Ein erwachsener Mann im Ganzkörperkondom, eine Powerfrau im Stripperinnen-Outfit und eine Gottheit mit schwarz-gelben Zebramuster-Stiefeln: Superhelden sind für vieles bekannt, aber nur selten für ihren exquisiten Modegeschmack. Zusammen mit Modedesignerin Julia Starp habe ich Superman, Batman und Co. einem Style-Check unterzogen und mich auf die Suche nach modischen No Gos und Must Haves gemacht.
Keine Frage, wer jeden Tag die Welt rettet, hat früh morgens weder Zeit noch Lust, sich Gedanken um sein Outfit zu machen. Ein schneller Griff in den Kleiderschrank und dann wird das erstbeste angezogen, was man gerade in die Finger bekommt. Aber wenn man schon jeden Tag das Gleiche trägt, sollte das auch gut aussehen, oder etwa nicht?
Ich habe davon keine Ahnung und frage jemanden, der sich damit auskennt: Julia Starp, 31, Modedesignerin aus Hamburg, die mit ihren Kollektionen längst zum festen Bestandteil der Berliner Fashion Week gehört. Wir kennen uns bisher noch nicht, also suche ich in meiner ersten Mail lange nach den richtigen Worten für meinen Einstieg (Ich weiß, das klingt jetzt komisch, aber…). Ich könnte es ihr nicht verübeln, wenn sie mich bei meinem Anliegen für einen Stalker halten und meine Nachricht direkt löschen würde. Ein Style-Check bei Superhelden. Natürlich. Hast du keine Freunde?
Als ich tatsächlich eine Antwort bekomme, bin ich fast ein bisschen überrascht. „Das klingt total spannend, da hätte ich Lust zu“, schreibt sie und ich frage mich, ob der Smiley dahinter ein grinsendes Sarkasmus-Schild ist. Aber weit gefehlt. Ein paar Mails und ein Treffen später ist der Style-Check im Kasten.
Superman
Superman ist der älteste und vielleicht der bekannteste aller Superhelden und deshalb auch in Sachen Mode ein absoluter Vorreiter seiner Zunft. „Die Unterhose über dem Body geht ja gar nicht“, unterbricht mich Julia in meinem Monolog. „War das jemals in Mode? Ich hoffe auf jeden Fall nicht, dass es irgendwann so weit kommt. Das sieht albern aus und ist wenig praktikabel.“ Apropos Body: Den hält die Expertin für eine feine Sache, „aber nur im Winter und nur zum Drunterziehen“. Als Hauptkleidungsstück komme der nicht in Frage. „Da sieht man jedes Fettpölsterchen und vor allem in Dunkelblau auch jeden Schweißfleck.“ Superman muss sich bei seinem Körper ja keine Gedanken um Fettpölsterchen machen, werfe ich ein und überlege kurz, ob der Mann aus Stahl wohl Probleme mit Achselschweiß hat.
Ich kann den Gedanken nicht zu Ende denken, Julia ist nämlich bereits mitten in ihrem Element. „Das Cape war bei Männern in den 1920ern mal in, heute ist es ein absolutes No Go. Dafür ist rot in diesem Winter Trendfarbe.“ Superman wurde in den 1930ern erfunden. In wie vielen Wintern Rot seitdem wohl schon Trendfarbe war? Julia zuckt mit den Schultern. „Ungefähr alle zehn, fünfzehn Jahre kommen bestimmte Trends in irgendeiner Form wieder“, sagt sie und fährt fort: „Das Branding auf der Brust ist markant und cool und auch die Farbkombi passt super.“ Die roten Stiefel findet sie toll („Halt nur nicht für Männer“). Der Gürtel hingegen gefällt ihr weniger gut: „Der greift zwar farblich das Branding auf, der Verschluss wirkt jedoch recht einfallslos. Hier hätte man das Logo von der Brust als edle Prägung wiederholen können.“ Das geht doch gut los.
