe mediale Aufmerksamkeit nicht, denn es gab und gibt in Deutschland immer Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe auf Frauen. Ist die Aufregung deswegen so groß, weil die Täter Migranten waren?
Auch gab es vor wenigen Tagen zwischen der japanischen und südkoreanischen Regierung eine Einigung über den lange andauernden Disput der Sexsklaverei im zweiten Weltkrieg. Japanische Militärs haben im zweiten Weltkrieg Frauen aus vor allem aus Korea und China zur Sexsklaverei gezwungen. Erst jetzt hat sich die japanische Regierung auf Druck der US-Regierung dazu entschlossen sich offiziell bei den Opfern zu entschuldigen und eine Entschädigung an die wenigen noch lebenden Opfer zu zahlen.
Es gab einige Meldungen in Deutschland dazu, aber es gab weder viel Resonanz in der Öffentlichkeit noch Interesse.
Mirco meint
Interessant ist in dem Zusammenhang auch dieser Artikel von n-tv: http://www.n-tv.de/politik/Fluechtlinge-duerfen-nicht-gratis-in-den-Puff-article16918571.html
Daniel Höly meint
Ein lesenswerter Artikel zu diesem Thema: Junge Männer, die die Kultur der Gewalt mitbringen