Batman
Schau mal, der hat Supermans Idee mit der Unterhose geklaut, sage ich, als ich Batmans Foto auf den Tisch lege. Wären Superman und Batman nicht so stark, würden die anderen Kinder sie ganz sicher dafür auslachen. „Ja, das Kostüm ist dem von Superman vom Aufbau her generell recht ähnlich“, antwortet Julia diplomatisch. „Das Cape ist länger als das von Superman – was gut ist – und die Variante mit dem gezackten Saum ist auch besser. Die Raffungen im Schulterbereich sind maskulin und am Hals schließt das Cape optimal mit der Maske ab. Masken finde ich übrigens grundsätzlich super.“ Ich schaue Julia schief an und grinse. „Du trägst privat also auch öfter mal Maske?“ Sie muss lachen und schlägt nach mir. „Nur bei Kostümen, du Experte. Ich hatte welche bei meiner letzten Kollektion.“
Aber weiter im Text. Wir arbeiten hier schließlich. „Die angedeuteten Fledermausohren sind sicherlich Geschmackssache. Da hätte das Logo auf der Brust und der gezackte Saum gereicht, um dem Fledermaus-Thema gerecht zu werden.“ Wie findest du die Farben?, frage ich Julia und will eigentlich von ihr hören, dass sie Batman komplett in Schwarz auch viel cooler findet. Mir ist die Blau-Grau-Kombi mit dem gelben Gürtel nämlich viel zu fröhlich. Der Kerl hat seine Eltern verloren, geht meist nur nachts aus dem Haus und hat kaum Freunde. Wie soll der denn fröhlich sein? Aber Julia sieht das mehr aus modischen Aspekten: „Blau und Grau sind sehr zeitlose Farben. Da kann man nicht viel mit falsch machen.“ Und was sagt die Expertin zu den Accessoires? Zum Gürtel zum Beispiel? „Der ist mit seinen Verstaumöglichkeiten sicherlich sehr praktisch, aber nicht besonders stylisch.“ Die Stiefel? „Sicher super zum Reiten und Motorradfahren geeignet.“ Und die Handschuhe? „Die sind mit ihren Zackenelementen, bei denen das Muster vom Cape wieder aufgegriffen wurde, ein echter Hingucker.“ Okay, euer Ehren. Keine weiteren Fragen.
Flash
Der Rote Blitz? Wie ist der denn da rein gerutscht? Einen langweiligeren Superhelden als Flash gibt es doch kaum und auch Julia schaut fragend aus der Wäsche. „Kommt der nicht in Big Bang Theory vor? Was kann der denn?“ Unglaublich schnell laufen, antworte ich. „Aha, und das ist alles?“ Ich google Flash und finde heraus, dass er auch unglaublich schnell denken und unglaublich schnell reden kann. „Heißt das, der labert seine Gegner einfach zu, bis sie aus den Ohren bluten?“, fragt Julia. Muss wohl so sein. Handeln wir ihn einfach „schnell“ (Hi hi hi) ab und dann gehen wir weiter. „Okay“, beginnt Julia, „das Kostüm ist auf das Wesentliche reduziert. Das gelbe Blitzsymbol taucht an mehreren Stellen auf und sorgt dadurch zwar für einen schönen Kontrast zu dem roten Body, aber insgesamt macht das Outfit im Vergleich fast schon einen billigen Eindruck.“ Ich finde die Flügelchen an den Stiefeln und den Ohren lustig, werfe ich ein. „Ja, wieso macht man so was?“, fragt sie. „Die gelben Stiefel erinnern mich auch stark an Gummistiefel und mit denen kann man ja nun wirklich nicht schnell laufen.“ Na ja, sage ich, es wird schon einen Grund haben, warum Flash es als Superheld nicht weit gebracht hat.
Captain America
Beim nächsten Foto fangen Julias Augen an zu leuchten: „Ein Mann, ein Style! Das gefällt mir richtig gut“, sagt sie. Nicht dein Ernst, sage ich. Was hat der denn da überhaupt oben herum an? Das Unterhemd mit den weiß-roten Längsstreifen ist doch echt nicht schön und das blaue Ding darüber sieht wie ein Strickpullover aus, den er viel zu klein gekauft hat und der dann noch in der Wäsche eingegangen ist. Julia schüttelt energisch den Kopf und holt tief Luft: „Der Anzug wirkt um einiges stabiler und wertiger als bei den anderen und ist zumindest mal ein Zweiteiler. Die Farben sind auf die amerikanische Flagge abgestimmt und der Stern auf der Brust ist nicht nur aufgedruckt, sondern ist aus einem anderen Material aufgesetzt. Zusammen mit den Schnürstiefeln, die man super auch mit anderen Outfits kombinieren kann, sehen wir hier den perfekten Biker-Style.“ Aber der hat auch so etwas wie Flügelchen am Helm, protestiere ich. „Gut, die Maske kann man weglassen“, lenkt Julia beschwichtigend ein. „Die braucht er ja eigentlich auch gar nicht. Genau wie das Schild, das für ein Accessoire recht unhandlich ist. Und auch die Streifen im Taillenbereich müssen nicht unbedingt sein.“ Na ja, ich sehe ein, dass ich weder Biker noch Modefachmann bin, und gebe mich geschlagen.
Spiderman
Die Filme mag ich ja nicht so, aber Spideys Kostüm finde ich ziemlich cool. „Das ist wirklich anmutig und elegant“, nickt Julia. „Das filigran ausgearbeitete Spinnennetz zieht sich über große Teile des Einteilers. Besonders kunstvoll ist die Maske mit den eingesetzten Augenpartien. Da kommen leichte Assoziationen zum Fetisch-Bereich auf. Auch ein Bankräuber könnte so was tragen. Aber dazu wäre das ganze Outfit doch zu auffällig.“ Ja, man muss sich schon von einem Hochhaus auf seine Opfer herabstürzen, wenn man damit jemanden überraschen oder überfallen will. Und das würden nur die wenigsten Bankräuber mehr als einmal machen. Weitere Anmerkungen, Julia? „Nein!“ Na gut. Dann weiter.
Wonder Woman
Die einzige Frau in unserer Runde. Die legt sich dafür modisch ganz besonders ins Zeug. Das ist schon ganz schön gewagt, was Wonder Woman da trägt, oder? „Ja, das ist wirklich extrem sexy und knapp geschnitten. Das kannst du nur tragen, wenn du den absolut perfekten Body hast. Die Sternenhotpants würden sich übrigens auch super als Bikinihose eignen.“ An den Strand passt das bestens, sage ich. Oder in einen Strip-Schuppen. Aber so kann die doch nicht auf Verbrecherjagd gehen!? „Ich sehe da auch eher die modischen Vorzüge. Das Korsett zum Beispiel ist für mich ein absolutes Highlight, das perfekt sitzt und etliche Kombinationsmöglichkeiten bietet. Ein langer Rock dazu und fertig ist das optimale Ballkleid. Das würde auch das Diadem in Szene setzen. In Kombination mit einer engen Jeans hingegen hat man ein einwandfreies Disco-Outfit. Ihr Dekolleté könnte aber auf jeden Fall eine Halskette vertragen.“ Ich schüttele den Kopf und erinnere mich daran, was ich auf Wikipedia zu Wonder Woman gelesen habe. Da heißt es nämlich, dass der Psychologe William Moulton Marston, der Wonder Woman erfunden hat, als Feminist galt und von der moralischen Überlegenheit der Frauen überzeugt war. Und dann steckt der die in ein solches Outfit? „Aber weißt du, was er damals vergessen hat?“, fragt Julia. High Heels vielleicht?, entgegne ich. „Nein. Die Handtasche. Wo um Himmelswillen soll die arme Frau all ihre Sachen verstauen?“ Ähm, ja, das habe ich mich auch gefragt.
Thor
Der letzte Superheld für heute. Ich habe viel gelernt. Jetzt will ich mich mal an eine Style-Analyse wagen. „Okay“, sagt Julia. „Dann bin ich mal gespannt.“ Ich lasse mich nicht von ihrem süffisanten Grinsen einschüchtern und beginne mit dem Cape. Das ist natürlich total out, so was hat „Mann“ zuletzt in den 1920ern getragen. Auch wenn es, wie ich zugeben muss, eine gute Länge hat. Der Brustpanzer mit den Plaketten darauf sieht sehr martialisch aus, passt aber zu den Muskelbergen, die rechts und links hervorquellen. Der Helm mit den großen Flügeln dran geht gar nicht. Wann war der denn modern? Bei Asterix vielleicht. Der Hammer ist als Accessoire sicher noch unpraktischer als Captain Americas Schild. Dafür ist er ein echter Hingucker. Die Stiefel hingegen sehen furchtbar aus. Welches Tier musste denn dafür sein Leben lassen? Und meine Güte, sag bitte nicht, dass das Klettverschlüsse sind!? Vielleicht sollte Thor mal Captain America fragen, wo der seine Stiefel her hat, oder meinst du nicht, Julia? Julia? Julia hält sich gerade vor Lachen den Bauch. Was das wohl zu bedeuten hat? Dass ich mit meiner Analyse absolut richtig liege und bei meinem Talent auch ein eigenes Label gründen sollte? Ja, wahrscheinlich will sie mir das damit sagen. Leider fehlt mir da die Zeit. Aber auf jeden Fall werde ich Superheldenfilme in Zukunft mit ganz anderen Augen sehen.
Bilder: JD Hancock, CC BY 2.0
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[…] der Hamburger Modedesignerin Julia Starp zusammengetan und die Outfits der Jungs und Mädels einem Style-Check unterzogen. Das Ergebnis solltet Ihr Euch nicht entgehen […]